Smart Production

So gestaltet Audi die Produktion der Zukunft

26. Juli 2022, 10:46 Uhr | Kathrin Veigel
Smart Production ist ab sofort bei dem Autobauer Audi angesagt: So wird zum Beispiel die Modulare Montage eingeführt.
© Audi

Audi baut eine voll vernetzte, effizientere und nachhaltige Produktion auf. Das Ziel: Eine Wertschöpfungskette gestalten, die resilient, agil und flexibel ist, um künftigen Anforderungen wie wachsende Variantenvielfalt, der Weg zur E-Mobilität und eine immer volatilere Liefersituation zu begegnen.

  • Taktungebundene Modulare Montage vereinfacht Umgang mit hoher Produktvarianz
  • Virtuelle Prüfung der Oberflächen dient als digitale Schnittstelle zwischen Design, Technischer Entwicklung und Fertigung
  • Roboterhund Spot unterstützt beim 3D-Scannen der Produktionshallen
  • Virtual Reality ermöglicht weltweit vernetzte, virtuelle Fertigungsplanung

Das Fließband gibt seit mehr als einem Jahrhundert den Takt in der Automobilproduktion vor. Nun stößt es zunehmend an seine Grenzen. Zahlreiche Derivate und Individualisierungsmöglichkeiten steigern die Differenzierung der Produkte. In einem starren, sequenziellen Prozess lässt sich diese Komplexität immer schwerer beherrschen. »Die Modulare Montage ist eine unserer Antworten auf die zukünftigen Anforderungen«, erklärt Gerd Walker Vorstand für Produktion und Logistik bei Audi. »Wir nutzen digitale Technologien gezielt zum Vorteil der Mitarbeitenden und erhalten gleichzeitig eine flexiblere und effizientere Montage.«

Im Production Lab von Audi bereitet das Team um Projektleiter Wolfgang Kern den Einsatz der Modularen Montage in der Serienfertigung vor. Dafür setzt das Team das Konzept zunächst in der Vormontage von Türinnenverkleidungen im Werk Ingolstadt um. Die Aufträge im Testbetrieb folgen nicht mehr einer einheitlichen Reihenfolge, sondern dem jeweiligen Bedarf. Fahrerlose Transportsysteme (FTS) befördern die Türverkleidungen genau an die Station, an der die Komponente montiert werden muss. »Indem wir die Fertigungszeit dank der Wertschöpfungsorientierung und Selbststeuerung reduzieren, können wir die Produktivität fallbezogen um bis zu 20 Prozent steigern«, rechnet Kern vor.

Darüber hinaus lassen sich mit der Modularen Montage bestimmte Fertigungsschritte bündeln. Zum Beispiel können komplette Sonnenrollos nun von nur einem Mitarbeiter verbaut werden. Am Band müssten zwei oder drei Mitarbeiter diesen Umfang aufgrund der vorgegebenen Taktzeiten übernehmen. Ein weiterer großer Vorteil des flexiblen Systems: Audi kann Mitarbeiter beschäftigen, die in der Linie aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht mehr eingesetzt werden können. Durch dieses Pilotprojekt sammeln die Experten wertvolle Erkenntnisse und treffen Ableitungen für den Serieneinsatz. Im nächsten Schritt wollen Projektleiter Kern und sein Team die Modulare Montage in eine größere Vormontage integrieren.

Virtuelle Techniken für den Design- und Entwicklungsprozess

Verschiedene Bauformen und Ausstattungsvarianten eines Modells werden mittels einer virtuellen Darstellung schnell und effizient in unterschiedlichen Umgebungen und Lichtverhältnissen begutachtet. Vordringliches Ziel: Das Design zu möglichst 100 Prozent in die Produktion zu übertragen. Zu diesem Zweck bewerten die Experten ab einer frühen Entwicklungsphase eines Modells bis zur Freigabe der Werkzeuge die Designentwürfe daraufhin, ob sie sich tatsächlich auch so in Serie fertigen lassen. Die finale Abnahme der Fahrzeugoberflächen erfolgt dann im sogenannten Daten-Kontroll-Meilenstein.

Das dafür wichtigste Hilfsmittel sind Großleinwände, sogenannte Powerwalls, die es erlauben, das Fahrzeug in seiner Originalgröße darzustellen. In Kombination mit dem Visualisierungscluster – einem Rechnerverbund mit insgesamt 26.000 CPUs – lassen sich die Fahrzeuge realistisch und mittels physikalisch basierter Licht-, Schatten- und Reflexionsberechnung darstellen. Dieses Verfahren bildet die Grundlage für den Entscheidungsprozess in puncto Design.

