Klein, dynamisch, schwarzstartfähig

Was verbirgt sich hinter der HVDC-Plus-Technik?

22. April 2015, 10:53 Uhr | Heinz Arnold
HVDC-Plus-Technik: Aufbau der Stromrichterstation des HGÜ-Systems zwischen Frankreich und Spanien
© Siemens Pressebild

Die HVDC Plus hat Siemens eine Technik entwickelt, die sehr viel weniger Platz beansprucht als die herkömmliche auf Thyristoren basierende HVDC Classic-Technik. Außerdem sind HVDC-Plus-Systeme schwarzstartfähig.

Die Thyristoren der HVDC-Classic-HGÜ, die vor allem für die Übertragung großer Energiemengen über lange Strecken zum Einsatz kommt, können den Strom nur einschalten, das Abschalten geschieht aufgrund der treibenden Netzspannung beim Stromnulldurchgang.
 
HVDC Plus basiert dagegen auf selbstgeführten Stromrichtern (VSC) in modularer Multilevel-Converter-Bauweise (MMC), die den Wechselstrom in Gleichstrom und Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln. Im Gegensatz zur netzgeführten Stromrichtertechnik arbeitet das HVDC-Plus-System auf Basis der selbstgeführten Technik (Self Commuted Converter, SSC) mit Spannungszwischenkreis (VSC) auf Basis von abschaltbaren Leistungstransistoren (IGBT, Insulated Gate Bipolar Transistor), so dass die Kommutierungsvorgänge im Stromrichter unabhängig von der Netzspannung ablaufen. Die IGBTs können wie ein Generator auch ein spannungsloses Netz selbständig aufbauen und sind damit schwarzstartfähig. Weil die IGBTs sich beliebig ein- und ausschalten lassen – dies geschieht über Glasfaserleitungen, die mit dem Kontrollsystem verbunden sind, erhöht sich die Dynamik des Systems. Für die angeschlossenen Wechselstromnetze ist es vorteilhaft, dass Blind- und Wirkleistung unabhängig steuerbar sind.

Konverterhalle einer Stromrichterstation der HGÜ-Verbindung zwischen Frankreich und Spanien
Konverterhalle einer Stromrichterstation der HGÜ-Verbindung zwischen Frankreich und Spanien
© Siemens Pressebild

Siemens hat mit dem Modularen Multilevel Converter (MMC) einen Stromrichter-Typ entwickelt, der die Nachteile der zwei- und dreistufigen VSC-Typen umgeht. Das Prinzip: die Netzspannung am Ausgang des Stromrichters über sehr viel kleinere Stufen als bei den zwei- und dreistufigen Typen zu schalten. Je kleiner die Stufenhöhe, umso mehr nähert sich die Kurve der idealen Sinusform an. Also verringert sich die transiente Belastung der Leistungshalbleiter, und der Aufwand für Filterung und Abschirmung reduziert sich deutlich. Deshalb benötigt das neue System viel weniger Platz: Mit HVDC PLUS Stromrichtern ausgestattete Stationen können um 40 Prozent kleiner ausfallen als die HVDC »Classic« Systeme, die bei Nennleistung ca. 50 % als Blindleistung zur Kompensation und Filterung aufbringen müssen, d.h. eine 5000-MW-HGÜ braucht dann ca. 2500 MVAr zur Blindleistungskompensation und Filterung.

Die MMC sind in der Station in Santa Llogia auf vier Ebenen übereinander angeordnet. Weil Caixas als erdbebengefährdeter sind die Moldule hier in drei Ebenen übereinandergestapelt, weshalb die Hallen in Caixas etwas länger sind als in Santa Llogia. Für die Hallen gibt es aufwendige Kühlsysteme. Erstens wird die Luft in den Hallen gekühlt, zweitens müssen die Module mit Wasser gekühlt werden.

Ein MMC besteht aus sechs Stromrichter-Zweigen (Converter Arms). Jeder dieser Zweige ist aus einer hohen Zahl von Power-Modulen mit jeweils einer Drossel in Reihe aufgebaut. Die Power-Module wiederum enthalten als Schaltelement eine IGBT-Halbbrücke und einen Gleichstromkondensator (9 mF) als Speicherelement.

Diese Topologie sieht also wie eine Brückenschaltung von sechs Spannungsquellen aus, die den zum Kabel (oder Freileitung) fließenden Gleichstrom und den zum Netzanschluss über den Stromrichter-Transformator fließenden Wechselstrom steuern. Die Drosseln in jedem Zweig dienen der Stabilisierung der Zweigströme und zur Begrenzung der Anstiegssteilheit bei transienten Vorgängen. Aufgrund der Modularität des Systems lässt es sich sehr flexibel konfigurieren und an unterschiedliche Anforderungen anpassen.

Die den Konverterhallen in Santa Llogia und Baixas hat Siemens mit jeweils zwei MMC-Systemen zu je 1 GW ausgestattet, die 100 von Power-Modulen enthalten. Es handelt sich also um zwei unabhängige Verbindungen. Für die Testphase können aber beide Systeme einer Verbindung zusammengeschaltet werden, um sie zu prüfen, noch bevor die Kabel unter Strom gesetzt werden.

Weil sie platzsparend sind, kommen HVDC-Plus-Analgen vor allem in Offshore-Plattformen für die Anbindung weit entfernter Windparks um Einsatz sowie in eng bebauten städtischen Umgebungen. Die erste HDVC-Plus-Anlage hatte Siemens in der Bucht von San Francisco 2010 in Betreib genommen. Dort verbindet sie wie Umspannstationen zwischen San Francisco und Pittsburg über eine Strecke von 88 km. Es ist für eine Leistung von 400 MW bei einer Übertragungsspannung von ± 200 kV ausgelegt. Durch die HGÜ sparte sich die Stadt Sa Francisco den Bau eines neuen Kraftwerkes, außerdem verringerten sich die Engpässe im Übertragungsnetz der East Bay und die Sicherheit und die Zuverlässigkeit der Stromversorgung verbesserte sich.


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