Integrationsplattformen vereinigen Kundenbeziehungen und Stromverteilung

Transparenz für neue Geschäftsmodelle

1. Juni 2010, 11:17 Uhr | Heinz Arnold

»Wir sehen uns in der Rolle des Integrators, wir wollen sicherstellen, dass das System Smart-Grid-durchgängig funktioniert«, sagt Dr. Pierre Joeris, Managing Consultant Energy & Utilities von IBM Global Business Services.

Die Herausforderung besteht darin, dass die Geschäftsanwendungen auf die vielen Datenquellen des Smart Grid – es gibt ja weit mehr als Zähler- und Messdaten – über die gesamte Kette zugreifen können. Ein Zähler, der die aktuellen Preise anzeigen soll, muss den Zugriff bis hinein ins Billing-System haben. »Das ist mehr als Smart Metering, weil es nicht nur darum geht zu messen, sondern auch zu steuern und zu regeln«, sagt Joeris. Mit der Einspeisung aus Windkraftwerken, PV-Anlagen und kleinen Blockheizkraftwerken – wie kürzlich in der Kooperation zwischen VW und Lichtblick angekündigt – muss auch das Niederspannungsnetz künftig überwacht werden, was bisher nicht geschieht. Um die Lastflüsse effizient steuern zu können, müssen sie im Detail bekannt sein. Weitere spannende Fragen sind, wie die Verbraucher dazu zu bewegen sind, ihre Geräte nicht gerade zu den Spitzenzeiten einzustellen, und wie man die erzeugte Energie speichern und abrufen kann.

Dazu ein Beispiel: Ein Kühlhaus könnte als Energiespeicher dienen. Es ließe sich beispielsweise zu einer Zeit, in der der Strom billig zur Verfügung steht, auf ein etwas niedrigere Temperatur herabkühlen, später könnte man den Strom für eine gewisse Zeit ganz abschalten. Dazu wären aber unter anderem auch Daten über die Beladung des Kühlhauses erforderlich. Das zeigt, wie komplex die Steuerung und Regelung in einem Smart Grid werden kann. Denn es gibt sehr viele heterogene Datenquellen. Und weil das ganze natürlich noch wirtschaftlich sein muss, kommt man um eine automatische Steuerung nicht herum. »Die Trafos geben Informationen, die Wechselrichter geben Informationen, der lokale Verbrauch in den Häusern wird gemessen, wir sammeln ja bereits viele Daten. Es kommt nun darauf an, sie sinnvoll zusammenzufassen «, erklärt Joeris.

Dazu will IBM die Integrationsplattform schaffen. Die Stromverteilung war bisher von den Kundenbeziehungen und dem Stromhandel getrennt, beides muss nun in Echtzeit gekoppelt werden. Joeris: »Diese Kopplung übernehmen wir.« In Pilotprojekten, wie dem in Mannheim, erprobt IBM in Zusammenarbeit mit den anderen Partnern – von Equipment- Lieferanten wie Cisco bis zu den Zählerherstellern – die Plattform und untersucht die Geschäftsmodelle, die sich auf Basis der Plattform implementieren lassen. Laut Joeris hat Europa hier einen gewissen Vorsprung herausgearbeitet: »Die Projekte sind größer als etwa in den USA, auch innerhalb von IBM haben wir hier eine Vorreiterrolle.« Allerdings steigen nun auch die Amerikaner sehr massiv in diese Technik ein, nicht zuletzt deshalb, weil die Regierung als Teil des Konjunkturprogramms rund 4 Mrd. Dollar in den Ausbau des Smart Grid fließen lässt . »Wir müssen hier weiter sehr zügig daran arbeiten, um unseren Vorsprung zu halten«, erklärt Joeris.

Hat IBM aus der Erfahrung in den Pilotprojekten gewisse Vorlieben für bestimmte Datenübertragungsverfahren von den Zählern zu den EVUs entwickelt? »Es gibt nicht die eine Technik, die unter allen Bedingungen optimal arbeitet, es ist wichtig, von Fall zu Fall zu entscheiden«, antwortet Joeris.

Geht es darum, nur Daten in relativ großen Zeitabständen, etwa Tagen oder Wochen, abzufragen, dann sind schmalbandige Systeme ausreichend. Soll geregelt werden, geht das am besten über breitbandige Systeme.

Breitbandig kann sowohl über Funk als auch über Powerline-Kommunikation übertragen werden. Wenn die Bevölkerungsdichte hoch und die Übertragungsstrecken relativ kurz sind, sieht Joeris Vorteile für die breitbandige Powerline-Kommunikation. Sind die Kunden in ländlichen Gegenden über größere Flächen verstreut, könnte die Funkübertragung ihre Stärke ausspielen. In der Funkübertragung sieht er hierzulande den wireless MBus in einer guten Position, in den USA ZigBee, insbesondere weil in den USA mit höherer Leistung gesendet werden darf als in Europa.

Was für die Energieversorger bzw. Netzbetreiber wichtig ist: Sie wollen sich wohl nicht von einem einzigen Zählerhersteller abhängig machen. Bei jedem Anbieterwechsel auch den Zähler wechseln zu müssen, käme zu teuer. Und aus Kostengründen ist auch er der Meinung, dass Zähler und Gateways getrennt werden sollten: »Offene Standards sind letztendlich immer von Vorteil.«


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