Bundesregierung

Smart Grids sollen sich von alleine finanzieren

22. August 2016, 13:12 Uhr | Hagen Lang
Das dezentral gesteuerte Smart Grid, wie es sich das Max Planck Institut vorstellt: Die dezentrale Steuerung böte Hackern weniger Angriffsfläche und würde dem Aufbau einer großen Kommunikationsinfrastruktur entgegenwirken. Auch dieses avantgardistische Konzept müsste jedoch finanziert werden.
© Benjamin Schäfer / MPI für Dynamik und Selbstorganisation

Ein Hocker braucht drei Beine, damit er steht, die Energiewende neben Erneuerbaren, Energieeffizienz auch intelligente Netze, damit die Ausbaupläne für Erneuerbare nicht im Blackout enden. Die Bundesregierung will jedoch die Finanzierung kürzen.

An Lippenbekenntnissen zum Aufbau intelligenter Netze mangelt es nicht. Nur mit ihnen kann der Ausbau der schwankenden erneuerbaren Energien und ihre Integration in das Stromübertragungssystem gelingen. Doch ausgerechnet hier will die Bundesregierung die Gelder kürzen, unauffällig, indem die Bundesnetzagentur den Netzbetreibern eine Senkung ihrer Eigenkapitalzinssätze für Strom- und Gasnetzinvestitionen um 25 Prozent vorschlägt.

Die von den volatilen Erneuerbaren stark belasteten Netze benötigen immer häufiger Eingriffe, deren Kosten 2015 bereits eine Milliarde Euro überstiegen. »Die Bundesnetzagentur selbst weist darauf hin, dass diese Kosten ohne zügigen Netzausbau für die Verbraucher weiter stark steigen würden«, wundert sich Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Im europäischen Vergleich gehören die deutschen Stromnetze zu den von erneuerbaren Energien am stärksten belasteten. Doch die Bundesnetzagentur will den deutschen Netzbetreibern den für Strom- und Gasnetzinvestitionen zugestandenen Eigenkapitalzinssatz um 25 Prozent kürzen. Damit ist kein Ausbau von Smart Grids möglich. »Der daraus resultierende Zinssatz von 5,64 Prozent nach Steuern würde zu den niedrigsten in ganz Europa gehören - und das obwohl Deutschland zu den EU-Staaten mit dem größten Ausbaubedarf zählt. Sachgerecht wäre ein um mindestens einen Prozentpunkt höherer Eigenkapitalzinssatz«, sagte Stefan Kapferer.

Im Schnitt gestehen europäische Staaten ihren Netzbetreibern um 1,5 Prozent höhere Zinsen für die Netzinvestitionen zu, als die Bundesnetzagentur vorschlägt, obwohl die Belastung durch erneuerbare Energien dort erheblich geringer als in Deutschland ist. Ein »Aufschrei« bleibt schon wegen der Komplexität des Themas aus und, weil das Thema medial mit der Schlagseite »Konzerne wollen Geld« kommuniziert wird. »Konzerne«, - pfui!

Der derzeit geltende Brutto-Zinssatz von 9,05 Prozent für Netzinvestitionen reduziert sich nach Abzug von Ertragssteuer und Inflation auf 5,38 Prozent, wobei dieser Zinssatz überhaupt nur auf 40 Prozent der Investitionssumme angerechnet werden darf. Für die verbleibenden 60 Prozent darf nur ein Zinssatz von 3,08 Prozent berechnet werden, woraus sich insgesamt eine Verzinsung von 3,8 Prozent errechnet.

Mit den neuen Vorschlägen der Bundesnetzagentur würde diese unter drei Prozent sinken und könnte womöglich zum Erhalt der heutigen Infrastruktur reichen, nicht jedoch für einen Ausbau von Smart Grids, geschweige denn anspruchsvollen Konzepten, wie den »zellularen Netzen«, wie sie sich der VDE als Rückgrat der Energiewende vorstellt, oder dem selbstorganisierenden Smart Grid des Max Planck Institutes. Verbraucher hätten von der Sparmaßnahme wenig, hat der BDEW berechnet: Ein Haushalt mit 3.500 kWh Jahres-Stromverbrauch würde durch die Vorschläge der Bundesnetzagentur im Schnitt 5,30 Euro jährlich sparen.


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