Partnerschaft mit Accenture für intelligente Stromnetze

Siemens geht in die Smart-Grid-Offensive

18. Oktober 2012, 8:38 Uhr | Heinz Arnold
Thomas Zimmermann, Siemens: »Smart Grid ist nicht mehr nur ein Modewort, es ist ein echtes Geschäft geworden«
© Siemens

Das Smart Grid kommt - und Siemens will davon als führender Anbieter von Automatisierungssystemen für Stromnetze profitieren. Um dafür ein komplettes End-to-End-Portfolio anbieten zu können, hat das Unternehmen kürzlich die amerikanische eMeter übernommen und ist auch weiteren Partnerschaften gegenüber offen: Derzeit gehören IBM, Teradata und Atos, seit neustem auch Accenture dazu.

»Smart Grid ist nicht mehr nur ein Modewort, es ist ein echtes Geschäft geworden«, sagt Thomas Zimmermann, CEO der Business Unit Services in der Siemens-Division Smart Grid. Allerdings mehr in den USA als hier zu Lande: »Demand Response, Lastverschiebungen, virtuelle Kraftwerke, in den USA gibt es dies bereits in der Realität.« In Europa befinden wir uns nach den Worten von Zimmermann in der Phase der Pilotprojekte und Proofs of Concept.

Aber auch hier zu Lande, da ist er sich sicher, sind wir von realen Geschäften nicht mehr weit entfernt. »Wir befinden uns ungefähr auf dem Entwicklungsstand des Internet Anfang der 90er Jahre. Das lässt erahnen, welches Potenzial noch in diesem Markt steckt«, so Zimmermann. Das sehen auch Marktforscher so. So prognostiziert Frost & Sullivan, dass der Smart-Grid-Markt bis 2017 auf 100 Mrd. Dollar steigen wird - gegenüber heute wäre das eine Verdreifachung.

Für die Netzbetreiber hier zu Lande besteht die Herausforderung vor allem darin, die fluktuierenden Erneuerbaren Energiequellen einzubinden, die in die Nieder- und Mittelspannungsnetze einspeisen. Obwohl die Betreiber heute meist gar nicht wissen, was in den Niederspannungsnetzen vor sich geht, müssen sie sie stabil halten.

»Mit unserer langen Erfahrung sowohl in der Energieverteilung als auch in der IT können wir ihnen dabei helfen, mehr Transparenz zu erhalten«, sagt Zimmermann. Vieles muss jetzt parallel geschehen, um aus dem bestehenden Netz ein Smart Grid zu machen: Neue Techniken halten in die Energieübertragungs- und -verteilnetze Einzug, neue Speichertechniken entwickeln sich. Gleichzeitig erhöht sich die Zahl der Einspeiser aus dezentralen Quellen wie Photovoltaik-, Wind- und Blockheizkraftwerken. Der bisher passive Stromabnehmer wandelt sich zum „Prosumer“, der Energie nicht nur konsumiert, sondern auch erzeugt.

Um unter diesen sich ständig wandelten Bedingungen das Netz stabil zu halten, müssen Informationen vor allem auf der Nieder- und Mittelspannungsebene gesammelt werden. Die Information Communication Technology (ICT) wird dabei künftig eine größere Rolle spielen.

Für Siemens geht es dabei darum, die bestehende Netzautomatisierung und -Steuerung - wozu die SCADA Power Spectrum Platform gehört - mit der neuen Grid Application Platform zu verbinden. Aus diesem Grund hat das Unternehmen vor einem halben Jahr die amerikanische Firma eMeter gekauft. Das Unternehmen gehört mit der Energy Information Platform (EnergyIP) zu den weltweit führenden Anbietern von Zählerdatenmanagement-Software, die beim Erfassen und Verarbeiten von Energieverbrauchsdaten sowie Daten von intelligenten Gas- und Wasserzählern eingesetzt wird.

