Europa muss Blockadehaltung aufgeben

DESERTEC: Energieprojekte für Jobs und Perspektiven

26. Mai 2015, 12:10 Uhr | Heinz Arnold
DESERTEC-Vorstand Andreas Huber gibt Auskunft über die Perspektiven der neu aufgestellten Vereinigung.
© Peter Eichelmann

Die DESERTEC Foundation hat Roland Berger als Kuratoriumsvorsitzenden gewonnen und befindet sich nun mitten der Umsetzungsphase, wie Vorstand Andreas Huber im Interview mit Energie & Technik erklärt: »Wir müssen die Mittelmeerregion energiepolitisch als Zentrum statt als Grenze zu begreifen.«

Energie & Technik: Wie sieht der Status von DESERTEC in Nordafrika aus?
 
Andreas Huber: DESERTEC ist mitten in der Umsetzungsphase. Die Vision – wofür das rote Quadrat steht - hat viele Menschen weltweit inspiriert. Bildlich gesprochen hat sich das rote Quadrat in viele kleine Teile in der Welt aufgeteilt. Allein in der Region Nordafrika und dem Nahen Osten sind 70 Projekte in der Umsetzung. Eines davon war erst kürzlich prominent in der FAZ und anderen Medien. Marokko will gerne Strom an Europa verkaufen, statt wie vor kurzem noch 99 Prozent seiner Energie zu importieren und das Kraftwerk schuf eine Menge Jobs für die lokale Bevölkerung. Genau das ist die Vision von DESERTEC: Energieprojekte, die nicht nur Energie liefern werden sondern Jobs und Perspektiven. Und es ist egal, wer das umsetzt. Die DESERTEC Foundation versucht dafür Bewusstsein zu schaffen und inspiriert Menschen in die Umsetzung zu kommen.
 
Was ist der Status von TuNUR in Tunesien?
 
Der Kraftwerksbau in Ouarzazate könnte als Vorbild dienen. Wie Germanwatch erst kürzlich bestätigte wurde die lokale Bevölkerung dort sehr stark einbezogen und die Menschen profitieren von einem Energieprojekt. Dieses Potential und Ziel hat auch TuNur. Ziel ist durch starke Einbeziehung lokaler Unternehmen und Know-How Transfer Arbeitsplätze zu schaffen und gleichzeitig mit Energieexport der jungen Demokratie zu Einnahmen zu verhelfen. Nach Auskunft des Unternehmens wird das Projekt Strom für den lokalen Markt und für bis zu 2,5 Millionen Europäer liefern können. Es sind mögliche Leitungswege für den Transport nach Europa in Diskussion und das Unternehmen sucht jetzt Abnehmer des Stroms hier in Europa. Wie unser Aufsichtsrat Jonathan Walters, der früher Regionaldirekter bei der Weltbank war, sagte: Europa, lass die Sonne herein.
 
Anfänglich herrsche in der deutschen Industrie große Euphorie zu Desertec, die sich dann allerdings legte: Viele bei Dii mitmachten, sind abgesprungen. Sehen Sie, dass sich die Industrie wieder neu für DESERTEC interessiert?
 
DESERTEC ist ein langer Prozess der Realisierung. Wir haben jetzt eine neue Phase erreicht in der wir die Vision konkret in Form von Kraftwerken implementieren. Die Dii war eine auf Zeit angelegte Industrieinitiative in der sogar Konkurrenten sich zusammentaten um zu untersuchen, ob die Vision von der Industrieperspektive aus realisierbar ist und wie das gehen kann. Diese Phase ist abgeschlossen. Der Report Getting Started bestätigte die Realisierbarkeit und die wirtschaftliche Attraktivität. Die Dii wurde nie gegründet, um Kraftwerke zu bauen. Das tun die ehemaligen Shareholder nun jeder für sich. Siemens und BASF sind z.B. beide am Bau des Kraftwerks in Marokko beteiligt. Die Industrie schreibt in ihrem Report sogar, es führe kein Weg daran vorbei, als die Mittelmeerregion energiepolitisch als Zentrum statt als Grenze zu begreifen. Wir, die gemeinnützige DESERTEC Foundation, schaffen Bewusstsein für die großen Chancen, die erneuerbare Energien mit sich bringen. Je schneller wir in Europa unsere Blockadehaltung aufgeben und Chancen statt Gefahren erkennen, desto mehr profitieren wir alle von der Entwicklung und es entsteht eine Win-Win Situation. Dafür wirbt DESERTEC.
 
Was kann man unter den gegebenen Umständen in welchen Ländern Nordafrikas überhaupt realisieren? Wäre das für die Industrie tatsächlich interessant?
 
Heute geht das Licht an, weil damals Menschen nicht wahrhaben wollte, dass man Gaslampen nicht durch Glühbirnen ersetzen könne. DESERTEC ist eine Vision. Wir glauben, dass die Art der Energieerzeugung der Schlüssel für eine Welt im Wohlstand für alle Menschen ist. Je schneller wir das Zeitalter der Ölverbrenner verlassen desto besser. Parallel dazu werden sich die Umstände verändern. Dafür braucht es aber einen Dialog auf Augenhöhe. Auch dafür steht DESERTEC.
 
Wie sieht das derzeitige Verhältnis zwischen der Desertec Foundation und Dii aus?
 
Die Dii hat eine wichtige Phase von DESERTEC mit gestaltet. 2013 und 2014 bestätigte die Industrie mit den beiden Reports Getting Started und Getting Connected die Realisierbarkeit der Vision, gab Handlungsempfehlungen. Ihre ursprüngliche Arbeit ist damit beendet. Als Beratungsunternehmen ist die Dii jetzt, in der nächsten Phase von DESERTEC, einer von vielen wichtigen Akteuren und Partner.
 
Wie sehen die nächsten Schritte der DESERTEC Foundation aus?
 
Das neue DESERTEC Team um Roland Berger als Kuratoriumsvorsitzenden ist angetreten um mit Energiekooperationen lokale Wertschöpfung und Perspektiven zu schaffen. Dafür werden wir stärker vor Ort agieren und auf Bildungsmaßnahmen setzen. Greenpeace entwickelte Lehrmaterial zusammen mit dem CLUB OF ROME für unseren DESERTEC Atlas. Jugendliche aus aller Welt aus dem Plant-for-the-Planet Netzwerk werden sich künftig nicht nur für das Pflanzen von Bäumen einsetzen um CO2 zu kompensieren, sondern auch für erneuerbare Energien. Dafür haben sie einen Generationenvertrag unterschrieben und daran arbeiten wir.


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