Die Krise als Chance - die Sensortechnik dürfte zu den ganz wenigen Teilbereichen der Elektronikbranche zählen, für welche die Corona-Pandemie nicht nur aktuell sondern auch mittelfristig zusätzliche Umsatzimpulse liefern könnte. Mit einer Ausnahme, dem Automotivebereich.
Auch wenn Marktforschungsunternehmen wie Omdia davon ausgehen, dass die Sensor- und MEMS-Branche ihr für 2020 prognostiziertes Umsatzvolumen von 32 Milliarden Dollar wohl um 5 bis 10 Prozent verfehlen wird, so zählt die Sensortechnik, wie eine aktuelle Expertenrunde zeigt, wohl zu den wenigen Gewinnern der Corona-Pandemie und ihrer Folgen. Entscheidend, um auf der Gewinnerseite zu stehen, ist dabei ein breites Produkt- und Technologieportfolio. Sensor- und MEMS-Spezialisten, die dagegen fast ausschließlich den Automotive-Bereich bedienen, werden wohl erst 2021 mit einem wirklichen Zurück zur Normalität rechnen können.
Im ersten Schritt profitierten Sensorik- und MEMS-Spezialisten vom sprunghaft ansteigenden Bedarf an Applikationen rund um die Beatmung; allen voran Drucksensoren, Luftstromsensoren sowie Temperatursensoren erlebten einen sprunghaften Bedarfsanstieg, wie Andreas Eckert, Product Development Manager Central Europe bei TTI, bestätigt. Innerhalb kürzester Zeit habe dies zu einer kompletten Auslastung der Fertigungsstraßen bei den Lieferanten geführt, so Eckert. »In der Folge führte das zu rasant steigenden Lieferzeiten bis hin zur exklusiven Bedienung von Corona-relevanten Bedarfen.« Für die Distribution hatte das nach seinen Worten starke Verzögerungen und Verschiebungen zur Folge »bis hin zum Ausfall bestehender Bestellungen für nicht Corona-relevante Bedarfe«.
Neben der Versorgung klassischer medizintechnischer Geräte etwa im Bereich Beatmungsgeräte und Sauerstoffkonzentratoren profitierten die Sensor- und MEMS-Hersteller im Zuge der Corona-Krise auch von den Entwicklungsanstrengungen im Bereich der Diagnostik. Beispielhaft wäre da etwa Veredus Labs mit einer Lab-on-Chip-Lösung für Corona-Tests, die auf Mikrofluidik basiert, Bosch Healthcare Solutions hat zusammen mit Randox Labs einen vollautomatischen molekulardiagnostischen Test entwickelt und Cepheid stellte einen PCR-Chip vor, der in nur 45 Minuten Ergebnisse liefern kann.
Auch wenn einige der Marktentwicklungen der letzten Wochen wohl nur temporäre Erscheinungen bleiben werden, wie Dr. Michael Brauer, Business Development Manager bei Würth Elektronik eiSos, beispielsweise im Zusammenhang mit dem gesteigerten Interesse an Drucksensorik feststellt, sieht Dr. Roland Helm, Head of PL Silicon Microphone bei Infineon Technologies, auch in Zukunft durchaus ein erhöhtes Interesse an Sensorik- und MEMS-Lösungen im Gefolge der Corona-Pandemie. »Für spezifische Sensoren im Diagnostik- und Medizintechnikbereich könnte durchaus langfristig ein geänderter Bedarf auftreten. Das reicht von differenziellen Drucksensoren zur Luftmessung bis hin zu Systemen, welche die Körpertemperatur überwachen oder Hustengeräusche detektieren und analysieren können.«
Aber auch das geänderte gesellschaftliche Verhalten ließe sich nach Einschätzung von Dr. Helm durchaus auch mit entsprechenden Sensor-Lösungen überwachen und regeln: »Es könnte einen Mehrbedarf an Radarsensoren geben, beispielsweise zur Sicherstellung der Maximalzahl von Personen in einem Raum oder zur Sicherstellung des Abstands zwischen Personen.«
Zu den Gewinnern der Corona-Krise zählen nach der Beobachtung von Jörg Wedermann, Vice President Product Marketing der Opto Division von Vishay, Hersteller, deren Produkte helfen, den Virus zu bekämpfen, Hygienemaßnahmen erleichtern oder medizinische Geräte unterstützen. Als Beispiele nennt er in diesem Zusammenhang etwa Annäherungs- und Gestik-Sensoren für berührungsloses Schalten und Steuern sowie IR-basierte Temperatursensoren zur Fiebermessung. Ein steigendes Interesse an Sensoren zur kontaktlosen Temperaturmessung bestätigt auch Eckert: »In Asien hat dieser Trend bereits früh eingesetzt, aber auch hierzulande wird inzwischen aktiv entwickelt und mit Hochdruck an entsprechenden Geräten gearbeitet.«