Neben der Visualisierung an der Powerwall setzt Audi zunehmend auch Head-Mounted Displays ein. Bei dieser Methode liegt der große Vorteil darin, dass man die virtuellen Modelle aus Sicht der Kunden erleben kannn. Indem sich dieses spezielle Virtual-Reality-System mit Standard-Hard- und -Software umsetzen lässt, ist es schnell und flexibel einsetzbar. Viele Personen können die Methode nutzen, und es lässt sich leicht an anderen Standorten weltweit nachbauen.

Audi Virtuelle Montage
Um den Design- und Entwicklungsprozess aus Produktionssicht zu beeinflussen, nutzt Audi virtuelle Techniken.
© Audi

Virtual-Reality-Technik kommt auch im Toleranzmanagement zum Einsatz. Auf diese Weise stellt Audi sowohl aus konstruktiver als auch aus qualitativer Sicht sicher, dass ein bestimmtes Modell nach den Vorgaben gebaut wird. Mithilfe einer 3D-Simulation des Fahrzeugaufbaus lassen sich die Auswirkungen von Bauteil- und Montagetoleranzen auf das Erscheinungsbild des Fahrzeugs exakt voraussagen.

Die Simulationsergebnisse werden dann ebenfalls mittels Virtual Reality realistisch visualisiert. So können die Experten der Produktion zeitlich und örtlich unabhängig von physischen Modellen den Design- und Entwicklungsprozess annähernd kostenneutral und erstmals auch aus den produzierenden Werken heraus beeinflussen.

Vorteile einer virtuellen Montageplanung in der Smart Production

Die virtuelle Montageplanung schont nicht nur materielle Ressourcen. Sie ermöglicht auch eine neuartige, flexible und standortübergreifende Zusammenarbeit. Der bislang notwendige Bau von Modellen im Planungsprozess entfällt. Mittels eines Scan-Prozesses werden dreidimensionale Punktewolken erzeugt, die sich für die virtuelle Nachkonstruktion von Maschinen und Infrastrukturen nutzen lassen.

Die Software basiert auf Künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning. Sie ermöglicht es Mitarbeitern, virtuell durch Fertigungslinien zu navigieren. Durch die Volkswagen Industrial Cloud steht ihnen ein leistungsfähiges Instrument zur Verfügung, um beispielsweise Standorte miteinander zu vergleichen und geeignete Lösungen von anderen Produktionslinien für ihre eigenen Planungsaufgaben zu nutzen.

Um die 3D-Scans so effizient wie möglich durchführen zu können, erprobt Audi aktuell gemeinsam mit dem Münchner Softwareunternehmen NavVis den Roboterhund namens Spot. Seit dem Start der Standortdigitalisierung im Jahr 2017 wurden rund vier Millionen Quadratmeter und 13 Werke erfasst. 100.000 Quadratmeter zu scannen – beispielsweise in der Produktion des Audi A6 in Neckarsulm – dauert im Einschichtbetrieb normalerweise rund zwei Wochen. Denn die Scans können dort nur nachts oder am Wochenende erfolgen. Zudem erschweren bauliche Hindernisse wie Treppen oder Türen die Scanarbeiten.

Der Roboterhund Spot kann dagegen bis zu 48 Stunden scannen und findet seine Route autonom. Seit Dezember 2021 wird Spot bei Audi intensiv getestet. Beliebige Umfänge der 3D-Scans lassen sich dazu in die virtuellen Abbilder einbetten, für die das Team der Virtuellen Montageplanung unter der Leitung von Andrés Kohler zuständig ist. »Die Zusammenführung aller Planungsdaten in unserem digitalen Zwilling ermöglicht uns bereits Jahre im Voraus, einen ganzheitlichen Blick auf unsere geplante Produktion der Zukunft zu werfen«, erklärt Kohler. Wie in der realen Fabrik sind dort neben dem neuen Audi-Modell auch die Fabrikhalle, die Fördertechnik, die Werkzeuge, Regale und Behälter zu sehen.


  1. So gestaltet Audi die Produktion der Zukunft
  2. Vorteile der Digitalisierung und Visualisierung nutzen

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