Vom Smart Home ins Smart Grid

Smart Home: Interoperabilität ist der Schlüssel

28. September 2011, 11:00 Uhr | Heinz Arnold
Peter Kellendonk: »Einerseits stehen die Netzbetreiber vor immensen Problemen, andererseits wächst die Wechselbereitschaft der Kunden. Beides wird dazu führen, dass neue Produkte rund ums Smart Home entstehen, die die Anreize deutlich steigern werden.«
© Kellendonk

»Wenn es darum geht, dem Netzbetreiber ein relevantes Lastverschiebungspotenzial anzubieten, dann müssen die Maschinen in den Haushalten direkt in ein intelligentes Netz eingebunden werden«, erklärt Peter Kellendonk, Geschäftsführer von Kellendonk. Bisher gebe es allerdings nur Inselsysteme, das müsse sich ändern.

Energie & Technik: Gegenwärtig hemmen eine Vielzahl von Standards und proprietären Systemen den Einzug intelligenter Techniken ins Haus. Die Systeme sind teuer und weil jedes für sich nicht in hohe Stückzahlen und damit in niedrigere Preisregionen kommt, schrecken die Kosten die potenziellen Anwender ab. Jetzt treten große Spieler auf den Plan, beispielsweise RWE und das Konsortium aus Telekom, EnBW, E.ON und Miele. Können sie den Teufelskreis durchbrechen?

Peter Kellendonk: Die Technikaffinität in der Bevölkerung nimmt von Jahr zu Jahr zu, die Kommunikationstechnologien sind deutlich preisgünstiger geworden – und die genannten Konzerne bringen ein entsprechendes Absatzpotenzial mit. Aus dieser Perspektive sind die Voraussetzungen sehr gut. Was die Ansätze jedoch noch nicht beantworten ist die Frage, wie sie eine Interoperabilität untereinander realisieren wollen. Wenn ich ein rudimentäres Home Automation betreiben möchte und mit ein paar nachrüstbaren Komponenten schalten oder vielleicht auch Strom messen kann, dann ist ein unternehmensspezifisches Produkt durchaus ausreichend. Gerade in Kombination mit Webservices kann ich hierdurch den Nutzer für Energie sensibilisieren.

Wenn ich aber darauf fokussiere, dem Netzbetreiber ein relevantes Lastverschiebungspotenzial anzubieten, damit er seine ausgleichen kann, dann muss ich die Maschinen direkt in ein intelligentes Netz einbinden. Und dann habe ich genau die Anforderung, dass Herr Müller eine Waschmaschine kauft, die auch in anderen Versorgungsgebieten und mit anderen Energie-Management Gateways funktionieren muss. Für diese Interoperabilität des Gerätes benötige ich standardisierte Komplettlösungen aus Middleware und Schnittstellen und da sehe ich außer unserem EEBus Ansatz momentan keine andere Bewegung, die das sicherstellen möchte.

Das Eigenheim soll künftig eine große Rolle dabei spielen, Lastmanagement durchzuführen, schlussendlich mit dem Ziel, das Netz trotz hohem Anteil von Einspeisungen aus fluktuierenden Quellen stabil zu halten. Was sind aus Ihrer Sicht die Grundvoraussetzung, um dies tun zu können?

Der Blick auf das Gesamte! Wenn wir über Smart Home diskutieren, sprechen wir über einen wahnsinnig komplexen Markt. Sie haben Alt-Geräte, sie haben Neu-Geräte, Sie haben eine immense Markenvielfalt in allen Bereichen, Sie haben bis dato nicht verbundene Gewerke, Sie haben globale Märkte, Sie haben Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Zweckgebäude, Gewerbebetriebe – und Sie haben Millionen von individuellen Energie-Nutzungs Profilen/ Vorlieben.

