»SmartFactoryKL«-Demonstrator des DFKI

Industrie 4.0 zum Anfassen

19. März 2014, 15:05 Uhr | Andreas Knoll
© Phoenix Contact

Industrie 4.0 ist nicht nur in aller Munde - Ansätze der vierten industriellen Revolution sind schon in die Praxis umgesetzt, und zwar mittels einer Demonstrationsanlage der Technologie-Initiative »SmartFactoryKL« am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern.

Henning Heutger, Phoenix Contact
Henning Heutger, Phoenix Contact: »Bei der Spezifizierung und Umsetzung der Demonstrationsanlage wurden bereits nützliche Erkenntnisse über Steuerungsmechanismen und interoperable Schnittstellen dokumentiert.«
© Phoenix Contact

Der Automatisierer Phoenix Contact hat eines der Prozessmodule der Anlage konzipiert und umgesetzt - zwei Mitarbeiter des Unternehmens erläutern die Hintergründe.

Markt&Technik: Inwiefern setzt der DFKI-»SmartFactoryKL«-Demonstrator Industrie-4.0-Methoden um?

Henning Heutger, Project Manager im Bereich Research & Development: Der Themenkomplex Industrie 4.0 ist bislang kein fertiges oder gar standardisiertes Konzept. Er wird jedoch von zahlreichen Ideen und sinnvollen Ansätzen für einen durchgängigen Informationsaustausch unterstützt. Weil die Vernetzung zunimmt und in den Systemen immer mehr Komponenten verbaut werden, ergeben sich neue Automatisierungspotentiale mit dem entsprechenden Mehrwert. Unter anderem lassen sich die Systeme oft flexibilisieren. Die DFKI-Demonstrationsanlage, bei der es sich um eine modular aufgebaute Produktionslinie handelt, ist ein gutes Beispiel dafür. Hier von finalen Methoden zu sprechen, ist allerdings verfrüht, wenngleich schon deutliche Ansätze präsentiert werden können. Das heißt aber keinesfalls, dass es nicht noch weiteren Forschungsbedarf gäbe. Vor allem müssen standardisierte Schnittstellen und Methoden definiert werden, um zu umfassend herstellerinteroperablen Systemen zu gelangen.


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Holger Krings, Phoenix Contact
Holger Krings, Phoenix Contact: »Die Demonstrationsanlage greift einige besonders markante Merkmale im Sinne von Industrie 4.0 auf.«
© Phoenix Contact

Welche von der Demonstrationsanlage gezeigten Prozesse entsprechen also in welcher Hinsicht Industrie-4.0-Ansätzen?

Holger Krings, Technology Manager im Bereich Corporate Technology: Die Demonstrationsanlage greift einige besonders markante Merkmale im Sinne von Industrie 4.0 auf. Als eines der wichtigsten ist hier die Modularität der Produktionslinie zu nennen. Sie unterstreicht die im Zusammenhang mit Industrie 4.0 geforderte Flexibilität und Wandlungsfähigkeit. In Verbindung damit steht das Thema der Adaption und Selbstkonfiguration. Die Anlage erkennt automatisch die Reihenfolge und Funktion der einzelnen Prozessmodule und stellt sich selbstständig auf eine veränderte Abfolge ein. Möglich ist dies durch standardisierte Schnittstellen zwischen den Modulen - OPC UA hat sich hier wegen seiner breiten Akzeptanz und Verfügbarkeit in den Geräten inzwischen als Quasi-Standard etabliert. Dies liegt auch daran, dass OPC UA die wichtigen funktionalen Anforderungen an die Schnittstelle von Cyber-Physical Systems (CPS) abdeckt und Verfahren für gesicherte Kommunikationsverbindungen umfasst. Etablierte Standards für die Verschlüsselung, Integrität und Authentifizierung sind in der OPC-UA-Spezifikation fest verankert.

Was die Datenübertragung im Demonstrator anbelangt, kann auf eine Querkommunikation zwischen den Modulen der Anlage gänzlich verzichtet werden. Die Unabhängigkeit des internen Modulaufbaus und der Verzicht auf Abhängigkeiten der Module untereinander reduzieren Komplexität und Engineering-Aufwand, besonders bei Änderungen oder Erweiterungen an der Anlage. Grundlegende Voraussetzung für die Interoperabilität der Module ist die Definition standardisierter Schnittstellen. Sie ermöglichen ein hohes Maß an Interoperabilität, auch wenn die Anlage Komponenten unterschiedlicher Hersteller umfasst.

Über das ERP-System lassen sich Vorgaben bis kurz vor der Ausführung eines Prozessschritts am Produkt beeinflussen, was für hohe Flexibilität selbst bei Losgröße 1 sorgt. Als Beispiel sei hier das Einwirken auf die Daten genannt, die das Phoenix-Contact-Modul zur individuellen Laserbeschriftung eines Produkts nutzt. Dessen Merkmale werden erst bei Beginn der Fertigung in einem RFID-Träger gespeichert, der auf einer Komponente des Produkts angebracht ist. Die Produktionslinie erkennt beim Durchlauf des Werkstückträgers automatisch die erforderlichen Bearbeitungsschritte, so dass das Produkt in der richtigen Reihenfolge bearbeitet wird.

Welche Erkenntnisse zur Vision Industrie 4.0 und zu ihrer Realisierbarkeit hat der DFKI-»SmartFactoryKL«-Demonstrator bisher gebracht, und welche Untersuchungen am Demonstrator sollen noch folgen?

