Perowskit-Si-Tandemsolarzellen

30%-Schallmauer durchbrochen

7. Juli 2022, 8:04 Uhr | Heinz Arnold
Rasterelektronenmikroskopbilder der beiden von EPFL und CSEM entwickelten Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen-Varianten.
© D. Türkay (EPFL), C. Wolff (EPFL), F. Sahli (CSEM), Q. Jeangros (CSEM)

Die neusten vom EPLF und CSEM entwickelten Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen haben einen - bereits zertifizierten - Rekord-Wirkungsgrad von 30 Prozent erreicht.

Der vorherige Wirkungsgradrekord von Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen war 2021 von einem Team des Helmholtz Zentrums Berlin aufgestellt worden und lag bei 29,8 Prozent.

Den Wissenschaftlern in Neuchâtel ist es gelungen, den Wirkungsgrad von zwei verschiedenen Perowskit-Silizium-Tandems zu steigern. Im ersten Verfahren passten Sie die Materialien und Herstellungstechniken so an, dass sich Perowskit-Schichten in hoher Qualität aus einer Lösung auf einer planarisierten Siliziumoberfläche anlagern können, womit bei einer Solarzelle von 1 cm² eine Energieausbeute von 30,93 Prozent erreicht wird. Im zweiten Verfahren arbeiteten sie an einer neuen Version einer so genannten hybriden Technik die Verdampfungs- und Lösungsmittelverfahren kombiniert und auch auf texturierten Siliziumoberflächen funktioniert, und entwickelten so eine Solarzelle, deren Energieausbeute 31,25 Prozent beträgt (wieder auf 1 cm²). Mit diesen Ergebnissen wurden zwei neue Weltrekorde aufgestellt: eine für glatte und eine für texturierte Solarzellenarchitektur. Der zweite Ansatz liefert mehr Strom und ist mit der Struktur gängiger industrieller Siliziumsolarzellen kompatibel. Die neuen Rekorde von EPFL und CSEM wurden durch das unabhängige National Renewable Energy Laboratory (NREL) in den USA zertifiziert.

Die Steigerung der Energieumwandlungseffizienz von Solarzellen ist aus zwei Gründen wichtig: Langfristig ist dies die effektivste Methode zur Senkung der Stromentstehungskosten. Kurzfristig ist es die beste Möglichkeit zur Förderung von Photovoltaikanwendungen für kleine Flächen wie Dächer, Fassaden, Fahrzeuge oder auch Drohnen.

Grundsätzlich sind alle Solarzellen durch die Eigenschaften der verwendeten Materialien limitiert, was wiederum den möglichen Wirkungsgrad begrenzt. Am weitesten verbreitet sind heute Solartechnologien mit Silizium, ein Material, das trotz seines Erfolges theoretisch einen maximalen Wirkungsgrad von rund 29 Prozent erreicht. Übliche Wirkungsgrade dieser Technologie liegen knapp unter 27 Prozent, womit nur eine sehr kleine Spanne für künftige Effizienzsteigerungen bleibt.

Im Wettstreit um immer höhere Wirkungsgrade haben Wissenschaftler der Siliziumzelle eine (oder mehrere) Solarzelle(n) hinzugefügt und Tandem-Solarzellen entwickelt. Das energieintensivere sichtbare Licht der Sonne wird von der oberen Zelle aufgenommen, während das energieärmere Infrarotlicht von der Siliziumzelle auf der Rückseite des Tandems absorbiert wird. Halogenidperowskite haben sich als ideale Ergänzung für Silizium herausgestellt, weil sie sichtbares Licht effizienter in elektrische Energie umwandeln können als Silizium alleine, und dies ohne übermäßige Steigerung der Produktionskosten.

»Wir haben eine psychologische Hürde genommen«, so Christophe Ballif, Direktor des Photovoltaik-Labors der EPFL und des CSEM-Zentrums für nachhaltige Energie. »Die Wirkungsgrad-Marke von 30 Prozent wurde bereits mit anderen Materialien erreicht, speziell mit III-V-Halbleitern, allerdings waren hier die Materialien und Verfahren zu kostenintensiv, um die Energiewende zu unterstützen: Diese Elemente sind tausendmal teurer als Silizium-Solarzellen. Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass die 30-Prozent-Schallmauer auch mit kostengünstigen Materialien und Verfahren durchbrochen werden kann, wodurch sich neue Zukunftsperspektiven für Photovoltaik ergeben.« 

»Auf die hervorragenden Wirkungsgrade muss nun weitere Forschung und Entwicklung aufbauen, die eine Skalierung auf grössere Flächen erlaubt und zudem gewährleistet, dass die neuen Zellen über eine normale Lebensdauer hinweg eine stabile Energieausbeute auf unseren Dächern und anderswo erbringen können«, sagt Quentin Jeangros von CSEM. »Tandem-Perowskit-Silizium-Technologien traute man einen Wirkungsgrad von über 30 Prozent zu, doch nun wurde dieses lange vermutete Potenzial erstmals unter Beweis gestellt. Ich hoffe, dass dies den Weg für noch kostengünstigere nachhaltige Stromproduktion ebnet«, erklärt Christian Wolff von der EPFL.


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