Erneuerbare Kraftstoffe

Durchaus für den breiten Einsatz geeignet

12. Juli 2021, 13:18 Uhr | Kathrin Veigel
Das KIT stellt reFuels selbst her. Im ersten Schritt wurden verschiedene Kraftstoffmischungen aus regenerativ synthetisierten Kraftstoffkomponenten (reFuels) und fossilen Kraftstoffen untersucht.
© Markus Breig und Amadeus Bramsiepe, KIT

ReFuels sind erneuerbare Kraftstoffe, die über verschiedene Wege hergestellt werden können. Werden diese so gemischt und aufbereitet, dass sie bestehende Kraftstoffnormen erfüllen, eignen sie sich für alle verbrennungsmotorischen Anwendungen. Das hat das KIT mit einem aktuellen Projekt gezeigt.

Im Vergleich zu rein fossilen Kraftstoffen ermöglichen die die derzeit erprobten reFuels-Kraftstoffgemische eine mindestens 25-prozentige CO2-Reduktion. Zusätzlich bieten sie leichte Vorteile bei den Schadstoffemissionen. Das sind Ergebnisse des Projekts »reFuels – Kraftstoffe neu denken« am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

»Flüssige Kraftstoffe werden im Mobilitäts-Mix noch länger erforderlich sein, etwa im Bereich des Langstrecken-Schwerlastverkehrs, der Schiff- und Luftfahrt, aber auch in der Bestandsflotte der Pkw. Hier können synthetische Kraftstoffe eine komplementäre Lösungsmöglichkeit zur Defossilisierung des Verkehrs bieten«, so Dr. Uwe Wagner vom Institut für Kolbenmaschinen (IFKM) des KIT. »Dafür müssen sie nachhaltig erzeugt werden können und möglichst schnell verfügbar sein«, sagt Professor Nicolaus Dahmen, im reFuels-Projekt zuständig für die Bereitstellung der Kraftstoffe.

Für alle Arten heute üblicher Kraftstoffe gibt es etablierte und neue Prozesse, die den jeweiligen Kraftstoff liefern. Im Projekt reFuels konnte dies für einige Beispiele, für die das KIT Technologien betreibt oder – wie im Fall des Hydrotreated Vegetable Oil (HVO) – eine andere Quelle für die Kraftstoffe gefunden hat, gezeigt werden.

Praxistests zeigen positive Ergebnisse

Die bisher am KIT untersuchten reFuels-Kraftstoffgemische halten bestehende Kraftstoffnormen für Benzin- und Dieselkraftstoffe ein. Bei Anwendungstests in Pkw der Bestandsflotte konnten die Forscher bei reFuels keine nachteiligen Eigenschaften feststellen. »In einzelnen Fällen zeigten sich hinsichtlich der Schadstoffemissionen sogar leichte Vorteile – sowohl bei den Diesel- als auch den Benzinfahrzeugen«, fasst Wagner die bisherigen Ergebnisse der RDE-Fahrten (Real Driving Emissions) mit kommerziell erhältlichem R33 und am KIT synthetisiertem G40 zusammen. Er und sein Team am IFKM untersuchten bei RDE-Fahrten in Karlsruhe und Umgebung, wie sich reFuels im realen Fahrbetrieb verhalten. Diese Fahrten fanden auf Streckenabschnitten in der Stadt, auf der Landstraße und der Autobahn statt, die aktuellen gesetzlichen Vorgaben zur Zertifizierung von Neufahrzeugen entsprechen.

Für die Testfahrten des KIT wurden vier verschiedene Pkw mit einem mobilen Emissionsmessgerät (Portable Emission Measurement System, PEMS) ausgerüstet. Mit diesem Gerät, das auch im europäischen Forschungsprojekt MetroPEMS zum Einsatz kommt, können Stickoxid-, Partikel- und CO2-Emissionen während der Fahrt gemessen werden. Zudem wurden Flottentests mit sechs Lkw durchgeführt. Diese haben mit dem Kraftstoff C.A.R.E Diesel aus 100 Prozent kommerziell verfügbarem HVO über 350.000 Kilometer zurückgelegt. Auch hier zeigten die Ergebnisse keinerlei Probleme in der Anwendung. Für weitere Tests ist eine Ausweitung der Flotte und eine Verlängerung des Dauerlaufs bis 2024 geplant. Auch Versuche an einem Bahnmotor mit R33 und reinem HVO zeigten dieselben Ergebnisse wie die Straßenversuche.

