30 Jahre EMH Metering

Vorortfertigung, Vielfalt und visionäre Zählerkonzepte

13. Juli 2021, 10:00 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Peter Heuell, CEO von EMH Metering: »Weil wir in Deutschland produzieren, können wir flexibel auf die Marktbewegungen reagieren und unseren Kunden die Geräte und Systeme entsprechend der gesetzlichen Anforderungen fristgerecht liefern.«
© EMH Metering

Das Konzept ist auf den ersten Blick einfach: nah am Kunden und Fertigung in Deutschland. Dieses Konzept trug EMH Metering über 30 Jahre an die Spitze der Zähler-Hersteller in Deutschland. Geschäftsführer Dr. Peter Heuell erklärt, wie die Strategie für die nächsten 30 Jahre aussieht.

»Wir sind das einzige deutsche Unternehmen, mit dem umfassendsten Portfolio für den Rollout«, erklärt Dr. Peter Heuell, Geschäftsführer von EMH Metering. »Das ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, denn das schafft über alle Ebenen hinweg eine große Kundennähe.« In einem Markt, der ganz anders geartet ist als beispielsweise die Automotive-Industrie, ist das entscheidend: Denn die großen internationalen Zählerhersteller haben weniger als 30 Prozent Anteil im Weltmarkt. Das schafft viel Platz für die heimischen Anbieter. Was so verwunderlich auch nicht ist, denn der Energiemarkt ist in allen Ländern rund um den Globus stark reguliert – und in jedem Land etwas anders. »Die Anforderungen in den verschiedenen Ländern sind also jeweils sehr speziell«, so Heuell. »Deshalb entwickeln wir sämtliche Geräte nach Vorgaben und in enger Zusammenarbeit mit den Kunden.« Das erklärt das enorme Produktspektrum von inzwischen über 10.000 individuellen Geräteausführungen von EMH Metering.

Diese Strategie hat sich als außerordentlich erfolgreich erwiesen: Recht genau auf den Tag vor 30 Jahren wurde EMH Metering gegründet. Heute fertigen 300 Mitarbeiter am Standort Gallin rund 900.000 Geräte im Jahr.

Peter Scheew – Visionär und technischer Pionier

Die Grundlage des Erfolgs legte der Visionär und technische Pionier Peter Scheew, indem er 1991 eine selbständige Geschäftseinheit aus der EMH Messtechnik in Brackel bei Hamburg ausgründete und auf den Namen EMH Elektrizitätszähler GmbH & Co KG taufte. Nachdem zuerst Wittenburg (Mecklenburg-Vorpommern) als Firmensitz ausgewählt wurde, erfolgte bald der Umzug nach Gallin, dem größten Industriepark in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Idee hinter dem neuen Unternehmen: Die Stromzähler werden elektronisch. Peter Scheew hatte sehr früh, als sich sonst noch kaum jemand für das Thema interessierte, den ersten elektronischen Zähler entwickelt.

Der Standort von EMH Metering in Gallin.
Der Standort von EMH Metering in Gallin.
© EMH Metering

Der erste elektronische Zähler

Er kam 1989 auf den Markt und sollte die Basis für einen entscheidenden Umbruch in der Energietechnik einleiten. Zu diesem Zeitpunkt und noch bis in die 90er Jahre war selbst vielen Insidern noch nicht ganz klar, dass nur die vollelektronischen Zähler in der Lage sind, große Datenmengen zu speichern. Was ein großer Vorteil war: Denn die üblichen mechanischen und hybriden Zähler kamen bereits an ihre Grenzen – entsprechend hoch war der Bedarf der Energieversorgungsunternehmen an den neuen elektronischen Zählern. Der Erfolg machte aber auch klar: Sinnvoll ist nur eine eigenständige Zählergesellschaft und so wurde die EMH Elektrizitätszähler GmbH & Co KG, die im Jahr 2010 in die EMH Metering umbenannt wurde, aus der Taufe gehoben. Räumlich wurde das Unternehmen deutlich getrennt von der bereits bestehenden EMH Messtechnik. Mit einer kleinen Ausnahme: Noch heute befindet sich die Entwicklungsabteilung von EMH Metering auf der gegenüberliegenden Straßenseite der EMH Messtechnik in Brackel.

Ab dem Jahr der Firmengründung nahm die Entwicklung an Fahrt auf: Die ersten Zähler mit integriertem Lastprofilspeicher sollten sich als ein Meilenstein für die Energiewende erweisen: Sie konnten die Viertelstundenwerte eines ganzen Monats abspeichern, die registrierte Lastgangmessung (RLM) konnte sich entwickeln – heute ein Standard, um Großverbrauchern individuelle Strompreise anbieten zu können.

