Hochvolt-Siliziumkarbid-Wechselrichter

10 kV-Mittelspannungsnetze stabilisieren

19. Juni 2018, 13:44 Uhr | Hagen Lang
Einphasiger 20 kV Leistungsstack mit 15 kV SiC-MOSFETs, Treibern und anteiligen Zwischenkreiskondensatoren.
© Fraunhofer ISE

Der neue Wechselrichter des Fraunhofer ISE zur direkten Einspeisung in das 10 kV-Mittelspannungsnetz ist dank Hochvolttransistoren aus Siliziumkarbid (SiC) ohne Zusatztransformator an das Mittelspannungsnetz koppelbar. Er kann die Blindleistung regeln und Oberschwingungen im Netz aktiv filtern.

Leistungselektronik wird bislang in der Niederspannungsebene an das Netz angebunden. Für die Stromnetzstabilität kommen dabei leistungselektronische Wandler, sogenannte STATCOMs (Static Synchronous Compensator) zum Einsatz, die stufenlos induktive oder kapazitive Blindleistung bereitstellen. Für die Kopplung an das Mittelspannungsnetz ist bislang ein 50 Hz-Transformator nötig.

Aktuell kommerziell erhältliche Transistoren aus Silicium haben hohe Verlustenergien und verfügen  lediglich über Sperrspannungen bis 6,5 kV. Um in ein 10 kV- oder 20 kV-Mittelspannungsnetz einspeisen zu können, müssen daher komplexe Mehrpunktschaltungen mit sehr hohem Bauteilaufwand eingesetzt werden.Die im Hochvolt-Wechselrichter des Fraunhofer ISE eingesetzten Hochvolt-Transistoren auf Basis von Siliziumkarbid (SiC) haben in Prototypen Sperrspannungen bis 15 kV erreicht. Durch die höheren Sperrspannungen von SiC-Halbleitern reduziert sich die Anzahl der benötigten Bauelemente in einem Stromrichter. Ebenso besitzen die SiC-Transistoren sehr geringe Schaltenergien, was hohe Schaltfrequenzen im Wechselrichter ermöglicht. Die passiven Bauelemente können dadurch kleiner dimensioniert werden. Ein kompakter Wechselrichter ohne Transformator bietet zudem innerstädtisch auch die Möglichkeit zur Nachrüstbarkeit in Bestandsanlagen der Mittelspannung.

Durch die höhere Regeldynamik dank hoher Taktfrequenzen kann der Wechselrichter als aktiver Filter eingesetzt werden, um Oberschwingungen im Mittelspannungsnetz zu kompensieren. Dies ist mit STATCOMs nach Stand der Technik auf Grund der Tiefpasswirkung des 50 Hz-Transformators nur bedingt möglich.

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Am Fraunhofer ISE entwickelter 100 kVA Wechselrichter mit 15 kV Transistoren aus Siliciumkarbid zur Einspeisung in das 10 kV-Mittelspannungsverteilnetz.
© Fraunhofer ISE

»Der Einsatz der hochsperrenden SiC-Transistoren stellt uns aber auch vor neue Herausforderungen«, sagt der Projektleiter Dirk Kranzer. »Die Transistoren schalten sehr schnell. Die extrem hohen Spannungssteilheiten während der Schaltvorgänge können Störungen verursachen oder auch zu Teil- und Gleitentladungen in den Isolationen führen. Bei der Schaltungsentwicklung musste daher großer Wert darauf gelegt werden, diese unerwünschten Effekte zu minimieren. Für einen kommerziellen Einsatz sind zukünftig noch Weiter­entwicklungen in unterschiedlichen Technologiebereichen notwendig, etwa bei den Leistungsmodulen oder den induktiven und kapazitiven Bauelementen.«

Die Leistung des Demonstrators zur Einspeisung in das 10 kV-Netz beträgt 100 kVA. Die Schaltfrequenz liegt mit 16 kHz etwa um den Faktor 10 höher als bei Mittelspannungsumrichtern mit Siliziumhalbleiterbauelementen. Als Transistoren kamen 15 kV / 10 A SiC-MOSFETs zum Einsatz. Die induktiven Bauelemente wurden vom Projektpartner STS Spezial-Transformatoren Stockach GmbH entwickelt.

»Wir sehen ein großes Potenzial bei zukünftigen Anwendungsgebieten für Leistungselektronik in der Mittelspannung«, so Prof. Dr. Bruno Burger, Gruppenleiter »Neue Bauelemente und Technologien« am Fraunhofer ISE. »Denkbar sind völlig neue Systemarchitekturen bei regenerativen Kraftwerken, wie etwa großen Photovoltaikanlagen im Megawatt-Bereich oder Windparks. Aber auch für die Bahnindustrie oder große Batteriespeicheranlagen ist die neue Technik sehr vielversprechend.«

Aktuell realisiert die Abteilung »Leistungselektronik und Netztechnologien« des Fraunhofer ISE in Freiburg ein neues Mittelspannungslabor im Multi-Megawatt-Bereich.

 


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