Schon 2015 könnte jeder dritte Deutsche ein Elektro-Bike fahren

E-Bike-Boom führt Batteriekonfektionäre an ihre Grenzen

28. Juli 2011, 11:08 Uhr | Engelbert Hopf
© ZIV

Bis zu 300.000 E-Bikes werden 2011 nach Einschätzung des Zweirad-Industrie-Verbands in Deutschland einen Käufer finden. Für die Batteriekonfektionäre bedeutet das Vollauslastung. Neben dem Power-Tool-Bereich könnte sich das E-Bike-Geschäft für sie mittelfristig zum wichtigsten Absatzmarkt in Deutschland entwickeln.

»Nicht nur für uns, sondern die gesamte Branche der Batteriekonfektionäre in Deutschland ist das eine Lawine, die wir nicht haben kommen sehen«, gibt Martin Donnert, Vertriebsbeauftragter des Batterien-Montage-Zentrums, zu. »Für uns hat sich da ein ganz neuer Markt eröffnet.« Beim BMZ ist man inzwischen bereits komplett ausgelastet und sucht branchenintern nach Möglichkeiten zum Outsourcing.

Doch geeignete Partner zu finden, dürfte nicht so einfach sein. Der E-Bike-Boom saugt Fertigungskapazitäten bei allen namhaften Batteriekonfektionären in Deutschland auf. »Wir fahren in den Produktionsstätten bereits Zwei- oder Dreischicht-Betrieb«, beschreibt Jan Hetzel, Technischer Vertrieb und Application Engineering bei REVA, die aktuelle Situation. »Der Pedelec-Boom macht sich beim Rundzellenbedarf bemerkbar, da geht es richtig zur Sache!«

Auch Batteriespezialisten, die neben der Batteriekonfektionierung auch gleich noch selbst in die E-Bike-Fertigung eingestiegen sind, melden volle Auftragsbücher. »Wir haben im Mai unsere Produktionshallen für die Batteriekonfektion und die E-Bike-Fertigung eröffnet«, gibt Thilo Hack, Bereichsleitung Vertrieb bei der Ansmann Division Industrielösungen, die aktuelle Situation wieder, »aber die Nachfrage ist höher als das, was wir liefern können«. Die Auftragsbücher für E-Bikes 2011 sind bei Ansmann voll, der Flaschenhals liegt ganz eindeutig in der Batteriekonfektionierung.

Dafür dass die Batteriekonfektionsbranche in Deutschland vom Pedelec-Boom überrascht wurde, gibt es verschiedene Erklärungen:
Da sind zum einen die sprunghaft gestiegenen Bedarfszahlen. Wurden 2007 in Deutschland noch 70.000 E-Bikes verkauft, waren es 2009 schon 150.000 Stück. Eindrucksvoll wird es, betrachtet man den Zeitraum von 2005 bis 2009: In diesen vier Jahren vervierfachte sich der jährliche Absatz in Deutschland.
Im Vorjahr wurden nach einer Steigerung um 33 Prozent erstmals rund 200.000 E-Bikes in Deutschland verkauft, für 2011 geht der Zweirad-Industrie-Verband ZIV von bis zu 300.000 Elektrofahrrädern aus, die einen Käufer finden. »Mittelfristig kann der Anteil der E-Bikes am Gesamtfahrradmarkt in Deutschland zwischen 10 und 15 Prozent liegen«, versichert Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des ZIV, »das entspricht einer Stückzahl von 400.000 bis 600.000 Fahrzeugen«.
Zusammen mit den Niederlanden bildet Deutschland den Leitmarkt des E-Bike-Booms in Europa. Die beiden Fahrradnationen sind mit einem Anteil von 50 Prozent die mit Abstand größten Märkte für E-Bikes in Europa. Bezogen auf Europa fiel das Plus im Vorjahr mit 40 Prozent sogar noch kräftiger aus als in Deutschland. Europaweit erhöhte sich der E-Bike-Absatz auf rund 500.000 Stück. Für 2011 rechnet der ZIV damit, dass mit 700.000 verkauften Fahrzeugen wieder ein neuer Rekordwert aufgestellt werden dürfte.

Dass sich die Situation bei den deutschen Batteriekonfektionären derzeit so zuspitzt, dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass zu Beginn des E-Bike-Booms der Importanteil sehr hoch war. »Wir erhalten jetzt Anfragen von Wunschkunden, die sich bisher auf Standardlösungen aus China verlassen haben«, beschreibt Hetzel den Wandel, »nun setzen diese Kunden verstärkt auf eigene Designs und Elektroniken«.
»Jeder Bike-Hersteller muss jetzt ein E-Bike auflegen, um weiter mitspielen zu können«, freut sich Donnert, »aber der Boom beschränkt sich ja nicht nur auf Fahrräder, er beinhaltet auch elektrisch betriebene Trial- und Straßenmaschinen«. Auch aus der Motorradbranche werden immer mehr Projekte bekannt. Besonders im Trial-Bereich sticht das Elektroargument - kann man damit doch auch ohne Lärmbelästigung am Sonntag durchs Trialgelände bolzen und so Ärger mit den Anwohnern vermeiden.

Doch Pedelec ist nicht gleich Pedelec. »Der Markt ist sehr unterschiedlich, es gibt einen Massenmarkt, es gibt Spezialfahrräder und zudem Discounter, die über verschiedene Schienen in den Markt drängen«, beschreibt Hack das Szenario. Jeder dieser Anbieter bedient ein anderes Kundensegment und damit, so Hack, »boomt der Markt für uns alle«. Wer dann noch wie Ansmann auch Umrüstsets anbietet, verdient am E-Bike-Boom auch noch bei der Aufrüstung älterer Fahrräder im After-Sales-Bereich.

Je nach Kapazität schlagen die konfektionierten Akku-Packs für die E-Bikes beim Endkunden über zwei Handelsstufen mit 300 bis 600 Euro zu Buche. Die Spannungen der Packs reichen von 24 bis 36 V, die Speicherkapazi-täten der zumeist Lithium-Ionen-basierten Batterypacks können bis zu 18 Ah betragen. »Es gibt natürlich weiterhin die Billiglösungen vom Discounter«, so Hack, »die kosten dann als Komplettfahrrad 400 Euro und sind mit einem 6-Ah-Akku-Pack ausgestattet«.

Dass sich E-Bikes inzwischen zu einem festen Bestandteil der innerstädtischen Mobilität entwickelt und heute bereits einen Anteil von 5 Prozent am deutschen Fahrradmarkt erreicht haben, hängt vor allem damit zusammen, dass E-Bikes inzwischen kein Produkt mehr ausschließlich für den Ü-50-Markt sind. Sie haben das Negativimage, eine Lösung nur für ältere oder kranke Mitbürger zu sein, abgelegt. Stattdessen haben sie sich im Zuge des E-Mobility-Trends zum nachhaltigen Wachstumstreiber nicht nur für die Fahrradbranche entwickelt.

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