Smart Home, Smart Grid, Bahntechnik

Wie Leistungshalbleiter die Systemlebenszeit verlängern

16. Oktober 2014, 16:51 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Martin Schulz, Infineon: »Um die Direktiven der EU zur Energieeffizienz umsetzen zu können, geht auch in den eigenen vier Wänden künftig ohne den Einsatz von Leistungshalbleiter nichts mehr.«
© Infineon

Smart Home, Smart Grid – Leistungshalbleiter spielen überall eine Schlüsselrolle. Wie sie die hohen Anforderungen an Zuverlässigkeit und Lebensdauer erfüllen können, erklärt Martin Schulz, Manager Application Engineering von Infineon.

Energie & Technik: Welche Rolle spielen die Leistungshalbleiter im Smart Home?

Dr. Martin Schulz: Fast alle Geräte, die im Haus arbeiten, benötigen Leistungshalbleiter: vom PC über die Heizungsüberwachung, die Pumpe, den Solarwechselrichter bis zur Waschmaschine und den Kühlschrank. Energieeffiziente Leistungshalbleiter tragen entscheidend dazu bei, Strom zu sparen und die Vorgaben zu erreichen, die die Direktiven der EU setzen. Alleine die Motortechnik selber zu verbessern, würde dazu nicht ausreichen. Hier geht künftig ohne den Einsatz der Leistungshalbleiter nichts mehr.

Bei Smart Home denken die meisten wohl an Elektronik für Gateways, an Sensorknoten, an die Datenübertragungsmethoden und an Sicherheitsvorkehrungen. Warum muss man sich um Leistungshalbleiter Gedanken machen?

Weil die Lebensdauer der Leistungshalbleiter wichtig ist, da sie bestimmt, wie lange ein System sicher einsetzbar ist. Und sicher soll ja auch die Investition im Ganzen sein. Es kommt also auf die Lebensdauer an. Die Leistungshalbleiter von professionellen Systemen, beispielsweise für Batteriespeicher von PV-Anlagen und die zugehörigen Inverter, müssen anders betrachtet werden als die in Consumer-Anwendungen. Trotz des oft vorhandenen Dauerbetriebes sollen diese Geräte zehn Jahre arbeiten – 90.000 Stunden. Schaffen sie das nicht, ist eventuell die Amortisation gefährdet. Eine Frage, die sich z.B. für einen Fernseher so nicht stellt.

Leistungshalbleiter tragen dazu bei?

Auf jeden Fall. Moderne Leistungshalbleiter erreichen heute ein Vielfaches der Lebensdauer ihrer Vorgänger von vor zehn Jahren. Neue Chiptechnologien, verbesserte Aufbau- und Verbindungstechnik und optimierte Prozesstechnik erlauben heute Belastungen an diesen Bauteilen, die vor wenigen Jahren noch wie Science Fiction ausgesehen hätte.

Von Leistungshalbleitern im Smart Grid wird wohl noch mehr erwartet. Sind Lebensdauern von über 30 Jahren überhaupt zu erreichen?

Gegenüber dem bisherigen Netz wird das Smart Grid mit seinen neuen, zusätzlichen Funktionen um einiges komplexer. Die Komponenten müssen aber eine erheblich größere Lebenszeit erreichen als es von Industriegütern erwartet wird. In Industrie-Wechselrichtern sind die Halbleiter meist auf zehn Jahre ausgelegt. Thyristoren für HGÜs sind bereits seit bis zu 50 Jahren in Betrieb. Wie sieht es aber mit IGBT aus, die zunehmend Einsatz finden? Das muss genau geprüft und bei der Auslegung berücksichtigt werden. Die Sicherheit der Investitionen ist auch hier enorm wichtig. Ähnlich gilt dies übrigens auch für den Einsatz von Leistungshalbleitern in anderen Bereichen.

Können Sie Beispiele nennen?

Nehmen Sie das Auto. Dieses ist auf rund 8.000 Betriebsstunden ausgelegt, was im Durchschnitt einer Fahrstrecke von insgesamt 400.000 km und einer Nutzung von über 15 Jahren entspricht. Eine Elektrolock ist ebenfalls auf 8.000 Betriebsstunden ausgelegt – allerdings pro Jahr! Sie soll aber auch nach 25 Jahren noch ihren Dienst tun. Sie muss also 25 Mal ein Autoleben aushalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie in Sibirien bei -50 °C oder in der Wüste bei +50 °C betrieben wird.

Wie lassen sich die langen Lebensdauern überhaupt erreichen?

Lebensdauer in der Leistungselektronik ist immer verbunden mit Temperaturhub am Halbleiter. In der Traktion erreicht man höhere Lebensdauer durch die Verwendung edlerer Materialien, die einen gut aufeinander abgestimmten thermischen Ausdehnungskoeffizient aufweisen – leider verbunden mit höheren Kosten.

Bei Industriegütern scheut man diese Ausgabe und nutzt die Tatsache, dass größere Chips bei gleichem Strom weniger heiß werden. Die Kunst der Auslegung besteht darin, aus der Applikation ein Lastprofil zu generieren, aus dem ein Temperaturhub am Chip gerechnet wird. Daraus lässt sich die Lebensdauer abschätzen. Fällt sie zu klein aus, kann ein größerer Chip – gegebenenfalls auch im gleichen Modul – zu kleinerem Temperaturhub und damit zu höherer Lebensdauer führen. Stellt sich dabei heraus, dass selbst der größte in einem Modul verfügbare Chip die geforderte Lebensdauer nicht ermöglicht, ist der nächste Schritt, ein größeres Modul zu wählen; der Kreislauf beginnt von vorne.

Natürlich ist sowohl der größere Chip als auch der Sprung zum größeren Modul mit höheren Kosten verbunden.

Also auch für die Lebensdauer gilt: Alles nur eine Frage des Preises?

Sie können tatsächlich eine Rechnung aufmachen, die den Halbleiter und die Kühlung in Geld quantifiziert. Da der Temperaturhub – und damit die Lebensdauer – von diesen beiden Größen abhängt, kann man es häufig wirklich so ausdrücken.

Herr Dr. Schulz, vielen Dank für das Gespräch.


Hinweis:

Dr. Martin Schulz wird an der Podiumsdiskussion »Energy Efficient Semiconductors – How They will Change our Lives« teilnehmen, die Markt & Technik/Energie & Technik in Zusammenarbeit mit der Messe München auf der electronica 2014 durchführt. Die Podiumsdiskussion findet am Mittwoch, den 12.11.2014, von 15:00 - 16:00 Uhr in Halle A3 / A3.242 statt.



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