Für eine optimale Energieeffizienz muss der gesamte Prozess analysiert werden

Alles hängt mit allem zusammen

15. Dezember 2009, 8:13 Uhr | Andreas Knoll

Zwei Drittel des Stroms, den die produzierenden und verarbeitenden Unternehmen hierzulande verbrauchen, entfallen auf Elektroantriebe. Um die Energieeffizienz von Maschinen und Anlagen zu erhöhen, genügt es aber nicht, nur die Antriebe als solche zu betrachten. Vielmehr sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Produktionsprozesses, auch unter mechatronischen Gesichtspunkten, viele weitere Faktoren zu berücksichtigen.

In der Klimapolitik hat sich die bisherige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2020 soll Deutschland demnach seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent, bezogen auf das Basisjahr 1990 reduzieren, wenn die EU-Staaten einer Reduzierung der europäischen Emissionen um 30 Prozent im gleichen Zeitraum zustimmen.

Erfüllen lässt sich diese Vorgabe nur, wenn es gelingt, die Energieeffizienz massiv zu erhöhen und dadurch den Energieverbrauch zu verringern. Für die Industrie sollte es aber kein Problem sein, einen angemessenen Beitrag zu leisten: Die entsprechenden Techniken und Methoden zur Steigerung der Energieeffizienz sind vorhanden und amortisieren sich meist innerhalb weniger Jahre oder gar Monate. Es hapert also letztlich nur an der Umsetzung.

Die technischen Maßnahmen, mit denen sich der Energieverbrauch elektrischer Antriebe reduzieren lässt, wurden in Ausgabe 38/2009 der Markt&Technik ausführlich erläutert. Im folgenden Beitrag nehmen Experten aus sieben Unternehmen dazu Stellung, wie ein ganzheitlicher Ansatz zur Optimierung der Energieeffizienz in der industriellen Produktion aussehen könnte und welche Aspekte er umfasst: Karlheinz Wirsching, Product Manager Systems bei Baumüller; Friedrich Müller, Leiter Management Center Technik bei Stöber Antriebstechnik; Klaus Frank, Leiter Strategie und Innovation bei Bosch Rexroth Electric Drives and Controls; Roman Mackert, Produkt-Manager für TCO-Lösungen bei SEW-Eurodrive; Dr. Edwin Kiel, Leiter Innovation von Lenze; Frank Wiedemann, Geschäftsführer von Nord Electronic Drivesystems, und Michael Burghardt, Produktmanager VLT Aqua Drive und VLT HVAC Drive bei Danfoss VLT Antriebstechnik.

Wenn es um energieeffiziente Produktion geht, werden oft nur die Elektroantriebe als solche betrachtet. Lässt sich die Energieeffizienz in diesem Fall wirklich nachhaltig verbessern?

Wirsching: Natürlich tragen die Antriebe wesentlich dazu bei, die Energieeffizienz von Maschinen und Anlagen zu steigern. Ein ganzheitliches Energieeffizienz- Konzept ist aber dennoch unbedingt nötig. Ein Beispiel: In der Druckindustrie sind in vielen Produktionsprozessen konstante Raumtemperaturen erforderlich. Zuständig dafür sind in der Regel große Klimaanlagen, die sich jedoch als wahre Energieverschwender entpuppen. Durch Wasserkühlung von Motoren und Elektronik lässt sich dagegen die Wärmeenergie direkt am Entstehungsort (Motor und Umrichter) erfassen und unter Umgehung des Umwegs (Entstehungsort-Luft-Klimaanlage-Außenluft) direkt aus der Produktionsstätte an die Außenluft abgeben. Dies ermöglicht eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz.

Müller: Die Antwort lautet: nein.

Frank: Nein. Erst die Mischung aus innovativen Techniken, intelligenter Steuerung und aufgabengerechtem Einsatz senkt den Verbrauch von Energie und Ressourcen spürbar.

Mackert: Wenn nur die Antriebe berücksichtigt werden, lässt sich in der Regel lediglich ein Bruchteil der möglichen Einsparpotenziale erschließen. Um das bestmögliche Resultat zu erzielen, muss der Schwerpunkt vielmehr auf dem Gesamtsystem und der sinnvollen Kombination effizienter Einzelkomponenten liegen. Ein breites Produktportfolio mit ausgereiften und energetisch optimierten Komponenten sowie eine kompetente Energieberatung rücken folglich, unter der Prämisse einer ganzheitlichen Betrachtung von Systemen und deren Energieverbrauch, immer stärker in den Fokus.

Kiel: Energieeffizienz in der Antriebstechnik lässt sich nur applikationsbezogen erreichen, also durch eine genaue Kenntnis der Anforderungen.

Wiedemann: Als Antriebstechnik-Hersteller konzentriert sich Getriebebau Nord natürlich zunächst auf die Optimierung von Antriebssystemen, was erhebliche Einsparpotenziale birgt. Für die optimale Integration der Antriebstechnik in Automatisierungsumgebungen sorgen unsere Vertriebsingenieure, die in enger Zusammenarbeit mit den Kunden maßgeschneiderte applikationsspezifische Lösungen erstellen.

Burghardt: Auch mit einer Konzentration nur auf die Antriebe lässt sich die Energieeffizienz nachhaltig verbessern. Allein auf die Komponenten der Antriebstechnik entfallen nämlich etwa 40 Prozent der maximal möglichen Einsparungen – was aber andererseits immer noch der kleinere Teil ist. Um aber eine Produktionsanlage oder einen Fertigungsprozess wirklich zur maximalen Energieeffizienz zu bringen, muss der Anwender den gesamten Prozess betrachten. Denn gerade auch in den Sekundärprozessen wie Druckluft oder Kältetechnik schlummert noch ein erhebliches Potenzial zur Einsparung wertvoller Ressourcen und Energie. Danfoss hat die Unternehmenseinheit Danfoss Solutions A/S gegründet, die sich darauf spezialisiert hat, die Energieeffizienz in Industriebetrieben vornehmlich der Nahrungsmittelund Getränkeindustrie, verstärkt aber auch anderer Branchen, durch umfangreiche Analysen zu optimieren und sogar Garantien für erzielbare Einsparungen zu geben. Danfoss Solutions hat festgestellt, dass gerade in den Sekundärprozessen erhebliche Potenziale verborgen sind. Zudem befinden sich auch in den Gebäuden selbst noch viele Energiefresser, die es systematisch zu bekämpfen gilt.

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