»Ökopaxe mit Defiziten in Mathematik«

Lesermeinungen: Strompreise müssen nicht steigen

5. Oktober 2010, 11:49 Uhr | Heinz Arnold

Im Editorial des Energie&Technik-Newsletter von letzter Woche hatten wir von steigenden Stromkosten wegen erneuerbarer Energien und Ausbaus des Smart Grid gesprochen und gefragt, ob die Argumente stichhaltig seien. Daraufhin erhielten wir zahlreiche, teils sehr ausführliche Antworten. Im folgenden finden Sie eine Auswahl.

Herbert Sax
Herbert Sax

»Ökopaxe mit Defiziten in Mathematik«
 
Dass der Strom aus erneuerbaren Energien teurer wird, ist ein Problem das sich die Grünen und die SPD während der Rot-Grünen Koalition selbst geschaffen haben. Wenn wir einmal vergleichen wie hoch die Einspeisevergütung pro Kilowatt-Stunde erzeugter Energie bei Solarstrom, Windstrom und Biogas-Verstromung ist, stellt man sofort fest, dass die Solarsubventionen, obwohl sie den geringsten kWh-Beitrag zum Ökostrom leisten, pro Jahr uns derzeit etwas 15 Milliarden kosten und auch in der jetzigen Ausbaustufe, in der wir Weltmeister sind, nicht mehr als 1 Prozent Elektroenergie beisteuern. Die Bilanz bei Wind und Biogas-Strom sieht hingegen deutlich besser aus. Bei dem jetzigen Ausbautempo der Solarenergie wird die finanzielle Belastung eines Durchschnittshaushaltes mit 3000 bis 4000 kWh Jahresverbrauch von derzeit bereits 80 Euro pro Haushalt, in zwei Jahren auf 150 € anwachsen. Der Solarstromanteil am Gesamtenergieverbrauch wird dann aber nicht größer als 2 Prozent sein. Die Solar-Subventionen werden aber in der Jahres-Summe auf etwa 25 Milliarden ansteigen. D.h. sie sind der Preistreiber Nummer 1. Sie fressen damit den Löwenanteil der Gelder zum Umbau unserer Stromerzeugung auf erneuerbare Quellen, ohne dass wir bei der Energieerzeugung signifikant vorankommen. Letztlich ist dieses Faktum auch die Ursache, dass die ungeliebten Atomkraftwerke nach Regierungsbeschluss länger laufen müssen, wenn wir auch in Zukunft eine sichere Stromversorgung garantieren wollen.

Das Argument dass die Weiterentwicklung der Solarzellen die Stromausbeute erhöhen wird und die Produktionskosten sinken, ist zwar im Kern richtig, aber wir sind technologisch vom Strom-Erzeugerpreis von 6 Cent pro kWh immer noch so weit entfernt, dass nicht zu erwarten ist, dass Solarstrom absehbar günstiger wird als die Kosten von Wind oder Biogas-Verstromung.
 
Zur Zeit wollen alle auf Ökostrom umsteuern um zu den Gutmenschen zu gehören. Die Bürger kennen aber nur den Strompreis den sie derzeit zahlen und der liegt zwischen 20 und 25 Cent/kWh. Er liegt bereits 30 Prozent über dem unseres Nachbarn Frankreich und ist nach Italien der Zweithöchste Strompreis in Europa. Die Toleranzgrenze für die Bürger ist daher nicht mehr weit entfernt. Ist die Schmerzgrenze erreicht, wird den Ökopaxen in unserem Lande mit Defiziten in Mathematik, die die falschen Prioritäten bei den Zwangssubventionen mit zu verantworten haben, ein eiskalter Wind um die Nase wehen. Neben den Protesten der Bürger werden nach und nach alle energieintensiven Industrien wie Stahl, Eisen, Aluminiumerzeugung usw. das Land verlassen und sich neue, preiswertere Stromversorger in anderen Ländern suchen. Es könnten dabei mehr Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen als wir mit den erneuerbaren Energien unzweifelhaft geschaffen haben.
 
Aber so weit muss es ja nicht kommen wenn die Politik rechtzeitig eine Korrektur einleitet. D.h. aus meiner Sicht sind folgende Aktionen notwendig:
 

  • Eine drastische Rückführung der Solarsubventionen für alle Neuanlagen ab 2011.
  • Umleitung der freiwerdenden Subventionsgelder in den Ausbau von Offshore Windparks und Beseitigung rechtlicher Hindernisse, die zeitverzögernd wirken.
  • Modernisierung bestehender Windanlagen an Land zur Erhöhung der Energieausbeute.
  • Beseitigung überzogener gesetzlicher Hemmschwellen bei Fließwässern zum Ausbau und zur Neuerrichtung von Wasserkraft-Kleinanlagen die 24 Stunden am Tag Strom liefern können.
  • Vereinfachung und drastische Beschleunigung von Genehmigungen für neue, leistungsfähige Stromtrassen, vorzugsweise entlang von Autobahnen oder Bahntrassen.
  • Aufbau eines Nord-Süd orientierten Verteiler-Netzes in HGÜ-Technologie. 
  • Ausbau und Neubau von Pumpspeicherwerken, soweit möglich in Deutschland aber vorzugsweise in Norwegen.
  • Fernbeeinflussung von industriellen und privaten Stromverbrauchern, deren Betriebszeitraum flexibel gestaltet werden kann.

 
Für all das ist eigentlich genug Geld vorhanden. Wir haben seit dem Jahre 2000 bereits kumulativ über die EEG-Subventionen 85 Milliarden ausgegeben, aber 10 Jahre die falschen Prioritäten gesetzt und deshalb zu wenig Gegenwert in Elektroenergie erhalten. Wenn wir jetzt wo es langsam eng wird ohne massive Korrekturen so weitermachen, wird der Ökostrom in spätestens 5 Jahren seine Akzeptanz in der Bevölkerung verlieren. Dies kann niemand wollen und am Wenigsten die Grünen. Besonders die Grünen in unserem Lande, denen wir viel Gutes verdanken müssen lernen, dass sie nicht immer automatisch im Recht sind und alle anderen wie Bundesregierung, Stromkonzerne, Energie-Ingenieure, Unrecht haben. Einmal auch offen zugeben wenn man sich geirrt hat, wäre für alle Beteiligten ein Weg in eine bessere Zukunft, um Strom ökologisch aber auch für alle bezahlbar zu erzeugen.
 
Herbert Sax              


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