Energieeffiziente Rechenzentren

Data Center sind zu kalt

24. November 2014, 11:36 Uhr | Corinne Schindlbeck
Viele Rechenzentren sind in die Jahre gekommen und werden mit durchschnittlichen 18,4°C viel zu kalt betrieben.
© Bethany Carlson

Rechenzentren in Deutschland werden mit durchschnittlichen 18,4°C viel zu kalt betrieben – das ist Stromverschwendung. Hersteller bieten längst regelbare Systeme, die immer höhere Betriebstemperaturen vertragen und den Einsatz ganzjähriger Freikühlung fast ohne Kompressor ermöglichen.

Energieeffizienz ist beim Gros der mittelständischen Rechenzentrumsbetreiber eher »nice to have« als echte Priorität. Viel wichtiger ist den meisten IT-Verantwortlichen die Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit – nichts ist schlimmer als ein Stillstand der Anlage. Höhere Stromkosten werden dafür billigend in Kauf genommen. Das ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Studie von IDC im Auftrag von Rittal unter 500 europäischen IT-Verantwortlichen.

Bernd Hanstein, Rittal
Bernd Hanstein, Rittal: »In einem modernen Rechenzentrum muss man auf der kalten Seite schwitzen und auf der warmen Seite gar nicht erst reingehen – dann ist es effizient!«
© Rittal

Kein Wunder also, dass es der Studie zufolge in deutschen und europäischen Rechenzentren deutlichen Nachholbedarf bei der Energieeffizienz gibt: 57 Prozent der IT-Manager meldeten PUE-Werte von über 2.0 für ihre im Schnitt sieben Jahre alten Anlagen. Das bedeutet, dass für jede Kilowattstunde Strom, die von den IT-Geräten verbraucht wird, nochmals über 1 kWh für Kühlung und Gebäude- und Anlagentechnik hinzukommen. Industrieweit gilt ein PUE-Wert von 1,4 als ausgezeichnet, große IT-Dienstleister mit optimierten Anlagen erreichen auch Werte von 1,2 oder noch weniger.

IDC hat die häufigsten Mittel zu Wärmeableitung in einer Studie unter 500 IT-Verantwortlichen ermittelt.
IDC hat die häufigsten Mittel zu Wärmeableitung in einer Studie unter 500 IT-Verantwortlichen ermittelt.
© Rittal

Im Schnitt beträgt die Durchschnittstemperatur im Rechenzentrum jedoch 15,5°C, in Deutschland 18,4°C – viel zu kalt. In den meisten könnte man die Temperatur auf bis zu 25 °C hochstellen – der Verband der Server- und Speicherhersteller ASHRAE empfiehlt derzeit Temperaturen von 27 bis 40°C – mit weiterer Entwicklung nach oben. »Da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig«, formuliert Bernd Hanstein, Hauptabteilungsleiter Produktmanagement IT bei Rittal, bei der Vorstellung der Studie am Rittal-Stammsitz in Herborn. »In einem modernen Rechenzentrum muss man auf der kalten Seite schwitzen und auf der warmen Seite gar nicht erst reingehen – dann ist es effizient!«

Direkte Kühlung im Rack

Heute ist es in europäischen Breiten Stand der Technik, nicht mehr komplette Serverräume zu kühlen, sondern mit direkter Kühlung im Rack oder in einzelnen Gängen zu arbeiten. Dadurch ist eine höhere Gesamttemperatur im Raum zulässig, und die Kosten für die Kühlung sinken.

In Hannovers Süden ist im letzten Jahr mit Beteiligung von Rittal eines der modernsten Rechenzentren Deutschlands entstanden. Die TÜV Nord Group zieht hier künftig alle EDV-Aktivitäten der nationalen und internationalen Tochtergesellschaften zusammen. Neben einer Verfügbarkeit von 99,99 Prozent – das entspricht einem ungeplanten Ausfall von maximal 52 Minuten im Jahr – standen Sicherheit und Energieeffizienz im Fokus. 120 Rittal TS IT Serverracks und eine Rittal Ri4Power-Anlage zur Energieverteilung kamen zum Einsatz. Die externe Energieversorgung wurde so dimensioniert, dass das Rechenzentrum 72 Stunden unabhängig von der externen Netzversorgung betrieben werden kann. Zusätzlich sind alle relevanten Systeme doppelt ausgeführt.

Die 120 TS IT Racks von Rittal im Serverraum 1 sind in einem Kalt-/Warmgang-Konzept aufgestellt. Die Klimatisierung erfolgt über ein redundant aufgebautes Umluft-Klimasystem (UKS). Dabei wird die Kaltluft auf einer Seite der Schrankreihe zugeführt und dort von den Lüftern der Hardware-Komponenten angesaugt. Auf der Rückseite steigt die warme Luft auf und wird zurück zu den Wärmetauschern geleitet.

Die Kompressorkühlung wurde auf ein Minimum reduziert: Für die Kaltlufterzeugung stehen im Obergeschoss des Mitteltrakts die Kältemaschinen, die die Kälteleistung zur Verfügung stellen. Auf dem Gebäudedach sind zwei Hybridkühler installiert, die die Wärmeenergie aus den Serverräumen an die Umgebung abgeben. Die Hybridkühler kühlen das Wasser-Glykol-Gemisch zunächst in indirekter Freikühlung mit Umgebungsluft, was bis zu einer Außentemperatur von +16°C möglich ist. Bei Temperaturen bis zu +27°C werden die Kühler zusätzlich in Form von adiabatischer Kühlung mit Wasser besprengt. Erst wenn die Außentemperatur noch höher liegt, wird Kompressionskälte genutzt.


  1. Data Center sind zu kalt
  2. »Kühlung spielt keine große Rolle mehr«

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