Datenkommunikation im Wandel

Das sind die (ersten) Anwendungen für SPE

14. Oktober 2022, 4:52 Uhr | Corinna Puhlmann-Hespen
Single Pair Ethernet
In vielen Entwicklungsabteilungen werden aktuell Gerätekonzepte mit Single Pair Ethernet entwickelt und erprobt.
© 24Novembers/Shutterstock.com

Wie sieht die Datenübertragung der Zukunft aus. Sie wird in zahlreichen Anwendungen voraussichtlich über Single Pair Ethernet erfolgen. Welche Branchen die Technologie zuerst adaptieren, das lesen Sie im Markt&Technik-Trendartikel.

Single Pair Ethernet steht für eine neue Art der Vernetzung, für einen Technologiewechsel. Mit dem Umstieg von einer zwei- oder vierpaarigen Verkabelung auf eine einpaarige Verkabelung lassen sich Platz, Gewicht und Kosten reduzieren. Noch wichtiger aber ist, dass sich mit dieser schlanken Art der Verkabelung eine durchgängige Kommunikation realisieren lässt – es entsteht die digitale Infrastruktur von morgen.

Viele Unternehmen, angefangen bei den Kabel- und Steckverbinder-Herstellern bis hin zu Halbleiterfirmen, haben mittlerweile Produkte entwickelt und vorgestellt.  Das SPE-Produktportfolio ist vorhanden, wie wird die Technologie jetzt in den Markt gebracht?

Nachdem auch Single  Pair Ethernet von den allgemeinen Verfügbarkeitsproblemen –  und insbesondere vom Chip-Engpass – ausgebremst wurde, zeichnen sich jetzt neue, spannende Anwendungen ab. 

Wo macht es Sinn, SPE zuerst einzusetzen?

»Single Pair Ethernet kann in nahezu allen Bereichen der Verkabelung in Zukunft eine Rolle spielen«, erklärt Ralf Peteranderl, zuständig für Research & Development bei Rosenberger. »Im Bereich der Fahrzeugverkabelung ist SPE jetzt schon nicht mehr wegzudenken und die Bedarfszahlen steigen rasant. Eine ähnliche Bedeutung erwarten wir als nächstes in der Fabrikautomation, aber auch die Prozess- und Gebäudeautomation werden zukünftig von dieser Technologie profitieren«, führt der SPE-Experte weiter aus.

»In der Fabrikautomation starten jetzt viele Anwender mit der Umsetzung erster Produkte«, sagt Peteranderl. Bedeutet: Hohe Bedarfe werden wir aller Voraussicht nach hier in etwa in zwei Jahren sehen.

Bianca Ulmschneider, Product Manager DataVoice von Telegärtner, berichtet ähnliches: Ausgehend von Automotive »mit großen Absatzmengen« rücke SPE jetzt zunehmend in den Fokus von Kunden aus den Bereichen Prozessautomation, Fabrikautomation sowie Gebäudeautomation. »So wie es aktuell aussieht, wird Single Pair Ethernet etwas schneller bei der Industrieverkabelung umgesetzt werden als im Gebäude«, so die Einschätzung der Telegärtner-Expertin. Nichtsdestotrotz sind die Erwartungen hinsichtlich der Gebäudeautomation insgesamt hoch, auch weil das Marktvolumen so groß ist. »Mit dem IP-Protokoll lassen sich LED-Lampen, Schalter, Sensoren, Thermostate, Maschinensteuerungen oder Motoren für Jalousien über das lokale Datennetz und die Cloud mit dem Gebäudemanagementsystem verbinden. Anwendungsspezifische Feldbus-Systeme entfallen und damit auch Gateways, komplexe Schnittstellen und unterschiedliche Protokolle«, führt Bianca Ulmschneider aus.

Wo steigt die Marktakzeptanz zuerst?

Die Motivation, schnell auf Single Pair Ethernet umzusteigen, ist bei allen Anwendungen am größten, die bis heute keinerlei Ethernet-Technologie verwenden und bei denen hohe Datenratenübertragungsraten gefragt sind. »Im gesamten Bereich rund um Automotive Ethernet mit allen Arten von Fahrzeugen, Nutzfahrzeugen und mobilen Arbeitsmaschinen ist der Einsatz von SPE am weitesten fortgeschritten«, erklärt Matthias Fritsche, Senior Expert Ethernet bei Harting. »Weitere Einsatzfelder sehen wir aktuell im Bereich der Bahntechnik, dem gesamten Bereich der Smart Infrastruktur, z. B. Verkehrsleittechnik und Energie, sowie künftig im großen Umfeld der Automatisierung, von der Gebäudeinfrastruktur bis zur Produktion«.

In der Automatisierungstechnik gibt es heute bereits eine Vielzahl an Sensornetzwerktechnologien und Industrial Ethernet Systemen. Matthias Fritsche geht daher davon aus, dass SPE hier als weiterer „Physical Layer“ zunehmend Verwendung finden wird. »SPE wird diese Systeme zuerst ergänzen und hat großes Potenzial für neue Anwendungen. Anhand der Prozessindustrie kann man gut sehen, wie mit APL angepasste SPE-Technologie analoge Systeme ersetzt und im Markt Anwendung findet«, beschreibt der SPE-Experte die aktuelle Entwicklung.

