Retrofitting statt Neukauf

Maschinen profitabel für Industrie 4.0 umrüsten

9. September 2020, 13:36 Uhr | Hagen Lang
Martin Folz von der Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb testet eine mit Retrofit aufgerüstete Bandsäge.
© TU Chemnitz/Jacob Müller

Mag Industrie 4.0 verheißen, was sie will: Deswegen allein ist der Neukauf von Maschinen wirtschaftlich sinnlos. Wie mit Bestandsanlagen durch Retrofitting trotzdem die Vorteile von Industrie 4.0 genutzt werden können, zeigt das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz.

„Gerade im gegenwärtigen Zeitalter von Industrie 4.0 und beim Thema Künstliche Intelligenz ist es wichtig, Daten von Bestandsanlagen zu erfassen und zu übertragen. Hierbei kann insbesondere Retrofit unterstützen“, sagt Martin Folz vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz. Der an der Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb der Technischen Universität Chemnitz tätige Mitarbeiter sagt, dass im Gegensatz zu einer Neuanschaffung vieler Maschinen, der Retrofit einer Bestandsmaschine meist mit erheblichen Einsparungen bei der Investition verbunden sei.

„Die Mechanik einer Maschine altert im Vergleich zu der Kommunikations-, Steuerungs- oder Automatisierungstechnik nämlich deutlich langsamer“, so Folz. Die Nutzungsdauer der Maschine könne sich durch den Retrofit veralteter Komponenten aber enorm verlängern. „Denn durch die Ergänzung moderner Sensorik und Kommunikationsfähigkeit erhöht sich die Produktivität der Maschine und Ausfallzeiten werden reduziert. Zudem sinken die Produktionskosten, indem Energieeffizienz und Produktqualität steigen“, sagt Folz. Dadurch amortisiert sich die Investition in Industrie-4.0-Technik dann doch.

Digitalisierung (ur-)alter Schätzchen: Bandsäge digital ertüchtigt

Um für die Retrofit-Methode in der Industrie zu werben, hat das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz mehrere Demonstratoren in der Experimentier- und Digitalfabrik der TU Chemnitz entwickelt und zur Besichtigung ausgestellt. Dazu zählt eine Bandsäge, die mit Sensoren, einer speicherprogrammierbaren Steuerung und einem Einplatinenrechner nachgerüstet wurde. Folz erläutert das Vorgehen: „Ein neu hinzugefügter Schaltschrank enthält eine Siemens-Steuerung, die die Sensorsignale verarbeitet und an einen Einplatinenrechner weitergibt. Auf diesem Rechner vom Typ Raspberry Pi läuft eine Serveranwendung. Sie stellt unter anderem die Visualisierung für das Bedien-Tablet zur Verfügung. Verschiedene Geräte können somit über einen Webbrowser auf nutzerzentrierte Informationen zugreifen.“

Dampfmaschinen-Wartung dank Retrofit

Neben der Bandsäge wurde auch eine Dampfmaschine modernisiert. Deren Retrofit basiert auf den Anwendungsfällen „Condition Monitoring“ und „Bedarfsgerechte Instandhaltung“. Da die Lager der Dampfmaschine alle zehn Betriebsminuten geölt werden müssen, war das Ziel, die sichere Wartung in kurzen Abständen zu gewährleisten. Dazu Hendrik Unger von der Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb:

„Im ersten Schritt wurde dazu eine Lichtschranke angebracht. Sie nimmt zum einen die Drehzahl des Schwungrades auf und erlaubt zum anderen bei laufendem Schwungrad Rückschlüsse auf die Betriebszeit. Nach acht Minuten im Betrieb schaltet die Steuerung die Heizung der Dampfmaschine automatisiert ab. In den folgenden zwei Minuten kühlt der Kessel herunter und nach zehn Minuten erscheint im Display eine Meldung, die an die Wartung erinnert.“

Digitalisierte Rundstrickmaschine

Um die Werbetrommel für Retrofit zu schlagen, gingen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Chemnitz noch einen Schritt weiter. In Vorbereitung der Sonderausstellung „MaschinenBoom.“ der 4. Sächsischen Landesausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Industriemuseum Chemnitz ein weiteres Retrofit-Projekt durchgeführt und eine Rundstrickmaschine aus dem Museumsbestand „digitalisiert“. Das Exponat kann bis zum 31. Dezember 2020 zu den Öffnungszeiten des Museums besichtigt werden. Details zu diesem Projekt sind online verfügbar.

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