»eMeter ist unser Kompetenzzentrum, um Systeme zu entwickeln, die es erlauben, die Daten im Netz über intelligente Zähler zu erfassen und weiter zu verarbeiten. Das System wird weit mehr können, als nur Abrechnungen erstellen. Darüber hinaus gilt es, weitere Applikationen wie beispielsweise virtuelle Kraftwerke zu realisieren«, sagt Zimmermann. »Dabei kommt es künftig darauf an, die neue Grid Application Platform mit der Grid Control Platform über ein Datenmodell zu verbinden. Indem wir so beide Welten zusammenbringen, können die Anwender neue Geschäftsmodelle entwickeln.« Ein Beispiel dafür wären Outage-Management-Funktionen.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, die riesigen Datenmengen, die die Zähler generieren, zu verarbeiten und zu analysieren. Big Data heißt hier das Schlagwort. Die Analytics-Foundation-Software von eMeter kann beispielsweise Zählerzustands- und Verbrauchsdaten aus unterschiedlichen Quellen sammeln und in einem einheitlichen Format zur Verfügung stellen. Künftig werden diese Applikationen von Siemens dann auch auf Big-Data-Plattformen von IBM und Teradata weiterverabeitet werden können und somit weitere Analysemöglichkeiten bieten können.

Außerdem gehören zu dem Partnernetzwerk Systemintegratoren wie Accenture, IBM, Atos aber auch Siemens selbst. »Wir setzen darauf, unsere Energie-Expertise mit den Best-of-Class-Anbietern aus der Systemintegration und der Informationstechnologie zu kombinieren. Wir glauben an Partner-Ökosysteme, durch die wir unsere Aktivitäten besser vorantreiben können als alleine«, erklärt Zimmermann.

Neu als Partner ist jetzt Accenture hinzugekommen: Künftig arbeiten Siemens und Accenture zusammen, um Advanced-Metering-Infrastructure-und Meter-Data-Management-Systeme aufzubauen. Dies soll es Energieversorgern ermöglichen, mehr Informationen über die Aktivitäten in ihren Netzen zu erhalten. Damit lässt sich die Effizienz des Betriebs erhöhen und Energieversorger können beispielsweise schneller auf Ausfälle reagieren. Durch auf die Anlagen maßgeschneiderte Wartungszyklen lassen sich darüber hinaus nicht nur Kosten sparen, sondern auch der Lebenszyklus von Assets kann verlängert werden.

Accenture Smart Grid Services (ASGS) bringt Beratungs- und Systemintegrationsdienstleistungen für Smart-Meter-Systeme und Analysefähigkeiten ein. Siemens erhält über die Zusammenarbeit einen breiteren Marktzugang für seine eMeter-EnergyIP-Plattform, Analytics Foundation und weitere zugehörige Dienstleistungen.

Und was haben die Netzbetreiber davon? Dazu gibt Zimmermann ein kleines Beispiel: Auf Basis der zusätzlichen Daten und Informationen können die Betreiber ihre Netze weiter optimieren. So lässt sich beispielsweise ermitteln, ob Überlastzustände herrschen und eine Komponente auszufallen droht. Das spart Kosten und verhindert größere Folgeschäden.

Ein weiteres Beispiel: Kleine, dezentrale Erzeugungsanalgen wie Mini-BHKWs lassen sich über IT zu größeren virtuellen Kraftwerken zusammenschalten. Dieses virtuelle Kraftwerk produziert dann mehr als die erforderliche Mindestenergie, so dass es zum Handel an den Strombörsen zugelassen wird. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich die Stromerzeugung besser planen lässt und die Betriebskosten pro Anlage sinken. »Wir schlagen also eine Brücke aus unserer Position des Marktführers in der Netzautomatisierung in die Welt der IT-Applikationen«, erklärt Zimmermann. Als nächsten Schritt plant Siemens zusammen mit Accenture Cloud-basierte Modelle für das Smart Metering zu entwickeln. 

Das Schöne für Siemens: Das Smart Grid bietet noch viele weitere Möglichkeiten, wie etwa Netzverluste zu erkennen und Preise zu planen. »In Analogie zum Internet prognostiziere ich, dass wir künftig in den Energienetzen Funktionen ansiedeln werden, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können«, so Zimmermann. 


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Accenture Services GmbH

Weitere Artikel zu Siemens AG Erlangen