Praxisnutzen des CLS-Handling

Ostwestfalen übt die Smart-Grid-Steuerung per Smart Meter

17. August 2020, 12:01 Uhr | Hagen Lang
© Westfalen Weser Energie GmbH & Co. KG

Die Home-Area-Network-(HAN-)Schnittstelle der Smart Meter Gateways für steuerbare Systeme wie PV-Anlagen, kurz „Controllable-Local-Systems-(CLS-)Schnittstelle“, sorgt bei Netzbetreibern und EVU für Phantasie in Sachen Lastverschiebung und neuer Geschäftsmodelle. Ostwestfalen übt mit Anwendungstests.

Kann man ansonsten abgeregelte überschüssige Energie aus erneuerbaren Energiequellen durch Nutzung regionaler Flexibilitäten von Wärmelasten (power-to-Heat) und Elektro-Autos (Power-to-Mobility) sinnvoll nutzen und gleichzeitig die Netze entlasten? Diese Frage sollte das Projekt „SynErgieOWL“ im Rahmen des Wettbewerbs „EnergieSektrorenkopplung.NRW“ herausfinden.

„Eine ganz wesentliche Motivation war für uns aber auch, dass wir uns frühzeitig mit dem Thema CLS auseinandersetzen wollten, um zu lernen, was wir dabei beachten müssen. Denn wenn wir warten, bis am Jahresende die Rahmenbedingungen dafür endlich feststehen, ist es zu spät“, erklärt Martin Kloppenburg, der für den Smart-Meter-Rollout zuständige Projektleiter bei Westfalen Weser.

In 25 Haushalten mit mehrheitlich Nachtspeicherheizungen, aber auch bivalenten Heizsystemen, Wärmepumpen und E-Auto-Ladestationen wurden, falls vorhanden, Rundsteuerempfänger ausgetauscht und durch Steuerboxen für die CLS-Schnittstelle ersetzt.

„Eine große Herausforderung war dabei die Auswahl der Hardware. Denn auch wenn die meisten Hersteller sagen, ihre Lösungen seien interoperabel, müssen sich die unterschiedlichen Geräte erstmal kennenlernen. Und es ist nie sicher, ob sie sich dann auch tatsächlich verstehen“, erläutert Timo Busse Innovationsmanager für Intelligente Netztechnik bei Westfalen Weser. Deswegen entschied sich das Projektteam einheitlich für das Smart-Meter-Gateway und die CLS-Steuerbox des Herstellers Theben.

Der Berliner Full-Service-Anbieter GWAdriga, an dem Westfalen Weser mit RheinEnergie und EW als Gesellschafter beteiligt ist und der bereits Erfahrung mit CLS-Projekten hat half, den Prozess schnell ins Laufen zu bekommen. „Das CLS-Management wird künftig zur Schlüsselfunktion, wenn es um dezentrale Flexibilitäten wie schaltbare Lasten, Erzeugungsanlagen und Speicher geht. Für uns wird dies neben der eigentlichen Gateway-Administration ein wichtiges Geschäftsfeld werden.“, erklärt Dr. Michał Sobótka, Geschäftsführer der GWAdriga GmbH & Co. KG.

Theorie und Praxis der Lastverschiebung

Sämtliche Messwerte wurden im Projekt an GWAdriga übermittelt, im zentralen Messdatenmanagement erfasst und von dort aus als 15-Minuten-Werte wieder zur Verfügung gestellt, bei Bedarf auch feiner aufgelöst. Ein Control Manager erteilt den Steuerboxen die Schaltbefehle, die auf Basis von Fahrplänen aus dem Leitsystem übermittelt werden. Dabei werden die Befehle in zwei Varianten erteilt: Einmal ad-hoc und einmal als gepulste Befehle mit hinterlegtem Fahrplan. „Der Vorteil des Verfahrens: Wird über einen bestimmten Zeitraum kein Befehl übermittelt, schaltet das System automatisch auf den Backup-Fahrplan um. Übersetzt auf ein Heizsystem bedeutet dies: Das Haus wird nicht kalt, nur weil ein Steuerbefehl nicht übermittelt wurde“, erklärt Timo Busse.

Die Fahrpläne wurden unter Einbeziehung aktueller Marktsignale, Netzzustände, Engpassmanagement und EEG-Prognosen in Anlehnung an das avisierte BDEW-Smart-Grid-Ampelkonzept durch die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe erstellt. Die Steuerboxen waren nicht direkt an den Schaltkontakt der Anlagen angeschlossen, sondern mit einer dezentralen Steuereinheit verbunden. Diese führte die Schaltungen an den Anlagen unter Einbeziehung weiterer Faktoren durch, wie etwa der Raumtemperatur oder dem Ladezustand der Anlage.

Das über die gesicherte transparente Datenkommunikationsverbindung der Steuerbox empfangene Signal wurde als Marktsignal in die Bildung der Schalthandlung einbezogen. Dabei wurde parallel durch vorgeschaltete Router auch der CDMA 450 MHz-Kommunikationskanal zur Signal- und Datenübertragung erprobt. Durch den Einsatz einer am Markt verfügbaren EEG-konformen Steuerbox zur 4-stufigen Leistungsreduzierung wurden drei Preiszonen und eine „Veto-Funktion“ des Verteilnetzbetreibers gemäß § 14a EnWG berücksichtigt. Anhand dieser dezentral agierenden Schaltung wurde so auch die Koordinierung von Markt und Netz möglich.

„Eine der wesentlichen Erfahrungen in diesem Projekt war, dass es bis zur tatsächlichen Interoperabilität oder gar einem Plug&Play im Bereich CLS-Management noch ein weiter Weg ist. Die Orchestrierung der beteiligten Komponenten bringt erheblichen Aufwand mit sich und daran wird sich vermutlich auch bis Jahresende noch nicht viel ändern“, beschreibt Timo Busse eine der Lektionen.

Daneben ist ein besonderes Augenmerk auf die Schulung der Techniker zu richten, die die Komponenten beim Kunden vor Ort installieren. „Wie beim Rollout der intelligenten Messsysteme auch, müssen die Systeme zuverlässig funktionieren. Wenn wir mehrmals zum Kunden müssen, um Fehler auszumerzen, rechnet sich auch ein CLS-Management nicht“, ergänzt Martin Kloppenburg.

Auf Seiten des Backends, sprich im Operations-Center der GWAdriga in Berlin, liefen die Prozesse dagegen weitgehend problemlos. „Sowohl die Schnittstellen als auch die Software funktionierten ohne größere Schwierigkeiten, so dass wir für den künftigen Ausbau des CLS-Managements hier gut gewappnet sind“, so Kloppenburg.

Der wird auf einer anderen Hardware-Basis erfolgen müssen, denn die im Forschungsprojekt verbaute Technik war noch nicht BSI-zertifiziert und entsprechende Steuerboxen standen damals noch nicht zur Verfügung. Somit wurden die Installationen bei den Kunden zum Ende des Projekts im Mai 2020 zurückgebaut.


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