2G-Supraleiter: Die Fertigungskapazitäten steigen, die Preise fallen

»Der deutsche Supraleiter-Cluster ist weltweit einmalig«

25. März 2014, 14:51 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Werner Prusseit, Präsident des iv supra und CEO von THEVA: »Die Hersteller bauen die Kapazitäten für die Fertigung von 2G-Leitern aus, die Preise fallen schon jetzt und die Knappheit dürfte ab Ende des Jahres überwunden sein.«
© Theva

»In Deutschland hat sich ein weltweit einmaliger Supraleiter-Cluster gebildet. Diese Spitzenposition gilt es nun auszubauen«, erklärte Dr. Werner Prusseit, Präsident des iv supra und CEO 2G-Bandleiterherstellers THEVA im Interview mit Energie & Technik.

Was waren die Highlights der diesjährigen Ziehl-IV-Konferenz, die der iv supra organisiert hat, und wo sehen Sie die Fortschritte gegenüber der Konferenz vor zwei Jahren? 

Der Anwendungsbezug war noch stärker ausgeprägt als vor zwei Jahren. Die diesjährige Konferenz hat klar gezeigt: die Supraleitung ist kein Spielzeug mehr für das Labor, es geht um Installationen in der Realität und im großen Maßstab. Wir haben Vorträge über große supraleitende Generatoren gehört, über Motoren, Stromschienen und auch über interessante Anwendungen in der Automatisierungstechnik, die dort ganz neue Möglichkeiten eröffnen. In den Vorträgen standen meist die Anwendungen und die Maschinen im Vordergrund, es drehte sich gar nicht mehr alles um die Supraleitung an sich. Das ist ein gutes Zeichen. Firmen wie BASF, Siemens, Nexans und Festo beschäftigen sich intensiv mit der Supraleitung, sie ist in der Industrie angekommen. Die Entwicklung der Supraleitertechnik hat über die letzten eineinhalb Jahre noch einmal stark an Fahrt aufgenommen, insbesondere auch was die Fertigung der 2G-Drähten betrifft. 

Das trifft wohl vor allem auf Deutschland zu. In den USA und Japan, wo in der Vergangenheit viel staatliches Geld vor allem in die die Materialforschung floss, tut sich im Moment gar nicht so viel?

Ja, in den USA und Japan verliert die Industrie offensichtlich das Interesse, sobald die Förderungen ausgelaufen sind. Das ist enttäuschend. Glücklicherweise läuft es bei uns etwas anders. Die Förderung hierzulande ist nicht üppig, liegt aber auf einem vernünftigen Level und die Programme sind effizient. Jetzt gehen viele Firmen hierzulande in die Produktion, nicht weil sie noch eine weitere Förderung mitnehmen wollen, sondern weil sie überzeugt sind, ihre Produkte verkaufen zu können und damit Geld zu verdienen. 

Wo steht die Supraleitung in Europa und in Deutschland heute in Bezug auf die Aktivitäten in anderen Weltregionen?

In den USA und in Japan haben hat die Supraleitung für Anwendungen in der Elektrotechnik seit vier Jahren an Boden verloren. Deutschland ist im Bereich Anwendungen in der Elektrotechnik führend und hat die eigene Position gefestigt. Es hat sich ein regelrechter Supraleiter-Cluster gebildet. Start-ups gehören genauso dazu wie forschungsintensive kleine und mittelständische Firmen, große Konzernen aus der Chemie, der Elektrotechnik und der Automatisierungstechnik bis hin zu Universitäten und Instituten. Deutschland ist damit auch für den Export gut aufgestellt. Diese Firmen sind wiederum Teil eines europäischen Clusters. So etwas gibt es weltweit kein zweites Mal. 

Allerdings passiert auch in China und Russland sehr viel, diese Länder holen auf. Das dürfen wir nicht übersehen.  

Im Moment sind die Hochtemperatursupraleiter der zweiten Generation noch sehr knapp. Bauen die Hersteller jetzt tatsächlich die Kapazitäten aus? 

