Schutzverpackung für Ladungsträger

Forscher entwickeln ultralanglebige Perowskit-Solarzellen

24. Januar 2022, 12:29 Uhr | Kathrin Veigel
Automatisierte Forschungsanlage mit der Forscherinnen und Forscher am HI ERN und der FAU Solarzellen autonom optimieren.
© Kurt Fuchs/HI ERN

Ein Team der FAU und des Helmholtz-Instituts ERN haben ein Design entworfen, das die Betriebsstabilität und die Lebensdauer von Perowskit-Solarzellen deutlich erhöht. Kern der Entwicklung ist eine polymere Doppelschicht, die vor Korrosion schützt und einen ungehinderten Ladungstransfer ermöglicht.

Um die Nutzung von Sonnenenergie effizienter zu gestalten, wird weltweit mit Hochdruck an Alternativen zur verbreiteten Silizium-Technologie geforscht. Ein vielversprechender Ansatz sind sogenannte Perowskit-Solarzellen. Perowskite sind eine Gruppe von Metalloxiden, die sehr unterschiedlich zusammengesetzt sein können. Was sie eint, ist ihre sehr gute optoelektronische Leistungsfähigkeit und die kristalline Struktur, die technisch einfach hergestellt und modifiziert werden kann.

»Der Vorteil gegenüber Silizium ist, dass Perowskite bei Raumtemperatur in hauchdünnen Schichten auf Substrate gesprüht oder gedruckt werden können«, erklärt Prof. Dr. Christoph J. Brabec, Inhaber des Lehrstuhls für Werkstoffwissenschaften (Materialien der Elektronik und der Energietechnologie) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Direktor am Forschungszentrum Jülich und Leiter der Forschungsgruppe »Hochdurchsatzmethoden in der Photovoltaik« am Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN). Das mache die Produktion von Solarmodulen besonders flexibel und preiswert.

Bislang zeigen sich bei den neuartigen Modulen aber zwei gravierende Nachteile: Sie sind erstens nicht sehr langlebig, weil Perowskite an ihren Grenzflächen zu Korrosion neigen und ihre Leistungsfähigkeit zum Teil innerhalb weniger Tage rapide abnimmt.

Zweitens sind Perowskit-Module nicht sehr robust gegenüber höheren Temperaturen, was ihre Stabilität im Praxisbetrieb stark einschränkt. Grund dafür sind vor allem ionisch dotierte Schichten, die einerseits für den Transport der Ladungsträger benötigt werden, andererseits jedoch zu unerwünschten Sekundärreaktionen führen.

Doppel-Polymerschicht als Leiter und Schutzfilm

Die Hochdurchsatzgruppe am HI ERN hat nun ein Design entworfen, das die beschriebenen Nachteile von Perowskit-Zellen eliminiert: Kern ihrer Entwicklung ist eine Polymer-Doppelschicht, die unmittelbar auf dem Perowskit liegt. Die obere Schicht ist mit einer nicht-ionischen Säure dotiert, während die untere undotiert ist und gleichermaßen als Ladungsleiter und Korrosionsschutz fungiert.

»Diese Architektur schützt einerseits die sehr sensible Grenzfläche zum Perowskiten, zeigt andererseits jedoch eine außerordentlich stabile Leitfähigkeit auch bei höheren Temperaturen«, sagt Dr. Yicheng Zhao, der maßgeblich an der Entwicklung des neuen Moduls beteiligt ist.

Die Ergebnisse zeigen eine für Perowskit-Solarzellen bislang unerreichte Robustheit und Lebensdauer: Die Erlanger Forschungsgruppe hat das Modul über 1.400 Stunden unter einer künstlichen Sonne bei 65 °C betrieben, ohne dass eine Leistungsminderung oder Korrosion beobachtet wurde.

Selbst nach dieser langen Zeit von knapp 60 Tagen erreichen die untersuchten Solarzellen im Schnitt noch 99 Prozent ihres Spitzenwirkungsgrades. »Unter Alltagsbedingungen könnten schon jetzt bis zu 20.000 Betriebsstunden möglich sein«, schätzt Zhao. Damit wäre die Doppelschicht-Struktur ein Schlüssel für die Entwicklung wettbewerbsfähiger planarer Perowskit-Solarzellen.

Automatisierte Hochdurchsatz-Forschung

Der Erfolg der Arbeitsgruppe um Christoph Brabec basiert auf einer einzigartigen Strategie: der sogenannten Hochdurchsatz-Forschung. Die Idee hinter diesem Konzept ist, den kombinierten Einsatz von Materialien, Prozessen und Technologien zu automatisieren und mit Methoden der KI und Big Data zu verbinden. Allein im beschriebenen Projekt wurden 160 Perowskit-Arten untersucht – zusammen mit weiteren Leitungs- und Kontaktschichten sowie ihren Dotierungen ergeben sich leicht mehrere tausend Kombinationen.

»Ein solch riesiges Spektrum kann nur durch eine parallele Erforschung ganzer Materialklassen bewältigt werden, die herkömmliche sequenzielle Untersuchung und Optimierung einzelner Materialien können das nicht leisten«, erklärt Brabec. 


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