Ulrich Spiesshofer, CEO von ABB

»Industrie 4.0 ist einfach!«

10. Mai 2016, 12:15 Uhr | Heinz Arnold
Ulrich Spiesshofer, CEO von ABB: »Wir wollen die Angst vor Industrie 4.0 nehmen und den potenziellen Anwendern demonstrieren, dass sich Industrie 4.0 mit einfachen Mitteln umsetzen lässt.«
© Heinz Arnold, smarterworld.de

Alle Atomkraftwerke der Welt könnten abgeschaltet werden, wenn Elektromotoren plötzlich ins IoT eingebunden wären. Wie das funktioniert, zeigt ABB mit einem neuen Sensorsystem. Vor allem will ABB damit aber den Kunden die Angst vor Industrie 4.0 nehmen und neue Geschäftsmodelle erschließen.

»Rund 40 Prozent der weltweit produzierten elektrischen Energie wird dazu benutzt, Elektromotoren anzutreiben. Was könnte man gewinnen, wenn plötzlich 300 Millionen Motoren ihren Zustand analysieren und kommunizieren könnten?«, fragt Ulrich Spiesshofer, CEO von ABB.

Um diese Frage zu beantworten, hat ABB vor zwei Jahren ein Team aus Ingenieuren zusammengestellt. Es sollte ermitteln, was die Grundvoraussetzungen und Anforderungen wären, um ein einfach an jeden derzeit in der Industrie betriebenen Motor anzubringendes, autark arbeitendes Sensorsystem anbieten zu können.

Zunächst war klar: Es sind verschiedene Sensoren erforderlich, die Werte wie Temperatur, Vibration, und Schall aufnehmen. Es ist Elektronik einschließlich eines Mikrocontrollers erforderlich, um die Daten schon vor Ort in Sensornähe vorverarbeiten zu können, so dass nur noch relevante Daten über die Funkkommunikation übermittelt werden müssen. Und es ist eine ausgeklügelte Stromversorgung  einschließlich des Power-Management erforderlich, damit die Batterien des Systems möglichst lange halten.

»Auf Basis dieser Zustandsbeschreibung hat das Team die Kosten ermittelt«, erklärt Spiesshofer. »Nun bestand im nächsten Schritt das Ziel darin, diese Kosten zu reduzieren.«  Dazu wurden zwei weitere Teams gebildet: ABB Consumer und ABB Automotive. Das Consumer-Team sollte untersuchen, inwieweit sich ICs nutzen ließen, die ABB-Partner für Consumer-Produkte entwickelt haben und deren Preis günstig ist. Etwa um die Bluetooth-Schnittstelle zu realisieren. Das Automotive-Team sollte sich darum kümmern, welche Sensoren beispielsweise die bekannten Zulieferer der Automobilindustrie anbieten, die die Voraussetzung erfüllen, um auch Einsatz im industriellen Umfeld zu finden.

Im Frühjahr 2014 stand das Ergebnis fest: »Es war den Teams gelungen, die Kosten um nicht weniger als 92 Prozentpunkte zu drücken«, freut sich Spiesshofer.  Dann begannen die Ingenieure das Produkt zu entwickeln, auf der Hannover Messe präsentierte ABB kürzlich das Ergebnis. Von der Hard- über die Software bis zu den Cloud-Services stellt ABB alle Elemente zur Verfügung, um in diesem Fall Motoren überwachen, die Daten in der eigenen Cloud speichern und analysieren und darauf aufbauend weitere Dienste anzubieten zu können wie Fernwartung  und vorausschauende Wartung.  Internet of Things, Services und People, kurz IoTSP, nennt ABB diesen umfassenden Ansatz.

Das Ergebnis ist beeindruckend: »Die Lebensdauer der Motoren steigt um 40 Prozent, der Stillstand kann um 70 Produzent reduziert werden und die Energieeffizienz steigt um 10 Prozent«, so Spiesshofer. Nun sieht ein um 10 Prozent besserer Wirkungsgrad auf den ersten Blick vielleicht nicht überwältigend aus, aber bei 300 Millionen Motoren fällt eine solche Verbesserung merklich ins Gewicht, wie Spiesshofer erklärt: »Mit den daraus resultierenden Einsparungen könnte man alle Atomkraftwerke abschalten, die derzeit auf der Welt arbeiten.« Womit auch die Eingangsfrage umfassen beantwortet wäre.

Mit diesem Beispiel will ABB nach den Worten von Spiesshofer aber vor allem zeigen, wie sich Industrie 4.0 und IoTSP einfach umsetzen lassen: »Wir wollen die Angst vor Industrie 4.0 nehmen und den potenziellen Anwendern demonstrieren, dass es sich mit einfachen Mitteln umsetzen lässt.«

Und selbstverständlich funktioniert das Ganze nicht nur mit Motoren, auch Transformatoren ließen sich so überwachen und  fernwarten, um ihre Lebensdauer zu verlängern und ihre Effizienz zu erhöhen.

Services bilden künftig den Schwerpunkt

Das zeigt aber auch die Strategie von ABB als Ganzes: »Wir wollen von der Hardware über die Elektronik und die Software bis zum Service die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und verschieben den Schwerpunkt  zunehmend auf Dienstleistungen, daran arbeiten wir live.«

ABB sei nach den Worten von Spiesshofer mit dem Umbau des Unternehmens schon wichtige Schritte vorangekommen. Er erwähnt den Fokus auf Wachstumsmärkte, beispielsweise den Nahrungssektor in Afrika und auch Mikronetze, die dort einen gewaltigen Aufschwung erleben. Außerdem  geht ABB Partnerschaften ein, beispielsweise mit Microsoft. Auch über Zukäufe will ABB sich derzeit noch fehlendes Know-how verschaffen. 

Die neu etablierte Unternehmensorganisation funktioniere ebenfalls. Die Führungsstruktur wurde verschlankt, gab es früher 14 Manager, die ABB in acht Regionen und fünf Divisions weltweit führten, so sind jetzt dazu nur noch sieben Manager verantwortlich. Bezüglich neuer Geschäftsmodelle habe sich über die letzten Jahre ebenfalls einiges getan, auch wenn dies in der Öffentlichkeit noch nicht so aufgefallen sei. »Es kommt jetzt drauf an, die Elemente Hardware, Elektronik, Software und Services sinnvoll zusammen zu führen, um den Anwendern spürbaren Mehrwert zu verschaffen«, mit diesen Worten umschreibt Spiesshofer, was noch zu tun bleibt.

Ulrich Spiesshofer, ABB:  »Wir wollen die Angst vor Industrie 4.0 nehmen und den potenziellen Anwendern demonstrieren, dass sich Industrie 4.0 mit einfachen Mitteln umsetzen lässt.«

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