Grundlagenforschung

Erneuerbare belasten Stromnetze stärker als bekannt

19. Juni 2018, 15:53 Uhr | Hagen Lang
Ausbreitung der Störungen in einem elektrischen Wechselspannungsnetz
© Tamrakar, Conrath & Kettemann, Scientific Reportsvolume 8, Article number: 6459 (2018), http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Eine Studie der Jacobs University Bremen kommt zu dem Ergebnis, dass die volatilen, nicht stetig anfallenden erneuerbaren Energien die Stromnetze stärker belasten, als bisher bekannt. Ausgerechnet ein bislang für labil gehaltener Stromnetz-Typus erwies sich dagegen als recht resilient.

Je mehr erneuerbare Energien in das Stromnetz eingespeist werden, desto größer ist die Belastung für das Netz, z.B. durch mittlerweile alltägliche Frequenzschwankungen. Eigentlich wurde das Netz für einen hierarchischen top-down-Stromfluss von einigen großen Erzeugern zu vielen kleineren Verbrauchern gebaut, stattdessen bewältigt es eine zunehmend kleinteilige, heterogene und dezentrale Stromerzeugung.

Ein Forschungsprojekt an der Jacobs University Bremen unter der Leitung von Dr. Stefan Kettemann, Professor für Theoretische Physik zeigte jetzt, dass die zunehmende Einspeisung von erneuerbaren Energien zu einer Ausbreitung von Störungen führt. Die Forscher untersuchten, mit welcher Geschwindigkeit und auf welche Weise sich Störungen im Netz ausbreiten. Eines der Ergebnisse der Grundlagenforschung: Selbst kleinste Schwankungen, verursacht etwa durch einen kurzzeitigen Anstieg der Stromeinspeisungen in Bremen, sind über große Distanzen messbar, nämlich sogar im fast 600 Kilometer Luftlinie entfernten München.

Die Ergebnisse der Forschung wurden jetzt in der Zeitschrift „Scientific Reports“ des Nature-Journal veröffentlicht. Ein weiteres, unerwartetes Forschungsergebnis erklärt Professor Kettemann: „Besonders überrascht hat uns, dass baumartig aufgebaute Verteilernetze, die vom Generator bis zum Verbraucher führen, stabiler gegenüber solchen Störungen sind als engmaschige Verbundnetze, in denen die Stromleitungen in vielen Schleifen kreisförmig zusammengeschlossen sind“.

Kettemann weiter: „Das Gegenteil wäre deutlich erwartbarer gewesen. Denn eine Baumstruktur hat schließlich viel eindeutigere und hierarchischere Verbindungslinien als ein kreisförmiges Netz mit seiner Vielzahl an Maschen und Schleifen.“ Die Ursache sehen die Forscher in den Wellenmoden, den unterschiedlichen Schwingungen beider Netztopologien. Ähnlich Orgelpfeifen, deren tiefster Resonanzton mit der Länge tiefer wird, werden Resonanzfrequenzen engmaschiger Verbundnetze mit zunehmender Netzgröße kleiner. Die Resonanzfrequenzen in baumartigen Netzstrukturen bleiben auch bei zunehmender Netzgröße konstant, was in einer geringeren Störungsanfälligkeit resultiert.

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