Wenn Sie jetzt jedes einzelne Szenario für sich durchspielen und eine Lösung umsetzen wollten, müssten sie tausend unterschiedliche Konzepte anbieten. Jede hätte für sich eine Berechtigung – wäre aber nur in diesem einen Fall einsetzbar. Um einerseits absolute Flexibilität anzubieten, andererseits aber auch eine Gemeinsamkeit zu schaffen, abstrahieren wir mit dem EEBus die wichtigsten Funktionalitäten, die bei einem Smart Grid/ Smart Home zur Anwendung kommen. Damit ich aber diese Vereinheitlichung schaffe, muss ich mit den darunter liegenden Sprachen, den Kommunikationsprotokollen, in die Diskussion einsteigen, wie man die neuen Anforderungen spezifizieren könnte. Denn nur wenn ich dies vollständig standardisiere, kann ich eine Kompatibilität realisieren, die es dem Hersteller ermöglicht ein Produkt zu entwickeln, das in den unterschiedlichen Smart Home Ansätzen einsetzbar ist.

Gleichzeitig habe ich durch die Abstraktion eine Ebene geschaffen, auf der die unterschiedlichsten Applikationen und Servicedienste entwickelt werden können und und ich habe dem Kunden ein Netzwerk zur Verfügung gestellt, das vielfältige Nutzungsmöglichkeiten bietet. Aber diese vereinheitlichende Basis zwischen den internen Schnittstellen und den externen Applikationen muss es geben, möchte ich dem Kunden Vielfalt – und den Herstellern eine praktikable Lösung anbieten.

Aber auch für das Thema Datensicherheit und –schutz ist der EEBus relevant. Weil wir die Feldbusse auf ein XML-Niveau abstrahieren, kann man auf dieser Ebene entsprechende Schutzlevel realisieren, etwa die momentan sehr intensiv diskutierten BSI-Schutzprofile, ohne die Feldbusse mit überhöhten Sicherheitsanforderungen überfrachten zu müssen.

Wenn ein Hersteller seine Geräte für das Lastmanagement fit machen will, wie kann er sicher stellen, dass er nicht auf einen Standard setzt, der sich schlussendlich nicht am Markt durchsetzen wird? 

Wir haben in unserem EEBus Konzept ja diverse Schnittstellen integriert. Jetzt können Sie fragen: Wieso diese und nicht jene? Weil sie unseres Erachtens technisch stabil, standardisiert, frei erhältlich, weltweit aufgestellt waren und weil sie von der Industrie präferiert wurden. KNX etwa ist ein weltweiter Standard, den es schon seit Jahren gibt, und der sich selbstverständlich auch immer weiter entwickelt – beispielsweise erarbeiten wir gerade, welche Anpassungen in deren Spezifikation notwendig sind, damit die Kunden an Themen wie Smart Home partizipieren können.

ZigBee ist noch eine junge Organisation, die aber gerade in Amerika extremen Zuspruch erhält und meist als entsprechende Technologie in den jeweiligen Smart-Grid-Vorgaben vorgeschlagen wird. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen Technologien schon eine sehr gute Auswahl getroffen haben – wenngleich Sie eine hundertprozentige Sicherheit nie bekommen werden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Technologien, die wir im EEBus einsetzen, auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle im Smart Home spielen werden, schätze ich aber als sehr hoch ein. Letztendlich ist der EEBus ein Vernetzungskonzept. Wir sind offen – also offen dafür, weitere Standards zu integrieren, wie wir das momentan unter anderem auch mit BACnet diskutieren.

Die »Smart-Grid-Anwendungen« gelten vielen als der Ausgangspunkt für ein intelligentes Haus. Sind die Anreize für den Endkunden über zeit- und lastvariable Tarife tatsächlich so hoch, dass er auf diesem Weg den Einstieg ins Smart Home nehmen wird?

Momentan sicherlich nicht – andererseits stehen die Netzbetreiber vor immensen Problemen, auch die Wechselbereitschaft der Kunden im Strombereich steigt signifikant an. Beides wird dazu führen, dass neue Produkte entstehen, die die Anreize deutlich steigern werden. Die Energiewende in Deutschland ist beschlossen, spätestens wenn die variablen Netzentgelte kommen wird der Wettbewerb starten. Bis dahin sind vielleicht eher Komfort- und Sicherheitsthemen im Fokus der Marktteilnehmer. Wenn man aber hierzu schon auf die Technologie setzt, die später ein anreizbasiertes Smart Home ermöglicht, dann ist man auf jeden Fall für alles gewappnet.


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