Maschinen-Konformität

Kinder erliegen Roboter-Gruppenzwang

20. August 2018, 10:21 Uhr | Hagen Lang
Gruppenzwang ist kein Phänomen, das nur Menschen erzeugen können. Kleine Nao-Roboter schaffen das zumindest auch bei Kindern.
© Tony Belpaeme / Ghent University

Forscher der Universität Bielefeld haben das »Konformitätsexperiment« des Psychologen Asch, bei dem Macht einer Gruppe einzelne von einer sachlich falschen Meinung »überzeugt«, mit »Nao«-Robotern wiederholt. Allerdings funktioniert das nur mit Kindern.

»Die Versuchspersonen müssen eine bildliche Darstellung beurteilen und hören dazu die falsche Einschätzung anderer Personen, die in das Experiment eingeweiht sind«, erklärt Anna-Lisa Vollmer von der Forschungsgruppe Angewandte Informatik, die zur Technischen Fakultät der Universität Bielefeld und dem Exzellenzcluster CITEC gehört und von Professorin Dr. Britta Wrede geleitet wird.

In der neuen Studie bilden nicht Menschen die »eingeweihte« Gruppe, sondern drei Roboter vom Typ Nao. Die Humanoiden können sprechen und gestikulieren und sind deutlich kleiner als Erwachsene (etwa 60 Zentimeter). Die Studie war zweigeteilt. In der ersten Phase der Experimente untersuchten die Forschenden, ob Erwachsene ihr Urteil an das der drei anwesenden Roboter anpassen.

In der zweiten Phase nahmen Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren an den Experimenten teil. Die Versuchspersonen sahen auf einem Bildschirm einen senkrechten Strich. Sie sollten dessen Länge mit drei weiteren Strichen (A, B und C) vergleichen und sagen, welcher Strich gleich lang sei. Wenn die richtige Antwort »B« lautete, behaupteten die Roboter zum Beispiel fälschlicherweise »C« sei die korrekte Antwort.  Das Ergebnis: »Kinder geben dem sozialen Druck nach, den die Gruppe von Robotern ausübt«, sagt Anna-Lisa Vollmer.

»Erwachsene hingegen halten dieser Beeinflussung stand, obwohl sie sich in der gleichen Situation von anderen Menschen beeinflussen lassen würden.«  Womöglich liege es an der Größe der Nao-Roboter, dass sie die Erwachsenen in der Untersuchung nicht beeinflussen konnten, sagt Vollmer. »Durch ihr Aussehen und ihre Größe wurden die Naos von Kindern vermutlich eher als ebenbürtig wahrgenommen.«

Allerdings hatten sich die Forschenden bemüht, die Größe auszugleichen: Die Sitzhöhe der Roboter war in beiden Versuchen an die Sitzhöhe der Teilnehmenden angepasst.  Die aktuelle Studie leistet Pionierarbeit. »Obwohl Kinder als künftig bedeutende Nutzergruppe angesehen werden, ist bis jetzt kaum bekannt, welchen Einfluss Roboter auf Kinder haben und wie sich Roboter-Verhalten auf die kindliche Entwicklung auswirkt«, sagt Anna-Lisa Vollmer. 

Das Ergebnis der Studie hat praktische Bedeutung für den Einsatz von humanoiden Robotern. »Es gibt Anwendungen, in denen eine Beeinflussung Vorteile bietet, wie zum Beispiel im Gesundheitswesen oder der Bildung«, sagt Anna-Lisa Vollmer. »Aber natürlich dürfen wir Missbrauch und falsche Anwendungen nicht außer Acht lassen. Wie soll zum Beispiel damit umgegangen werden, wenn mehrere Roboter in einem Geschäft für ein Produkt Werbung machen und eine Person dazu bringen, dieses Produkt zu kaufen, obwohl sie es sonst nicht gemacht hätte? Risiken bestehen auch, wenn ein autonom lernender Roboter falsche Schlüsse aus Sensordaten zieht und sich damit an Menschen wendet, die sich auf die Einschätzung des Roboters verlassen«, sagt Vollmer.

Die Studie Dr. Anna-Lisa Vollmers vom Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld und ihrer Kollegen der englischen Plymouth University, des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (Berlin) und der belgischen Ghent University ist im Fachmagazin „Science Robotics“ erschienen.


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