»Wir brauchen ein paneuropäisches Netz«

Oettinger warnt vor deutscher Energiewende-Wagenburg

30. Juli 2012, 14:43 Uhr | Heinz Arnold
Günther Oettinger, EU-Kommissar für Energie: »Die deutsche Energiewende wird nicht funktionieren, wenn wir sie auf Deutschland beschränken!«
© ZVEI

Die Energiewende allein in Deutschland funktioniert nicht; sie muss mit den europäischen Partnern abgestimmt sein, auch wenn diese andere Schwerpunkte setzen als Deutschland. Dafür plädierte EU-Kommissar Günther Oettinger kürzlich in seiner Rede auf dem ZVEI-Jahreskongress in Berlin.

»Das Energienetzwerk aufzubauen, ist die nächste große Integrationsaufgabe für Europa«, sagte Oettinger. Während die Infrastruktur für Transport, für Öl und Kohle gut ausgebaut sei, hinke der Ausbau der Infrastruktur für Gas und Strom hinterher. In Deutschland seien die Stromnetze immer noch ähnlich angelegt wie die Fürstentümer vor 200 Jahren. »Wir brauchen aber ein paneuropäisches Netz, einschließlich der Staaten Nordafrikas«, so Oettinger.    

Leider fehle dazu die Strategie - europaweit wie in Deutschland. Hierzulande gebe es vier große Netzbetreiber. Einer davon habe zu wenig Eigenkapital, zwei gehörten Investoren, denen das Geschäft eher fremd sei, und dem vierten mangele es ebenfalls an einer Strategie.

Strategie - dringend gesucht

Eine Strategie sei aber genau das, was die Energiewende in Deutschland dringend benötige - und zwar eine Strategie, die auf die europäischen Partner abgestimmt ist. »Die deutsche Energiewende funktioniert allein in Deutschland nicht!«, erklärt Oettinger. So bezieht Frankreich 76 Prozent der Energie aus KKWs (von denen es in Europa insgesamt 134 gibt). Wenn Frankreich das jetzige Ziel umsetzen wird - den Anteil von Strom aus KKWs bis in 20 Jahren auf 50 Prozent zu senken -, dann wird dieser Anteil immer noch höher liegen als in Deutschland vor Fukushima. Und in Ländern wie Polen werde die Kernenergie eher noch ausgebaut. »Wir dürfen uns also nicht in die deutsche Wagenburg zurückziehen«, so Oettinger. Die Umsetzung müsse rational und entsprechend der Regeln der Physik stattfinden, weniger auf Basis von Idealismus.

Verbräuche transparent machen

Als rational sieht er an, die Übertragungs- und Verteilnezte zu einem Smart Grid auszubauen und Standards zu schaffen - natürlich auf europäischer Ebene. Zusätzlich müssten die Verbraucher in den Haushalten über intelligente Zähler und detaillierte Rechnungen - wie sie sie von ihren Mobilfunk-Providern kennen - genau sehen können, wo ihre Verbräuche liegen. Ein Kühlschrank von heute nimmt gegenüber seinem Pedant vor zehn Jahren um zwei Drittel weniger Strom auf. Heute sieht das leider der Verbraucher nicht auf seiner Stromrechnung, und wenn er umzieht, dann nimmt er seinen alten Stromfresser sogar noch mit ins neue Haus. Wären die Kosten transparent, würden die Verbraucher anders regieren. Zusätzlich sollten es dynamische Tarife den Verbrauchern ermöglichen, weniger als bisher für ihren Strom bezahlen zu müssen.

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