Das war ein weiteres Highlight der diesjährigen Konferenz: Es wurde klar, dass die Hersteller der 2G-Drähte ihre Kapazitäten ausbauen. Nicht nur hierzulande sondern weltweit. Inzwischen gibt es nicht mehr nur zwei oder drei Hersteller sondern um die 10. Dass das 2G-Material so knapp war, hat den Fortschritt der Supraleitertechnik bisher behindert: Für große Projekte mussten die Hersteller auf die Leiter der 1. Generation zurückgreifen, einfach weil die 2G-Drähte nicht zur Verfügung standen. Das wird sich ab nächstem Jahr vollkommen ändern. Dass die vielen Hersteller dabei sind, ihre Kapazitäten auszubauen, macht sich jetzt schon in fallenden Preisen bemerkbar. Auch als Vertreter eines Herstellers von 2G-Leitern freue ich mich über fallende Preise, denn nur so kann sich der Markt entwickeln. Ab Mitte 2014 dürfte die 2G-Knappheit überwunden sein und das wird einen Schub geben.  

Können sich die Anwender darauf verlassen, dass 2G-Drähte ab 2015 in ausreichenden Mengen und zu tragbaren Preisen zur Verfügung stehen werden. 

Die Hersteller der 2G-Drähe haben Roadmaps erstellt, es liegen konkrete Pläne für den Ausbau der Kapazitäten vor und es ist jetzt auch unsere Aufgabe als Hersteller von 2G-Drähten, das Vertrauen der Anwender zu gewinnen. Ich gehe davon aus, dass nicht zuletzt die Ziehl-IV-Konferenz in diesem Jahr dazu beigetragen hat, für Vertrauen zu sorgen. 

Die Teilnehmer der Ziehl-IV-Konferenz hatten die Möglichkeit, die im Rahmen des AmpaCity-Projekts gebaute Verbindung zwischen zwei Umspannstationen in Essen zu besuchen, die aus einem supraleitenden Kabel, einem supraleitenden Strombegrenzer und der Kühltechnik besteht. Was wird aus dem Projekt, wenn es in zwei Jahren ausläuft? 

Dieses Projekt ist weltweit einmalig und die Technik im großen Maßstab in der Realität arbeiten zu sehen ist beeindruckend. Auch das ein Zeichen dafür, dass die Supraleitung in der realen Welt angekommen ist und dass sie handfeste Vorteile bietet, vor allem niedrigere Kosten und eine höhere Effizienz. Das Projekt ist aber auch gut geeignet, der Öffentlichkeit jenseits technischer Detailprobleme zu zeigen, dass sich damit in den Städten sehr viel Platz sparen lässt und dass die Supraleitung ein wichtiges Element der Energiewende ist. Das schafft Akzeptanz. 

Wenn AmpaCity 2016 ausläuft, könnte sich ein Folgeprojekt anschließen. Sehr schön wäre es, wenn damit begonnen würde, eine Ringleitung um eine Stadt aufzubauen. Das wäre dann das Highlight der Zieh-IV-Konferenz in zwei Jahren. 

Sie hatten oben große Generatoren für Kraftwerke erwähnt, an denen die Hersteller jetzt intensiv arbeiten. Siemens und das KIT haben auf der Konferenz einen Teststand für große Generatoren auf Basis der Supraleitung beschrieben, es wird aber noch einige Zeit ins Land ziehen, bis er die Arbeit aufnehmen kann. Also werden doch sicherlich noch Jahre vergehen, bis die Generatoren auf den Markt kommen? 

Die Hersteller von Generatoren gehen häufig an die Grenze des technisch Möglichen, ganz unabhängig davon, ob Supraleitung verwendet wird oder nicht. Wenn nun eine neue Technik wie die Supraleitung in die Generatoren Einzug halten soll, dann braucht man große Teststände, wo die Komponenten unter realistischen Bedingungen geprüft werden können. Der Teststand, der in Karlsruhe gebaut wird, ist weltweit einmalig und auch hier zeigt sich, dass Deutschland eine führende Position einnimmt. Die Hersteller arbeiten aber auch unabhängig von diesem Teststand und seinen Möglichkeiten an supraleitenden Generatoren und ich bin mir sicher, dass wir über die nächsten ein bis zwei Jahre aus diesem Anwendungsgebiet einige interessante Neuigkeiten hören werden. 

Was hat sich THEVA für die kommenden Jahre vorgenommen? 

Wir werden ab Mitte des Jahres die Fertigung der 2G-Leiter hochfahren und rechnen damit, dass wir schon ab Anfang des Jahres Marktanteile hinzugewinnen können. In fünf Jahren wollen wir zum Weltmarktführer unter den Herstellern von 2G-Leitern aufgestiegen sein. 

 


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