SPE hat das Potenzial, heute verbreitete Busnetzwerke zu verdrängen

Ähnliches berichtet auch Tim Kindermann, Product Manager von Phoenix Contact: »Viele Kunden aus unterschiedlichen Branchen zeigen konkretes Interesse und sehen den Mehrwert von SPE in ihren Anwendungen. Das sind zum einen Kunden aus dem Bereich der Prozessautomatisierung, die sich konkret mit der Umsetzung von SPE in ihren Anlangen beschäftigen. Zum anderen sehen wir auch starkes Interesse aus dem Bereich der Fabrikautomation, bei denen Kunden den Fokus für SPE hauptsächlich auf Applikationen in der Sensor- und Feldebene legen. Gerade hier gibt es viele unterschiedliche Bussysteme, die zukünftig durch Single Pair Ethernet ergänzt bzw. ersetzt werden können«.

Die Vorteile von SPE nutzen

Wie schnell die Marktakzeptanz von SPE tatsächlich steigen wird, bleibt abzuwarten. Die Argumente, die für SPE sprechen, sind indessen nahezu unumstritten. Die Vorteile sind:

  • einheitliche, durchgängige Ethernet-Kommunikation bis in die Feldebene, keine Gateways
  • Kosteneinsparung über das komplette System hinweg, z. B. durch reduzierte Verkabelung, Wartung und Montage- bzw. geringen Implementierungsaufwand.
  • Leitungslängen bis 1000 m möglich
  • diverse Optionen, Endgeräte neben Daten auch mit Leistung zu versorgen
  • neue Möglichkeiten, Geräte und Anwendungen „intelligenter“ zu machen, durch höhere Datenraten, Remote Control, Monitoring, etc.
  • Sicherheitsvorteile durch IP-basierte Kommunikation, im Vergleich zu konventionellen Bussystemen
  • Miniaturisierung und Gewichtseinsparung

Hinsichtlich des Kundeninteresses gibt es nicht das eine Argument, das ausschlaggebend für die Realisierung erster Projekte ist. Letztendlich hängt die Entscheidung für SPE jeweils von den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Applikation ab.

Als ein Beispiel dafür nennt Tim Kindermann von Phoenix Contact alle Anwendungen, bei denen große Strecken zwischen Kommunikationsteilnehmern (> 100 m) überwunden werden müssen, z B. im Bereich der Prozessautomatisierung. Das ist auch ein wesentlicher Grund dafür, warum in der Prozessautomatisierung erste Applikationen mit Ethernet-APL, basierend auf der SPE-Technologie (10BASE-T1L) umgesetzt werden. »Einen weiteren großen Anreiz zum Umstieg auf SPE bieten aus technischer Sicht zudem die höheren Übertragungsraten bei reduzierter Größe, Gewicht und Verkabelungsaufwand.« Dies spiele im Bereich der Fabrik- und Gebäudeautomation eine wichtige Rolle.

Horst Messerer, Produktmanager für Daten-, Netzwerk- und Bustechnik von Helukabel, macht ähnliche Beobachtungen. »Single Pair Ethernet steht derzeit zum Beispiel im Interesse bestimmter Anwendungen, bei denen es auf Platzverhältnisse und Gewicht ankommt. Die Leitungen sind dünner als Ethernet-Kabel, aber auch die Stecker sowie die Buchsen an den Gehäusen und auf den Platinen sind kleiner und leichter als zum Beispiel klassische RJ45-Stecker und -Buchsen. Auch hinsichtlich der Konfektion – also dem Anschluss der Leitung an den Stecker – ergibt sich eine Zeitersparnis, da anstatt von acht Adern nur noch zwei Adern angeschlossen werden müssen.«

Horst Messerer bringt es abschließend auf den Punkt: »Es gibt von unserer Seite aus Anwendungen, bei denen wir von Helukabel Vorteile sehen. Letztendlich muss aber der Kunde die Technologie bewerten und diese für sich ‚haben wollen‘.« Der Experte von Helukabel berichetet, dass sich einige Kunden in der »Versuchsphase befinden und Leitungen von Helukabel in der Evaluierungsphase haben.« Jedoch habe der allgemeine Material- und Chipmangel die Verfügbarkeit der benötigten Komponenten gebremst und zum Teil verhindert, dass Evaluierungen abgeschlossen werden konnten. »Ist diese Phase erfolgreich abgeschlossen, wird in der nächsten Gerätegeneration dann mit SPE-Technologie gearbeitet werden«, ist  Horst Messerer überzeugt.

Fazit: Der Anfang bei der Einführung von Single Pair Ethernet ist gemacht. Dass die Marktverbreitung jetzt an Dynamik gewinnen wird, davon ist auszugehen: erstens weil nun ein umfangreiches Produktsortiment zur Verfügung steht, zweitens weil Hersteller und Anwender neue Anwendungsfälle und Einsatzbereiche auf den kommenden Messen und Kongressen vis-à-vis besprechen werden. Es bleibt spannend, welche Projekte als nächstes diskutiert und umgesetzt werden.

 

Mehr dazu auf dem Single Pair Ethernet Forum am 12. Oktober in München

  • Falls Sie sich gerne mit den zitierten Experten und weiteren SPE-Kennern austauschen wollen, melden Sie sich gerne zu unserem "Single Pair Ethernet Forum" am 12. Oktober in München an. Hier geht's zum umfangreichen Programm. 

 

Erste Produktdatenbank für SPE

Um die Kunden dabei zu untersützen, Single Pair Ethernet zu nutzen, haben alle Mitgieder des SPE Industrial Partner Netzwerks e.V. die "smartSPE Produktdatenbank" aufgebaut. Unter https://product.single-pair-ethernet.com/ finden Sie die Bausteine für das SPE-Ökosystem, vom Halbleiter bis zu aktiver Netzwerktechnik und Geräten. 

 

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