Für ein umweltverträglicheres Fliegen

Drucksensor aus Silizium-Carbid misst bei 600 °C

9. März 2022, 12:38 Uhr | Kathrin Veigel
Der neueste Sensor aus dem Hause Fraunhofer misst dort, wo es richtig heiß wird.
© Fraunhofer IZM

Während übliche Drucksensoren bei 300 °C den Geist aufgeben, arbeitet der neueste Sensor des Fraunhofer IZM auch bei doppelt so hohen Temperaturen sicher. In der rauen Umgebung von Flugzeugturbinen kann er Verbrennungsprozesse kontrollieren und so den Kerosinverbrauch reduzieren helfen.

Geht man heutzutage in die Luft, funktioniert dies meist so: Mittels einer Gasturbine und der Rückstoßwirkung des Luft- sowie Abgasstroms wird hohe Schubkraft erzeugt und der Flugkörper angetrieben. Was von außen nicht sichtbar ist: Durch die starke Kompression der angesogenen Luft herrscht in der Flugzeugturbine enormer Druck und die Temperaturen steigen schon beim Eintritt in die Brennkammer auf bis zu 600 °C. Bei  Raumfahrtapplikationen ist die Umgebung noch rauer.

Um Sicherheit in der Luftund Raumfahrt zu gewährleisten und die Verhältnisse während der Nutzung kontrollieren zu können, werden Sensoren eingesetzt. Diese müssen jedoch speziellen Anforderungen entsprechen: Zusätzlich zur Genauigkeit und Sensibilität müssen sie zuverlässig sein und den extrem korrosiven Umgebungsbedingungen standhalten.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) haben nun einen Hochtemperatur-Sensor entwickelt, der diesen Anforderungen entspricht. Genutzt haben sie dafür das Material Silizium-Carbid (SiC), das für den Aufbau von Drucksensoren vor allem hinsichtlich der Robustheit einen technologischen Durchbruch darstellt.

Die Nutzung klassischer Silizium-Sensoren ist für Anwendungen dieser Art unvorstellbar, denn diese geraten schon bei 150 °C an ihre Belastungsgrenze. Sensoren, die auf der sogenannten SOI-Technologie (Silicon on Insulator) basieren, schneiden besser ab, jedoch beginnt auch hier bei Temperaturen über 400 °C in Kombination mit mechanischer Belastung eine plastische Deformation, was die Messgenauigkeit ungünstig beeinflusst.

Die neue Generation der Hochtemperatur-Sensoren auf SiC aufzubauen, bietet klare Vorteile: Das Material ist extrem robust, thermisch stabil und reagiert kaum auf chemische Einflüsse. Zudem erlaubt die hohe Bandbreite des Materials eine Nutzung bei Temperaturen bis zu 600 °C.

Bei diesen mechanischen und chemischen Voraussetzungen, wurde es schon vor Jahren als  mögliches »Wundermaterial« in der Mikroelektronik erkannt. Die bis dahin bestehende Herausforderung lag besonders in der Bearbeitung des Materials: »Silizium-Carbid ist Fluch und Segen zugleich: Die einzigartige Festigkeit und Beständigkeit des Materials sind vielversprechend für elektronische Komponenten. Genau diese Eigenschaften machen es aber auch extrem schwierig, das SiC zu bearbeiten«, so Wissenschaftler Piotr Mackowiak vom Fraunhofer IZM.

Fraunhofer IZM
Ein spezieller Ätzprozess ermöglicht Sensoren für Einsatztemperaturen bis 600 °C.
© Fraunhofer IZM

Neuer Lösungsansatz: präzise Ätzvorgänge

Hierfür hat die Forschungsgruppe um Mackowiak nun Lösungsansätze gefunden. Ihre Herausforderung bestand darin, in einem Halbleiterprozess einen winzigen stabilen Grundkörper auf einer dünnen Membran aufzubauen. Dafür verwendeten sie einen zweifachen, äußerst schnellen Ätzprozess. Dieser ätzt das Siliziumcarbid mit einer Geschwindigkeit von 4 Mikrometern pro  Minute auf, was dem 8-fachen der gängigen Raten entspricht und damit für hochvolumige Fertigungsdurchsätze interessant ist. Das Endprodukt der Fertigung zeichnet sich zudem durch eine außergewöhnliche Geometrie aus, die zur Temperaturbeständigkeit beiträgt und ermöglicht, dass keine externe Kühlung des Sensors notwendig ist.

»Ziel war es, den Aufbau einerseits nur auf das Notwendigste zu beschränken, so dass die Temperaturbeständigkeit sichergestellt wird, andererseits das Material stellenweise so abzudünnen, dass es biegbar wird, um Piezomessungen zu ermöglichen – beides ist uns mit dem Tiefenätzen gelungen«, so Mackowiak.

Bereits existierende Sensoren in diesem Bereich arbeiten nach  dem piezoelektrischen Messprinzip. Dies hat den Nachteil, dass nur dynamische und keine statischen Drücke erfasst werden können. Auch können die existierenden Sensoren sehr hohe Temperaturen nicht dauerhaft aushalten. Die neuen Fraunhofer-Sensoren arbeiten piezoresisitiv. Dies erlaubt das Messen von dynamischem und statischem Druck. Sie können dauerhaft und bei noch höheren Temperaturen betrieben werden. 

Zuverlässige Hochtemperaturmessungen bis zu 600 °C könnten zu mehr Umweltverträglichkeit in der Luftfahrt beitragen. Auf der Basis der Messungen der thermoakustischen Druckschwingungen und Prozessparameter in der Turbine wird eine deutlich höhere Prozesskontrolle erzielt: Das Verhältnis des Luft-Brennstoff-Gemischs könnte angepasst und die Verbrennung optimiert werden. Dies würde zu einer Reduktion des Kerosinverbrauchs führen.

Durch kleine Änderungen des Designs können die Messgrößen variiert werden, wodurch der Sensor nicht nur für die Luft- und Raumfahrt, sondern perspektivisch auch im Bereich der E-Mobilität oder für Messungen bei Tiefenbohrungen einsetzbar wird.


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