Mitgestalter der Energiewende

Peter Scheew spielte auch im weiteren Verlauf die Rolle des Visionärs, der die Umbrüche in der Energiewelt mitgestaltete. Er und seine Mitarbeiter spürten nicht nur weitere Verbesserungsmöglichkeiten auf, sie setzen sie auch um: So integrierten sie die Tarif-Steuerelemente in die Zähler, »auch das war revolutionär«, so Heuell. Damit nicht genug: Wiederum ein völliges Novum stellte ein Zähler dar, der neben der Wirk- auch die Blind- und die Scheinenergie messen konnte: Der erste 4-Quadrantenzähler war geboren, ebenfalls eine Entwicklung von EMH Metering. Er gilt mit der Fähigkeit, alle Leistungen messen zu können, als die Vorstufe zum heutigen Smart Meter. Die klobigen schwarzen Drehstromzähler durch schlanke elektronische zu ersetzen – nie war die Realität der Vision von Scheew so nah wie heute.

Die Wahl des Standortes in Deutschland erwies sich als glücklich: Mit dem Konzept, in Deutschland vor Ort zu fertigen und dies immer in enger Absprache mit den Kunden, konnte EMH Metering schnell auf die heute 300 Mitarbeiter in Gallin wachsen. „Made in Germany“ ist ein wichtiges Markenzeichen der EMH metering und Unternehmensphilosophie.

Inzwischen ist EMH Metering aber bei weitem nicht nur auf Deutschland konzentriert, sondern in 50 Ländern weltweit vertreten. Das spezielle Konzept von EMH Metering ist also auch international inzwischen ein Begriff. Das Unternehmen gilt als einer der berühmten »Hidden Champions«, einer der Pioniere der digitalen Zählertechnik und einer der größten Anbieter von Spezialzählern, nicht nur für Energieversorger und Haushalte, sondern auch für Unternehmen und Gewerbe, die ja ebenfalls an vielen Stellen Ströme, Spannungen, Leistungen und die Netzqualität messen und überwachen müssen. Heute sieht sich das Unternehmen als Marktführer auf dem Gebiet der Spezialzähler (Hochpräzisionszähler und Abrechnungszähler für Industrie und Gewerbe) mit einem Marktanteil von 50 bis 60 Prozent allein in Deutschland. Zudem gehören zur Angebotspalette Haushaltszähler, Industriezähler (Hutschienenzähler) und die Kommunikationstechnik.

 

Blick in die Produktion von EMH  Metering.
Blick in die Produktion von EMH Metering.
© EMH Metering

Von der Elektrolok in die Schnellladesäule

Eine besondere Gruppe der Spezialzähler bilden die Zähler, die die Deutsche Bundesbahn einsetzt und die Wechsel- und Gleichstrom messen müssen. Außerdem sind sie mit GPS-Empfängern ausgestattet. Selbstverständlich stellt die Bahn ganz besondere Anforderungen an die Geräte. Inzwischen lassen sich die dort gewonnenen Erfahrungen auch auf einem anderen Gebiet nutzen: Das der Schnellladesäulen, denn die Grundfunktionen, die sich dahinter verbergen, sind weitgehend die gleichen. Heuell: »So kann künftig mit einem Gleichstromzähler von EMH Metering, der sich auf Elektroloks schon seit vielen Jahren bewährt hat, das Laden von E-Autos abgerechnet werden.«

Auch bei den Standardladesäulen ist EMH gut im Geschäft. Der FNN-konforme EDL-Zähler wurde entsprechend den eichrechtlichen Anforderungen der Elektromobilität erweitert und von der PTB zugelassen, so dass die eichrechtskonforme AC-Ladeinfrastruktur zur Verfügung steht. »Auf dem Sektor dieser Ladesäulen dürfte EMH Metering inzwischen einen Marktanteil von 50 Prozent erreichen«, schätzt Heuell.  

Und wie sieht es mit den Steuerboxen aus, über die die Netzbetreiber die Möglichkeit bekommen sollten, flexible Stromverbraucher bei Bedarf zu steuern? Da ist es ruhig geworden, obwohl über die Steuerboxen die Ladesäulen in das Lastmanagement eingebunden werden könnten. Allerdings wurde das »Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz« Anfang des Jahres zurückgezogen, deshalb gibt es laut Heuell kaum Nachfrage. EMH Metering beschreitet hier einen anderen Weg und beteiligt sich an einem Feldversuch in Chemnitz, wo zusammen mit Audi, GISA und weiteren Partnern gezeigt wird, wie dynamisches Laden über ein Smart Meter Gateway realisiert werden kann, dass für die sichere Datenverbindung zwischen Haus- und Netzwerkbetreiber sorgt. Die Steuersignale werden entweder zum Heimenergie-Managementsystem (HEMS) oder direkt zum Ladesystem »connect« weitergeleitet, das Audi optional anbietet. Der Datenaustausch erfolgt auf dem EEBus-Protokoll.

