Nachgefragt

»Was die Energiewende wirklich kostet«

27. November 2013, 15:05 Uhr | Hagen Lang
Sie wünscht sich neue Quantifizierungsmodi zur Bestimmung der Energiewendekosten: Studien-Autorin Swantje Küchler
© Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft untersuchte im Auftrag von Greenpeace Energy die Nettokosten des Ausbaus erneuerbarer Energien (EE) im Vergleich zur konventionellen Stromerzeugung. Wir fragen die Autorin Swantje Küchler »Was die Energiewende wirklich kostet«.

Energie&Technik: Frau Küchler, Sie haben sich die Aufgabe gestellt, die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu quantifizieren. Was haben Sie herausgefunden?

Swantje Küchler: Wir haben herausgefunden, dass die Indikatoren zur Bezifferung der Kosten für erneuerbare Energien, die in der Strompreisdebatte genannt werden, teilweise ungeeignet sind. Teilweise sind die Kosten auch noch nicht bezifferbar. Andererseits unterschlägt man die externen Umweltkosten bei den konventionellen Energien. Diese haben wir in die Berechnungen einbezogen.

Warum sind die Indikatoren ungeeignet oder unbestimmt?

Die oft als Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien genannte EEG-Umlage resultiert nicht allein aus deren Ausbau. Sie ergibt sich aus der Differenz zwischen der garantierten Einspeisevergütung für Ökostrom und dem Börsenstrompreis. Gleichzeitig sinkt der Börsenstrompreis mit steigenden Anteilen an erneuerbarem Strom - und lässt so die EEG-Umlage paradoxerweise ansteigen. Zusätzlich sind weitere Kostenfaktoren enthalten wie Marktprämie, Liquiditätsreserve oder Vergünstigungen für einzelne Verbraucher. Diese Summe, 2013 etwa 20 Milliarden Euro, ist also allein durch die spezielle Konstruktion des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) bedingt. Deshalb sollte man sie nicht als »Ausbaukosten«, sondern als »bilanziellen Kostenfaktor« interpretieren.

Umweltkosten der Stromerzeugung in Deutschland (in Euro-Cent 2010 / kWh)
Umweltkosten der Stromerzeugung in Deutschland (in Euro-Cent 2010 / kWh)
© Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft nach Umweltbundesamt 2012, Fraunhofer ISI 2012, und FÖS 2012

Falsch ist es auch, die Gesamtkosten des EE-Ausbaus einfach isoliert in den Raum zu stellen, wie das häufig geschieht. Wenn wir die Kosten der Stromerzeugung durch EE bestimmen wollen, müssen wir die Mehrkosten gegenüber einer nuklear-fossilen Stromerzeugung betrachten. Diesen Unterschied bezeichnen wir als »systemanalytische Differenzkosten«. Für eine umfassende Bilanz müssen zusätzlich die Kosten einbezogen werden, die bisher im Strompreis nicht enthalten sind: die Umwelt- und Risikokosten der konventionellen Stromerzeugung, die durch erneuerbare Energien vermieden werden.

Berücksichtigt werden müssten außerdem Kosten für die Integration der erneuerbaren Energien in die Energieinfrastruktur. Die Volatilität der EE bedingt Kosten für die Netze, Reservekapazitäten und Speicherung. Es gibt einige Studien, die zu diesen Kosten Angaben machen, allerdings keine wirklich umfassenden Gesamtszenarien. Hier besteht noch großer Forschungsbedarf. Es ist oft gar nicht leicht zu differenzieren, welche Kosten, etwa des Netzausbaus, ausschließlich dem Ausbau der erneuerbaren Energien zuzuordnen sind oder einer allgemein nötigen Netzertüchtigung.

Zusammengenommen: Korrekt wäre es zur Ermittlung der Nettokosten der Stromerzeugung, wenn man die systemanalytischen Differenzkosten und die Integrationskosten addiert und von ihnen die vermiedenen externen Umweltkosten abzieht.

Der Mangel an analytischer Präzision in der Debatte war Anlass für Ihre Studie?

