4. VDI-Fachkongress: Elektromobilität

Die Zukunft der Mobilität schaut anders aus

14. Juni 2012, 15:06 Uhr | Iris Stroh
Entwicklung Auto-Besitzquote bei 18 – 29-jährigen in Deutschland
© InnoZ

Wenn über Elektromobilität geredet wird, denken die meisten an den Ersatz oder zumindest die Ergänzung des Verbrennungsmotors mit einem Elektromotor. InnoZ (Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel) geht hier viel weiter und spricht vielmehr von neuen systemintegrierenden Mobilitätslösungen.

Entwicklung Auto-Besitzquote bei 18 – 29-jährigen in Deutschland
Entwicklung Auto-Besitzquote bei 18 – 29-jährigen in Deutschland
© InnoZ

Mit der Elektromobilität auch gleich das gesamte Mobilitätsverhalten in neue Bahnen zu lenken, dafür scheint die Zeit günstig zu sein. Denn laut Professor Dr. Andreas Knie, Geschäftsführer bei InnoZ, verliert das Auto für die jüngeren Konsumentengruppen an Attraktivität, weshalb die Möglichkeit besteht, ganz neue Wege zu gehen. Knie: »Das Auto ist in seiner ikonenhaften Bedeutung zurückgefallen.« So würden immer weniger junge Leute Fahrzeuge besitzen, hinzu kommt noch, dass Jüngere auch kaum am Neufahrzeugmarkt teilnehmen. Und diese Entwicklung gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit. Knie weiter: »Das Durchschnittsalter eines Daimler-Neukäufers liegt bei 54 Jahren.« Knie ist denn auch davon überzeugt, dass die ältere Generation weiterhin an ihren eigenen Fahrzeugen festhalten will, aber: »Vor allem die junge Generation fährt weniger Auto«, so Knie. Im Gegenzug erlebt der öffentliche Personenverkehr vor allem bei den Jüngeren ein starkes Plus.

Die Abkehr vom Auto hat viele Gründe: der hohe Anschaffungspreis, die hohen Benzinkosten, das wachsende Umweltbewusstsein und natürlich das zunehmende Verkehrsaufkommen in Kombination mit niedrigen Durchschnittgeschwindigkeiten und endlosen Staus. Knie: »In London ist die Durchschnittsgeschwindigkeit inzwischen auf dem Niveau von 1926 angekommen.« Deshalb glaubt Knie, dass in Zukunft Elektroautos nur noch ein Baustein in einem vollständig neuen Mobilitätskonzept sein werden. Das Gesamtkonzept besteht in der Vernetzung der Elektroautos mit dem öffentlichen Verkehr. Das hätte auch insofern den Vorteil, dass damit die Probleme der Elektrofahrzeuge, sprich Reichweitengrenzen und hohe Anschaffungskosten, überwunden werden können.

Ein durchgängiges Mobilitätskonzept kann beispielsweise mithilfe einer Mobilitätskarte realisiert werden. Mit dieser Karte könne der Nutzer Zugang zum öffentlichen Verkehr (Bus, Tram, U- und S-Bahn sowie Regional- und Fernverkehr) und zum Individualverkehr erhalten (Bike-Sharing, Car-Sharing, Mietwagen, Taxi), wobei Knie noch weiter geht: Er kann sich nämlich auch vorstellen, dass diese Mobilitätskarte Zugang zu anderen Gütern/Dienstleistungen wie Autowäsche, Geldkarte, Kreditkarte, aber auch Kraftstoff/Strom sowie zu öffentlichen Räumen wie Parkhäusern, Gebäuden etc. ermöglichen kann.

In Berlin hat es 2011 bereits einen Test mit einer solche Mobilitätskarte gegeben. Die so genannte »Berlin elektroMobil« wurde vom DB Fuhrparkservice verkauft, das InnoZ hat das Testangebot damals wissenschaftlich begleitet. Für 78 Euro im Monat umfasste diese Karte die Nutzung des ÖPNVs, 50 Euro monatliches Zeitguthaben für Elektrofahrzeuge bei Flinkster, 30 Freiminuten pro Fahrt für Call a Bike, das StadtRAD Berlin und freies Parken an öffentlichen Ladestellen sowie in Parkhäusern von Contipark. Laut Knie ging die Karte an 135 Testkunden in Berlin, 73 Prozent davon waren männlich. Als wichtigster Grund für das Verwenden dieser Karte wurde die Nutzung der VBB-Verkehrsmittel genannt, an zweiter Stelle folgte das Zeitguthaben bei DB Carsharing / DB Flinkster. Laut Knie führte die Mobilitätskarte zu einer moderaten Änderung des Mobilitätsverhaltens. So wurde ungefähr genauso häufig ein Pkw genutzt, allerdings stieg dabei der Anteil der Carsharing-Autos um 30 Prozent. Die tägliche ÖPNV-Nutzung wiederum stieg von 70 auf 79 Prozent, was auf eine Verschiebung vom privaten Pkw hin zum ÖPNV und zum Carsharing hindeutet.

Für Knie hat sich also anhand des Berlin-Tests gezeigt, dass das Elektroauto im Rahmen multimodaler Verknüpfung trotz Reichweitenbegrenzung bereits heute sinnvoll eingesetzt werden kann. Im Folgeprojekt »Berlin elektroMobil 2.0« ist  eine Erweiterung des Nutzerkreises – jetzt geht es vor allem auch um die Besitzer von Privat-Pkws – geplant, außerdem sollen die multimodalen Angebote weiterentwickelt werden. Darüber hinaus ist dann auch die Integration der Elektroautos in das Energienetz geplant, um so einen Ansatz für ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell zu finden.


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