KI für das Energiemanagement im Haus

Hamsternde Häuschen

8. März 2021, 10:32 Uhr | Kathrin Veigel
In der Nest-Unit DFAB House steuerte der KI-Algorithmus eine Woche lang die Temperatur eines Studentenzimmers.
© Roman Keller

Das Energiemanagement in einem Haus mit Solaranlage wird immer komplexer: Wieviel Strom darf der Heißwasserspeicher aufnehmen? Reicht die Energie dann noch fürs E-Auto? Empa-Forscher haben nun eine Steuerung entwickelt, die solche Aufgaben selbständig erlernen kann – und dabei noch Energie spart.

Der Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft macht es für Sparfüchse schwer: Denn nun ändern sich die Energiepreise nicht mehr in einem überschaubaren Zeitraum, sondern mitunter stündlich. Beim Energiebeziehen auf die Uhr schauen ist also wichtig für Elektroautofahrer und Hausbesitzer. Wer günstig und zugleich umweltschonend die verfügbare erneuerbare Energie nutzen will, kann sich in Zukunft nicht mehr auf fest installierte Thermostate und manuell betätigte Knöpfe verlassen.

Ein vielschichtiges Problem

Die Empa nimmt sich nun im Rahmen des »Urban Energy Systems«-Labors dieses Problems an. Erforscht wird hier eine automatische Steuerung, die Energie zu günstigen Tageszeiten hamstert und für teure Tageszeiten nutzbar macht. Als Speicher könnte zum Beispiel die Antriebsbatterie des eigenen Autos dienen, das in der Garage an der Ladestation hängt.

Doch die Sache ist verzwickt: Jedes Haus ist anders, und seine Bewohner sind es auch. Je nach Wetter und Jahreszeit ändert sich zudem die Stromerzeugung der Solaranlagen, sowie der Bedarf an Heiz- oder Kühlleistung. Eine optimale Energiesteuerung muss also den Tagesrhythmus eines Hauses und seiner Bewohner erlernen – und sollte auch während des Betriebs flexibel reagieren können, etwa wenn ein Wetterumschwung alle Kalkulationen umwirft.

Schritt eins: die Theorie

Die Lösung für solche Probleme ist Künstliche Intelligenz. Die Empa-Forscher entwarfen eine KI-Steuerung die auf dem Reinforcement-Learning-Prinzip basiert. Wenn das System richtig agiert, erhält es eine Belohnung. Allmählich perfektioniert die Steuerung auf diese Weise ihr Verhalten.

Zunächst wurde die Steuerung nur am Computer simuliert. Die Vorgaben: Ein bestimmter Raum in einem Gebäude musste elektrisch auf die gewünschte Temperatur geheizt werden und diese halten. Zugleich musste das System ein Elektroauto mit Strom versorgen, das morgens um 7 Uhr zu mindestens 60 Prozent geladen sein sollte und auf die Reise geht. Abends um 17 Uhr kehrt das Elektroauto mit einer Restladung zur Ladestation zurück und kann während der Nachtstunden auch Strom ins Haus zurückliefern. Die Steuerung wurde mit Wetterdaten und Raumtemperaturen aus dem vergangenen Jahr gefüttert und musste mit zwei Stromtarifen zu Recht kommen: teurer Strom am Tag zwischen 8 Uhr und 20 Uhr, billiger Strom während der Nachtstunden.

Das Ergebnis: Die selbstlernende Steuerung sparte gegenüber einer fest programmierten Lösung rund 16 Prozent Energie ein und hielt im Theorieversuch auch die gewünschte Raumtemperatur deutlich exakter ein.

Schritt zwei: Test im realen Gebäude

Nun musste die Steuerung den Test in der Wirklichkeit bestehen. Die Empa nutzte dazu Nest auf dem Empa-Campus. In der Unit DFAB House steuerte der KI-Algorithmus eine Woche lang die Temperatur eines Raumes. Zugleich wurde die 100-kWh-große Speicherbatterie im Nest genutzt, um die Batterie des Elektroautos zu simulieren. Diesmal fiel das Ergebnis noch deutlicher aus: In einer kühlen Woche im Februar 2020 sparte die KI-Steuerung 27 Prozent Heizenergie ein, im Vergleich zum benachbarten Studentenzimmer, dessen Heizung mit einer fest programmierten (regelbasierten) Steuerung betrieben wurde.

Wohlige Wärme auf sparsame Art

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher der Empa nun ermitteln, wie sich das System von einem Raum auf größere Gebäude erweitern lässt. Um das KI-System in Zukunft für eine optimale Energieversorgung nutzen zu können, ist allerdings eine neue Generation Elektroautos nötig. Die heute üblichen, europäischen und US-Modelle mit dem CCS-Schnelladeanschluss können nur Strom tanken, jedoch keinen liefern. Japanische Autos mit Chademo-Stecker sind dagegen fürs sogenannte bidirektionale Laden ausgelegt. Der koreanische Konzern Hyundai kündigte im Dezember an, seine neue Elektroauto-Plattform E-GMP ebenfalls für bidirektionales Laden auszurüsten. Damit könnten Elektroautos langfristig beim Energiesparen helfen und zugleich das Elektrizitätsnetz stabilisieren.
 

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