VDE-Studie

Energiewende gelingt nur mit aktiven Verteilnetzen

19. April 2016, 11:30 Uhr | Hagen Lang
Für den VDE nahmen an der Studienvorstellung teil (v.l.n.r.): Dr.-Ing. Thomas Benz, Geschäftsführer der Energietechnischen Gesellschaft (ETG) im VDE, Prof. Dr.-Ing. Peter Birkner, Universität Wuppertal, Mitglied des Vorstandes der ETG, Dr. Heiko Englert, Siemens AG, Dr. Heinrich Hoppe-Oehl, Westnetz GmbH, Melanie Unseld, VDE-Pressesprecherin.
© Hagen Lang

Die Energiewende macht die Ertüchtigung der Verteilnetze obligat. Die Energietechnische Gesellschaft (ETG) des VDE hat in München ihre Studie „Schutz und Automatisierungstechnik in aktiven Verteilnetzen“ vorgestellt, die die technisch möglichen und nötigen Verfahren zur Netzertüchtigung benennt.

Aus Sicht der Stromverteilnetze stellt die Energiewende die Dinge auf den Kopf: Statt Strom von wenigen großen Erzeugungspunkten in eine Richtung zu Verbrauchern zu schicken, erfolgt die Einspeisung jetzt von vielen Punkten der Verteilnetzebene aus von "unten nach oben" in das Gesamtnetz.

Wind- und Sonnenstrom werden zudem nicht gleichmäßig bereitgestellt, ihre Erzeugung ist immer fluktuierend. Deshalb verkraften die Stromnetze im heutigen Zustand nicht den von der Bundesregierung bis 2050 geforderten Anteil von 80 Prozent regenerativ erzeugten "Zappelstrom". Umfangreiche technische Ertüchtigungen sind notwendig, über deren Kosten verschiedene Schätzungen kolportiert werden, z.B. 15 Milliarden Euro für die Ertüchtigung der Übertragungsnetze und 30 Milliarden Euro für die Verteilnetze.

Welche technischen Möglichkeiten zur Ertüchtigung der Verteilnetze existieren, die einen sicheren Netzbetrieb auch bei zunehmender Einspeisung erneuerbarer Energien gewährleisten, dokumentiert die Energietechnische Gesellschaft (ETG) des VDE jetzt in der Studie "Schutz- und Automatisierungstechnik in aktiven Verteilnetzen". Die vorgestellten Konzepte erlauben die Kontrolle aller wichtigen Parameter wie Last- und Einspeiseverhalten, Spannung, Blindleistung, Netzschutzparameter und Netztopologie und dienen Netzbetreibern als Leitfaden um die vorgestellten Lösungskonzepte vergleichend bewerten zu können und in ihre Planung einzubeziehen.

Wie Studien-Coautor Prof. Dr. Peter Birkner erklärte, machen die Einspesespitzen der erneuerbaren Energien die Netzertüchtigung unabdingbar. Dabei kommt sowohl die "klassische" Variante, die Verlegung dickerer Kabel in Frage, wie der Einsatz intelligenter Schutz- und Automatisierungstechnik. Fünf Prozent der übertragenen Energie belegten 50 Prozent des installierten Querschnitts. Eine Verschiebung dieser Einspeisespitzen mittels intelligenter Automatisierungstechnik erspart demnach einen Großteil der klassischen Netzausbaukosten. Allerdings ist nach wie vor im Einzelfall zu prüfen, welche Maßnahme am kostengünstigsten ist.

Die Umkehr der Stromflussrichtung macht eine aktive, schnelle Erkennung von Fehlerzuständen wie zweiseitig gespeister Fehlerströme und Zwischeneinspeisung notwendig. Dies macht den Ausbau der Netzleittechnik und dezentral installierter, "intelligenter" und kommunikativ vernetzter Automatisierungstechnik obligat.

So klar die technischen Wege sind, so ungeklärt ist bislang die Frage der Kostenübernahme. Wenn der VDE von der Politik zurückhaltend "regulatorische Anreize" fordert, meint er damit, die Regierung möge bitte die gesetzlichen Grundlagen schaffen, aufgrund derer Netzbetreiber ihren Kunden die Investitionskosten in Rechnung stellen dürfen. Momentan machen Investitionen in intelligente Verteilnetze für Netzbetreiber betriebswirtschaftlich keinen Sinn. Damit begrenzt die Politik die Menge einspeisbaren Regenerativstromes.

Sie ziert sich, den Wählern die wahren Kosten der Energiewende zu präsentieren, zu denen auch die Rechnung für den Netzausbau gehört. Tut sie dies aber nicht bald, findet der Ausbau der erneuerbaren Energien sein Limit in den Kapazitätsgrenzen der Stromverteilnetze.


  1. Energiewende gelingt nur mit aktiven Verteilnetzen
  2. Wesentliche Studienergebnisse

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