Murata baut Keramik-/MLCC-Fertigung aus

»Es kommt auch auf die aktive Mitarbeit der Kunden an«

15. März 2018, 10:49 Uhr | Engelbert Hopf
Reinhard Sperlich, Murata Electronics Europe: »Aktuell besteht das Problem unter anderem darin, dass unsere Produktionen mit Legacy-Produkten gefüllt sind. Eine Umstellung der Anwender auf kleinere Baugrößen mit gleicher Performance würde einen entscheidenden Beitrag zur Entspannung der Situation liefern.«
© Murata

Als Markt- und Technologieführer im MLCC-Bereich investiert Murata derzeit Milliarden Dollar in den Ausbau seiner Fertigungskapazitäten.

Wie Europa-Vertriebsleiter Reinhard Sperlich erläutert, stehen dabei Werke und Produktionslinien im Vordergrund, die Bauelemente für Mobiltelefone, Automotive-Anwendungen und High-Caps produzieren.

Markt&Technik: Herr Sperlich, die Lieferkette bei passiven Bauelementen ist sehr angespannt. In manchen Produktsegmenten des MLCC-Marktes herrscht Allokation. Wann haben Sie als Markt- und Technologieführer erstmals auf mögliche Probleme hingewiesen?

Reinhard Sperlich: Wir haben im März 2017 das erste Schreiben an alle unsere Kunden und Distributoren verschickt. Wir haben darin hingewiesen, dass sich der über Jahre bestehende Käufer- zum Beschaffungsmarkt wandelt. In einem zweiten, deutlicheren Schreiben im Juli 2017 haben wir dann darauf hingewiesen, dass die Kunden bitte ihre Lieferbestätigungen von uns überprüfen sollen. Die Zeiten, in den Murata den Marktanforderungen problemlos folgen konnte, seien vorbei. Im Januar dieses Jahres haben wir dann ein drittes Schreiben verschickt. Erst nach diesem letzten Schreiben hatte ich den Eindruck, dass unsere Warnung wirklich ernst genommen wurde, leider ein wenig spät!

Wie ist diese Reaktion zu erklären? Warum hat offensichtlich lange Zeit niemand oder nur sehr wenige diese Warnungen ernst genommen?

Wahrscheinlich haben die Kunden nach einem achtjährigen Käufermarkt einfach nicht mit einer so einschneidenden Veränderung gerechnet. Oder sie haben die Warnungen schlicht als „Salesman-Talk“ abgetan. Es war ja auch eine angenehme Situation für unsere Kunden – jährliche Preisnachlässe von 3 bis 7 Prozent auch bei den Legacy-Produkten, also etwa der typischen Bauform 0603 und größer mit Kapazitäten von 1 nF bis 1 µF bei 50 V – und eine offenbar unendliche, immerwährende Verfügbarkeit der Produkte. Wer macht sich da schon gerne über Veränderungen Gedanken, besonders wenn es um sogenannte C-Teile geht!

Nun scheint sich in letzter Zeit die Situation trotz diverser Anstrengungen in der Branche noch weiter zuzuspitzen. Worin sehen Sie die Gründe dafür?

Seit Dezember letzten Jahres sind Panikkäufe besonders für High-Cap am Markt zu beobachten, als viele Anwender die Dramatik der Situation begonnen haben zu verstehen. Beim Thema „Legacy“ haben wir mit unseren Distributoren schon seit einigen Jahren eine sehr einvernehmliche Veinbarung getroffen, Sie können auch sagen, wir haben seit Jahren eine Überprüfung der Legacy-Produkte eingeführt. Aber hier scheinen unsere Marktbegleiter die Engpass-Situation nun auszunutzen.

Nun steht Murata im Ruf, quasi immer liefern zu können. Was ist passiert, dass das auf einmal nicht mehr gilt?

Es ist das Credo unseres CEO Tsuneo Murata, dass wir unseren Kunden das höchste Maß an Verfügbarkeit bieten wollen. Um normale Schwankungen am Markt auffangen zu können, haben wir immer freie Kapazitäten vorgehalten, um die Produktion schnell um 30 bis 40 Prozent hochfahren zu können. Aber in der jetzt eingetretenen Situation reichen auch diese sonst freien Kapazitäten bei Weitem nicht mehr aus, um den entstandenen Mehrbedarf zu decken.

Welche Faktoren haben zu der jetzigen Situation beigetragen? Gibt es dafür brancheninterne Gründe oder hat der Weltmarktbedarf einfach deutlich stärker angezogen als erwartet?

Der Markt für MLCCs hat sich in den letzten Jahren konsolidiert. Murata hat beispielsweise das MLCC-Geschäft von Panasonic und Rohm übernommen und Epcos hat seine Fertigung eingestellt. In den Jahren 2016 und 2017 haben sich offensichtlich einige Hersteller aus dem Bereich der Legacy-Produkte zurückgezogen. Vor diesem Hintergrund ist allein der Bedarf an Legacy-Produkten bei Murata der Baugrößen 0603/0805 in den letzten beiden Jahren um jeweils 20 Prozent gestiegen. Das hat auch damit zu tun, dass Tier-Ones in ihren Verträgen darauf bestehen, dass sie von ihrem Lieferanten nicht nur Leading-Edge-Produkte wie High-Caps bekommen, sondern eben auch Legacy-Produkte. Bei diesen Legacy-Produkten war aber früher kein Grund vorhanden, diese zu verkleinern, da es genügend Hersteller gab, die diese Produkte lieferten. Dies hat sich nun grundlegend geändert. Nach nun neu vorliegenden Presseberichten aus diesem Monat soll auch die Firma Kyocera die Belieferung der 100-nF- und 1-µF-Kondensatoren der Bauformen 0402 und 0603 seit Februar eingestellt haben.

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