Womit wir beim Thema Smart Meter Gateway (SMGW) wären: Schon Ende 2019 hatte das Smart Meter Gateway »CASA« von EMH die Zertifizierung des BSI erhalten. Jetzt hat der Rollout begonnen – allerdings etwas verhalten. Bisher sind noch weniger als 100.000 SMGW verbaut. Von einem Erfolg könne deshalb im Moment noch nicht gesprochen werden: »Wir müssen noch zeigen, dass der Rollout mit hohen Stückzahlen funktioniert. Zum Vergleich: in Frankreich arbeiten 40 Millionen Zähler.«

Allerdings sei beides auch nicht zu vergleichen. Das intelligente Messsystem ist eben weit mehr als nur ein Zähler, sondern ein wichtiges Element innerhalb der Energiewende. Deshalb ist er überzeugt, dass die SMGW in einigen Jahren auch international Erfolge einheimsen werde: »In wenigen Jahren könnten wir die Welt überzeugen. Die Energiewende funktioniert eben nur mit den SMGWs sehr sicher und der Datenschutz ist ebenfalls gewährleistet. Das kann im Moment nur Deutschland und da wird Deutschland auch so schnell niemand einholen können.« EMH bietet dafür alles aus einer Hand: von den SMGWs über die neusten Messeinrichtungen bis hin zum FNN-Basiszähler – alles vollständig in Deutschland produziert. Damit könne EMH flexibel auf sich ändernde gesetzliche Anforderungen reagieren und schnell liefern.

Lieferengpässe: »Es ist mühsam und tut weh!«

Apropos Lieferzeiten: Wie sieht es derzeit mit der Verfügbarkeit von Rohstoffen, Komponenten und Vorprodukten aus? »Wir haben so etwas noch nicht erlebt«, so Heuell. Es gebe bis hin zum Verpackungsmaterial praktisch nichts, was nicht knapp sei. Zwar käme EMH grundsätzlich an alles heran, was für die Produktion benötigt werde: »Wir sind im Dreischichtbetrieb voll ausgelastet.« Aber in den Lagern werde es langsam eng und wenn Lieferanten einfach kein Material liefern können, muss immer wieder in der Produktion umgeschichtet werden: »Das ist mühsam, ermüdend und tut weh.« Und noch etwas tut weh: »Die Preise im Einkauf steigen, aber für die Endprodukte bestehen meistens langfristige Verträge, deshalb können wir die Preise nicht anheben.«

EMH Grid Solutions – Services für den SMGW-Rollout

Allerdings beschäftigt sich EMH Metering seit längerem nicht mehr nur mit Zählern, sondern auch mit umfassenden Systemen, die die Kunden spätestens seit der Energiewende benötigen. So war es wohl kein reiner Zufall, dass im Jahr der Energiewende, 2011, die Tochter EMH Grid Solutions (kurz EGS) gegründet wurde, die sich auf die Konzeption von intelligenten Netzen, die Einbindung erneuerbarer Energien und neue Dienstleistungsangebote spezialisiert hat. »Das geht über die Geräte weit hinaus, ESG liefert die zugeschnittenen Lösungen für die individuellen Probleme der Kunden beim Rollout.«

Was würde er sich für die nächsten 30 Jahren wünschen? Zunächst einmal, dass hoffentlich viele SMGWs ausgerollt werden. Darauf konzentriert sich EMH derzeit. »Wir werden als erstes das erfüllen, was in Deutschland gewollt ist.« Danach sei dann die Kür dran. Auch daran arbeitet EMH. »Denn es gibt noch sehr viele Wachstumsmärkte«, freut sich Heuell. Beispielsweise in der Elektromobilität, aber auch in anderen Märkten. Dazu zählt allgemein die Erweiterung der Funktionen der Zähler, es wird neue High-End-Spezialzähler geben und die 450-MHz-Kommunikation für die Zähler wird ein weiteres großes Thema über die nächsten Jahre werden.

Auf dem Weg zur Industrie-4.0-Produktion

Ein weiterer großer Schritt besteht darin, die Produktion umzustellen, ebenfalls ein Projekt, das EMH Metering in Angriff genommen hat: »Wir werden in die Industrie-4.0-Welt einsteigen, um die Flexibilität in der Fertigung zu erhöhen und die Kosten zu reduzieren.« Das Ziel sei die berühmte Losgröße 1 zu Kosten, wie sie bisher aus der Hochvolumenfertigung bekannt sind. In einem regulierten und deshalb fragmentierten Markt, in dem Economy of Scale nicht weit trägt, wäre dies für ein Unternehmen mit sehr vielen kundenorientierten Abwandlungen ein erheblicher Fortschritt.  

»Insgesamt aber werden wir über die nächsten 30 Jahre mit demselben Konzept erfolgreich sein, wie über die ersten 30 Jahre«, so das Fazit von Peter Heuell. »Wir orientieren uns eng am Kunden, schaffen Mehrwert und entwickeln Neues – das ist der Kern unserer Strategie. Und vor allem: Wir werden niemals mit eigenen Systemen in Wettbewerb zu unseren Kunden treten.«


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