Virtuelles Labor spart Materialtests

Verbesserte Belastungs-Simulationen am Computer

5. Juli 2017, 11:41 Uhr | Hagen Lang
© Fraunhofer IWM

Beliebige Belastungszustände von metallischen Materialien, deren mechanische Eigenschaften richtungsabhängig sind, untersuchen und präzise werkstoffmechanische Daten ermitteln, das beherrscht eine Computer-Simulation der Fraunhofer-Gesellschaft in nicht dagewesener Genauigkeit.

Die Simulation der Eigenschaften von Blechwerkstoffen ist immer nur so gut, wie die zugrundeliegenden Daten des Systems. Blechwerkstoffe haben je nach der Betrachtungsrichtung, in Walzrichtung oder quer dazu, eine höchst unterschiedliche Festigkeit und ein unterschiedliches Verformungsverhalten. Nach unzähligen Belastungsversuchen sind ausreichende Materialdaten zu erheben, auf deren Grundlage das Verhalten bei der Umformung vorhergesagt werden kann.

Diese Laborversuche sind sehr zeit- und kostenaufwendig. Außerdem lassen sich bei Blechwerkstoffen nicht alle Belastungszustände untersuchen, obwohl sie für die Computersimulation des Herstellungsprozesses von Bauteilen wichtig wären. Wenn es beispielsweise darum geht, das Verhalten von Blechwerkstoffen in Richtung ihrer Dicke zu bestimmen, stoßen herkömmliche Versuche an ihre Grenzen: Die ein bis zwei Millimeter der Blechdicke sind zu wenig, um in dieser Richtung Proben für einen Zugversuch präparieren zu können.

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Virtuelles Labor
Von den experimentell ermittelten Eingangsdaten über das virtuelle Labor zur Bereitstellung von Materialkarten für die Bauteilsimulation. Für alle Leichtbauteile verwendenden Industrien ist das virtuelle Versuchslabor interessant.
© Fraunhofer IWM

»In unserem virtuellen Labor sind zum Beispiel Zugversuche in Blechdickenrichtung problemlos möglich«, sagt Dr. Alexander Butz, Projektleiter in der Gruppe Umformprozesse am Fraunhofer IWM. »Auch alle anderen Belastungszustände lassen sich schnell und flexibel testen. So erhalten Bauteilhersteller aus der Blechumformung viel detailliertere Materialdaten.«

Butz und sein Team erstellen mit Hilfe von wenigen realen Experimenten ein Simulationsmodell der Mikrostruktur des Werkstoffes, mit dem sich die physikalischen Mechanismen bei einer Verformung bis in die Kristallstruktur beschreiben lassen. Dies reicht, um die nötigen Versuche am Computer durchzuführen und zuverlässige Rückschlüsse auf die makroskopischen und mechanischen Eigenschaften des Werkstoffes ziehen zu können.

Die Präzision des zugrundeliegenden Mikrostrukturmodells erlaubt es, die sogenannte »Materialkarte« des Werkstoffen erheblich genauer zu beschreiben, als mit klassischen Versuchen. »Kritische Stellen, an denen das Bauteil in der Produktion häufig beschädigt wird, können herausgegriffen und die Mikrostruktur wie mit einem virtuellen Mikroskop gezielt untersucht werden. So erhalten wir Hinweise darauf, wie sich der Bearbeitungsprozess verbessern lässt«, sagt Butz.

Für alle Leichtbauteile verwendende Industrien ist das Versuchslabor interessant. »Generell ist unsere Entwicklung für alle spannend, die sehr genaue Eingangsdaten für die Prozesssimulation und Bauteilauslegung benötigen, zum Beispiel für Bauteilhersteller der Automobil- oder Luftfahrtindustrie oder in der additiven Fertigung.«


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