Lithografie statt Ionenstrahl-Verfahren

Herstellungsverfahren für verformbares Silizium entdeckt

19. Juni 2020, 13:12 Uhr | Hagen Lang
Im Elektronenmikroskop: Die nur wenigen Mikrometer großen Siliziumsäulen sind aufgrund des neuartigen Herstellungsverfahrens elastischer.
© ETH Zürich

Silizium gilt als spröde und brüchig, was seinen Einsatz etwa in mikromechanischen Anwendungen einschränkt. Forscher der ETH Zürich fanden heraus, dass dies keine prinzipielle Materialeigenschaft ist, sondern am gängigen Herstellungsverfahren mit Ionenstrahlen liegt, für das es Alternativen gibt.

Jeffrey Wheeler, Senior Scientist im Labor für Nanometallurgie der ETH Zürich hat mit Kollegen des Labors für die Mechanik von Materialien und Nanostrukturen an der Empa gezeigt, dass bestimmte Herstellungsverfahren ein sehr widerstandsfähiges und verformbares Silizium produzieren. „Das ist das Ergebnis einer zehnjährigen Fleißarbeit“, sagt Wheeler.

Gegenstand dieser „Fleißarbeit“ war das gängige Verfahren, mittels eines Strahls gebündelter Ionen Formen in Siliziumscheiben zu fräsen. Dabei entstehen – neben der gewünschten Form – Oberflächenschäden und Defekte, die das Material spröde und brüchig machen. Stattdessen entwickelte Wheeler und seine Kollegen eine Lithografie-Methode.

„Zuerst stellten wir die gewünschten Strukturen – in unserem Fall winzige Säulen – her, indem wir mit einem Gasplasma das nicht von einer Maske bedeckte Material von einer Siliziumoberfläche wegätzten“, erklärt Ming Chen, ein ehemaliger Doktorand aus Wheelers Arbeitsgruppe. In einem weiteren Schritt wird die Oberfläche der teils weniger als hundert Nanometer breiten Säulen erst oxidiert und dann gereinigt, indem die Oxidschicht mit einer starken Säure entfernt wird.

Anschließend wurden kleinste Diamantstempel in die Säulen gedrückt und die Verformung der Säulen unter dem Elektronenmikroskop beobachtet. „Diese lithographischen Siliziumsäulen sind noch verformbar selbst bei zehnfach größeren Dimensionen, als wir sie bei mit Plasma gefrästem Silizium mit derselben Kristallrichtung beobachten konnten – und das bei doppelter Festigkeit“, erklärt Wheeler. Die Festigkeit erreicht sogar Werte, die theoretisch nur für ideale Kristalle zu erwarten sind.

Der Grund für die Widerstandsfähigkeit liegt in der absoluten Reinheit der Säulenoberflächen, die mit der abschließenden Reinigung hergestellt wird. Diese reduziert die Oberflächendefekte, von denen Brüche im Material ausgehen.

Was bringts?

Die Mikroelektromechanik könnte völlig neue Impulse erhalten. „In Handys eingesetzte Gyroskope, die Drehungen des Gerätes nachweisen, könnten so noch kleiner und robuster werden“, sagt Wheeler. Bereits heute verwendet die Industrie die erforschte kombinierte Ätz-​​ und Reinigungsmethode, die, so vermuten die Forscher, auch für andere Materialien mit ähnlicher Kristallstruktur wie der von Silizium anwendbar sei dürfte. Elastisches Silizium verbessert auch die elektrischen Eigenschaften für bestimmte Anwendungen. Durch eine starke Verspannung des Halbleiters kann die Beweglichkeit seiner Elektronen erhöht werden, wodurch sich kürzere Schaltzeiten erreichen lassen. Während dazu bislang Nanodrähte hergestellt werden mussten, könnte dies mit im Halbleiterchip integrierten Strukturen erreicht werden.


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