Topologische Darstellung der Produktionslinie des Demonstrators
Topologische Darstellung der Produktionslinie des Demonstrators
© Phoenix Contact

Heutger: Der Demonstrator wird erst in Kürze fertiggestellt, so dass bislang noch keine ausgiebigen Untersuchungen möglich waren. Dennoch wurden bei der Spezifizierung und Umsetzung bereits nützliche Erkenntnisse über Steuerungsmechanismen und interoperable Schnittstellen dokumentiert. Im Rahmen der aktiven Testphase und detaillierter Untersuchungen werden die Potentiale und Möglichkeiten im Kontext von Industrie 4.0 dann erforscht. Anhand des Demonstrators werden die Prinzipien von Industrie 4.0 erkundet und neue Ansätze in Form eines »Proof of Concept« aufgezeigt. Deshalb ist die Nutzung der Demonstrationsanlage bewusst auf mehrere Jahre ausgelegt. Sie steht als Testplattform für die Erforschung weiterer Wirkungsmechanismen bereit.

Wie werden die einzelnen Prozesse im DFKI-»SmartFactoryKL«-Demonstrator gesteuert?

Heutger: Das Steuerungskonzept des von Phoenix Contact aufgebauten Prozessmoduls beruht im Wesentlichen auf Standardkomponenten aus dem eigenen Hause, wobei Erweiterungen durch funktionale Ansätze aus dem Bereich Industrie 4.0 berücksichtigt sind. Zentrales Steuerungselement des Moduls ist ein Industrie-PC der Produktfamilie »Valueline« mit integrierter Soft-SPS »PC Worx RT«. Zu den Funktionen des IPCs gehört die Ablaufsteuerung der Prozesse im Modul. Dazu zählen auch das Lesen, Schreiben und Interpretieren der für ein Werkstück spezifischen Informationen, die zum Bearbeiten des Produkts nötig sind und auf dessen zugehörigem RFID-Tag mitgeführt werden. Darüber hinaus umfasst die Ablaufsteuerung die Kommunikation mit dem Webserver, der die zur Laserbeschriftung nötigen Daten vorhält. Ein Prioritäten-Management des ERP-Systems nimmt zudem über die OPC-UA-Schnittstelle Einfluss auf die Module – etwa in puncto Übergabe der Produktionsaufträge. Auf diese Weise lässt sich ein Produkt in der Bearbeitung vorziehen und mit höherer Priorität fertigstellen. Hierzu werden unter anderem die voraussichtlichen Prozesszeiten und die Fördergeschwindigkeit der Produktionslinie berücksichtigt.

Die OPC-UA-gestützte Kommunikationsarchitektur der Produktionslinie fungiert auch allgemein als Grundlage für Industrie-4.0-konforme Produktionssysteme. Zuvor wurden bereits wesentliche Kommunikationsmechanismen auf Basis einer Service-orientierten Architektur (SOA) untersucht, in der ein überlagerter Client Service-Anfragen an die Steuerung schickt. Die so genannten Service Requests werden im Server der Steuerung ausgeführt und können so den Ablauf der Prozesskette beeinflussen. Die SOA-Steuerung ist also ein Schritt auf dem Weg zur Nutzung von OPC UA als zentralem Bestandteil der Industrie-4.0-Kommunikation, weil für OPC UA die gleichen Service-orientierten Kommunikationsmechanismen spezifiziert sind.

Inwieweit beruht der Demonstrator auf CPS?

Kommunikationsarchitektur des Phoenix-Contact-Moduls
Kommunikationsarchitektur des Phoenix-Contact-Moduls
© Phoenix Contact

Krings: Die Anlage zeigt Merkmale von CPS, etwa die Einbindung von RFID-Tags und der Sensorik, die zum Informationsaustausch mit den Tags nötig ist. Hierüber erfolgt eine adaptive und dynamische Ablaufsteuerung. Ein weiteres Merkmal ist die Einbindung von Human Machine Interfaces (HMI). Auch der vertikale Informationsdurchgriff bis zur Sensorik unterstreicht den CPS-Ansatz.

Welchen Beitrag hat Phoenix Contact insgesamt zur Realisierung des Demonstrators geleistet?

Krings: Dank seines umfassenden Produktportfolios hat Phoenix Contact sein gesamtes Modul im Wesentlichen mit eigenen Komponenten realisiert. Dazu gehören Steuerungen, HMI-Geräte, die I/O-Systeme »Inline« und »Axioline«, unterbrechungsfreie Stromversorgungen, Leistungsmessklemmen, Ethernet-Switches inklusive der Patch-Kabel sowie verschiedene Steckverbindungen und Klemmen mit Push-In-Anschlusstechnik. Lediglich die Laser-Einheit und das Transportsystem wurden als Lösungen von Drittherstellern integriert. Garant für einen reibungslosen Ablauf und die zügige Umsetzung war das tiefgreifende Know-how des unternehmenseigenen Maschinenbaus, der das Modulkonzept gemäß den Rahmenbedingungen der gemeinschaftlich im Konsortium erstellten Spezifikation entwickelt und ausgeführt hat.

Welche weiteren Schritte sind geplant?

Heutger: Als nächstes stehen zusätzliche Forschungsaktivitäten im Kontext von Industrie 4.0 an. Wo die Prioritäten hier im Einzelnen liegen, wird Gegenstand der Gespräche im Konsortium sein. Unter anderem ist beabsichtigt, weitere Merkmale neuartiger Steuerungsarchitekturen zu untersuchen, wie sie im Zusammenhang mit CPS diskutiert werden. Die Planung umfasst ferner die Erweiterung der Anlage durch zusätzliche Produktionsmodule sowie die Fertigung neuer Produkte unter Berücksichtigung der Losgröße 1 auf derselben Anlage. Durch Integration weiterer heterogener Komponenten soll darüber hinaus die Erfahrung mit herstellerunabhängiger Interoperabilität auf allen Ebenen gestärkt werden.


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