»Wir werden den Begriff der persönlichen Identität neu definieren«

Sicherheit - ein relativer Begriff

30. Juli 2012, 13:07 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Armin Nassehi, LMU München: »Technisch-soziale Umbruchzeiten führen zu paradoxen Situationen: Die Menschen nehmen zu viel und zu wenig Sicherheit gleichzeitig wahr.«
© ZVEI

Technische Innovationen stellen immer die Frage nach der Sicherheit. Doch was versteht eine Gesellschaft überhaupt unter Sicherheit, und welche Strategien entwickelt sie, um Sicherheit zu schaffen?

»Kein Mensch braucht mehr Speicherkapazität als 64 KBit«, »Ein Controller ist ein Mainframe auf einem Chip, mehr als 1000 Stück in Jahr lassen sich davon nicht verkaufen« - Prognosen von dieser Sorte gibt es viele. Dr. Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München, steuert eine weitere bei: »Die Zahl der Autos wird allein schon durch die Zahl der zur Verfügung stehenden Chauffeure limitiert.« Er liefert aber auch eine Erklärung dafür, warum gerade Insider sich zu Prognosen hinreißen lassen, über die die Nachwelt nur noch schmunzeln kann: »Neue Techniken sind gesellschaftliche Innovationen, die die Welt neu erfinden - oft gegen die Intentionen der Innovatoren, die die gesellschaftliche Tragweite meist nicht abschätzen können.« Solche Innovationen schaffen ein ganz neues ’Eingebettetsein’ in neue Techniken. Den Zeitzeugen solcher Umwälzungen wird das allerdings gar nicht bewusst. Ihnen erscheint es, als ob eine neue Technik Einzug halten könnte - und als ob sie noch die Wahl hätten, sich zu überlegen, wie damit umzugehen sei oder oder ob man sie vielleicht wieder ganz abschaffen sollte.

Diese Überlegungen haben sehr viel mit dem Begriff Sicherheit zu tun. Nehmen wir zum Beispiel das Internet: Egal ob als Privatperson oder geschäftlich - wir nutzen es kontinuierlich. Aber wir nehmen es auch als Sicherheitsrisiko wahr, auf privater Ebene genauso wie im Geschäftsleben.

Nun umgibt das Thema Sicherheit eine seltsame Ambivalenz. Wir fühlen uns sicher, wenn etwas, das gestern funktioniert hat, dies auch heute tut. Dieser Effekt tritt besonders dann in Erscheinung, wenn es sich um die Abläufe handelt, mit denen wir ständig in Berührung kommen. Bedroht fühlen wir uns seltsamerweise besonders von Gefahren, die uns eigentlich kaum betreffen. So haben Untersuchungen ergeben, dass gerade die Personen vor AIDS Angst haben, deren Lebenswandel praktisch zu 100 Prozent ausschließt, dass sie jemals in die leiseste Gefahr geraten könnten, sich anzustecken. Diejenigen aber, die akut gefährdet sind, fühlen sich weit sicherer - solange sie gesund sind: Es ist ja bisher jedes Mal gut gegangen. »Das Gehirn ist ein konservatives Organ, es gewöhnt sich an Dinge, die funktioniert haben«, so Nassehi.

In technisch-sozialen Umbruchzeiten führt das zu einer paradoxen Situation: Dann nehmen wir zu viel und zu wenig Sicherheit gleichzeitig wahr. Auf das Internet übertragen: Vieles funktioniert heute so wie vor Monaten oder gar Jahren. Prima - wir fühlen uns sicher und tummeln uns munter in den sozialen Netzwerken. Gleichzeitig lesen wir, was alles so passieren könnte: Intelligente Stromzähler werden uns ausspionieren - schon fühlen wir uns verunsichert.


  1. Sicherheit - ein relativer Begriff
  2. Sicherheitsstrategien
  3. Eine neue Klasse von Risiken

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