Ja. Die Art, wie heute die Kosten der Energiewende oftmals beziffert werden, ist nicht haltbar. Der Umweltminister nannte vor einiger Zeit eine Summe von einer Billion Euro für die EE, hat aber die Nutzenwirkungen nicht abgezogen und zudem nicht berücksichtigt, dass die EEG-Umlage ja noch ganz andere Kostenfaktoren beinhaltet. Das war für uns Anlass darzustellen, was aus unserer Sicht der angemessene Kostenbegriff für den Ausbau der Erneuerbaren ist.

Als geeignete Größe haben wir, wie gesagt, die »systemanalytischen Differenzkosten« identifiziert. Dieser Begriff bezeichnet nichts anderes als den Unterschied zwischen den Erzeugungskosten für konventionelle Energien und den Erzeugungskosten für erneuerbare Energien. Aus verschiedenen Variablen errechnen sich diese sogenannten Stromgestehungskosten, die, in Cent pro Kilowattstunde ausgedrückt, verglichen werden.

Weiter muss man beachten, dass in den Stromgestehungskosten nicht unbedingt alle Kosten enthalten sind, die der Gesellschaft durch die Stromerzeugung entstehen. Wenn man die positiven Effekte der Energiewende einpreisen will, muss man mit einbeziehen, welche Kosten etwa durch CO2-Emissionen entstehen.

Letzteres haben Sie in Ihren Kosten berücksichtigt?

Ja. Wir haben die Zahlen verwendet, die in der Studie »Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland« von den Forschungsinstituten für das Bundesumweltministerium berechnet wurden. Die Szenarien sind kürzlich vom Hauptautor Dr. Joachim Nitsch noch einmal aktualisiert worden. Die Autoren beziffern die externen Umweltkosten der konventionellen Energien mit 80 Euro pro Tonne emittiertem CO2 2030 und mit bis zu 100 Euro pro Tonne CO2 2050. Diese Zahlen sind in die Berechnung der künftigen Stromgestehungskosten eingeflossen. Während die mittleren Stromgestehungskosten des Anlagenbestandes und der Neuanlagen von EE sowie von Windanlagen bis 2050 voraussichtlich auf Preise zwischen 6 und 7 Cent pro kWh sinken, verharrt der Preis pro kWh aus konventionellen Energien bei knapp 12 Cent / kWh.

Insgesamt sehen wir, dass landesweit der Nettonutzen der ab 2013 neu zugebauten EE-Anlagen bis 2030 um 54 Milliarden Euro über dem konventioneller Stromerzeugungsanlagen liegen wird. Bis 2040 wird dieser Vorteil auf 210 Milliarden Euro und bis 2050 bis auf 522 Milliarden Euro wachsen.

Wenn Sie sich im Sinne einer besseren Gestaltung der Energiewende für diese Legislaturperiode etwas wünschen dürften, was wäre das?

Es sollte für den Emissionshandel und die Frage, wie wir die CO2-Kosten wieder im Strompreis abbilden, dringend eine Lösung gefunden werden. Da ist im Moment überhaupt kein Preissignal da. Das führt auch dazu, dass Gaskraftwerke sich im Moment überhaupt nicht gegenüber Kohlekraftwerken rechnen. Hier würde ich mir mehr Aktivität der Bundesregierung für Reformen auf europäischer Ebene wünschen.

Über die Ausnahmen für Großstromkunden bei den Strompreisen sollte man auch einmal neu nachdenken, in der Kommunikation sind diese den Normalbürgern kaum vermittelbar. Für die Akzeptanz ist es wichtig, dass die Bürger in den Prozess der Energiewende mit einbezogen werden, nicht nur bei der generellen Zielrichtung der Energiepolitik, sondern auch bei Standortfragen. Diese Idee von Altmaier: »Lasst uns doch die Leute finanziell an den Gewinnen beteiligen, wenn wir Netzausbau machen«, finde ich eigentlich gar nicht so schlecht, auch wenn das in der Umsetzung schwierig ist. Bei Windparks funktioniert die Bürgerbeteiligung ja schon ganz gut.

Bislang hat sich die Politik primär mit dem Strombereich beschäftigt. Die Baustellen im Wärme- und Verkehrsbereich sind aber, was den Energieverbrauch angeht, mindestens genauso groß wie im Strombereich, darauf sollte die Politik in Zukunft ihr Augenmerk legen.


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