Umweltbilanzierung zeigt potenzielle Vorteile  

Im Rahmen des ganzheitlichen Projektkonzeptes hat man die regenerativen Kraftstoffe einer Umweltbilanzierung unterzogen. Dazu wurden alle wesentlichen Energie- und Stoffströme im Zusammenhang mit der Bereitstellungs- und Nutzungskette der reFuels und ihrer fossilen Pendants erfasst und ausgewertet. »Die Ergebnisse zeigen, dass die reFuels nennenswertes CO2-Einsparpotenzial besitzen«, sagt Dr. Andreas Patyk vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT.  Um die Treibhausgas-Reduktionspotenziale der auf Elektrolyse basierenden eFuels auszuschöpfen, muss der Strom allerdings zu 100 Prozent regenerativ erzeugt werden. Das für die Synthese notwendige CO2 kann aus der Luft abgeschieden werden oder aus Abgasströmen von beispielsweise Biogas- und Kläranlagen oder auch Zementwerken stammen. Für die Etablierung der Technologie sei es nötig, die PtX-Anlagen mit ausreichend hohen Volllaststundenzahl zu betreiben werden können«, so der Experte.

reFuels werden am KIT hergestellt

Am KIT wurden zunächst mittels unterschiedlicher Prozesse verschiedene Kraftstoffmischungen aus regenerativ synthetisierten Kraftstoffkomponenten (reFuels) und fossilen Kraftstoffen hergestellt. Diese Kraftstoffmischungen erfüllen bestehende Normen. Für Dieselkraftstoffe gilt die Norm EN590, für Ottokraftstoffe die EN228. Diese Kraftstoffmischungen sind drop-in-fähig, das heißt sie können in bestehenden Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. Damit geben sich die Forscher aber noch nicht zufrieden: Denn das Ziel der Entwicklung müssten eigenständige Kraftstoffe ganz ohne fossile Anteile sein.

Für die Herstellung von reFuels gibt es am KIT zwei Syntheseanlagen: In der Bioliq-Anlage auf dem Campus Nord des KIT wird beispielsweise Stroh verarbeitet, um synthetisches Benzin aus Biomasse der zweiten Generation, sogenannte advanced biofuels, zu produzieren. Anders als bei Biokraftstoffen der ersten Generation konkurriert die Synthese dieser fortschrittlichen Kraftstoffe aus Biomasse nicht mit dem Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln auf landwirtschaftlichen Flächen. Im benachbarten Energy Lab 2.0 des KIT entstehen eFuels aus der Elektrolyse von Wasser mithilfe von regenerativ gewonnenem Strom und CO2. Ziel ist vor allem Kerosin, daneben entstehen auch Diesel- sowie Benzinfraktionen. Das bei der Verbrennung von eFuels entstehende CO2 wird dadurch kompensiert, dass für ihre Herstellung CO2 aus der Umgebungsluft oder aus biogenen Quellen verwendet wird.

Projekt »reFuels – Kraftstoffe neu denken« im Detail

Das Projekt betrachtet seit Januar 2019 Herstellung und Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen ganzheitlich. Solche Kraftstoffe können bestehende Verbrennungsmotoren zukünftig antreiben – in Pkw, Nutz- und Schienenfahrzeugen sowie in Flugzeugen. Sechs Institute des KIT arbeiten gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus Energiewirtschaft, Mineralöl-, Automobil- und Zulieferindustrie unter dem Dach des Strategiedialogs Automobilwirtschaft des Landes Baden-Württemberg an der Bereitstellung und Einführung von reFuels.

Zwei Pilot- und weitere Technikumsanlagen des KIT lieferten regenerative Kraftstoffe, die aufbereitet, charakterisiert und in Versuchsmotoren getestet wurden. So konnten Syntheseverfahren für reFuels optimiert werden, um Rohemissionen zu reduzieren.

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