Nachhaltigkeit im Fokus

Mit Solarantrieb um die Welt

20. April 2022, 9:30 Uhr | Autor: Frank Riemenschneider, Redaktion: Irina Hübner
Ein Solarauto zu entwickeln, ist ein enormes Projekt. Herzstück für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts ist Embedded-Software von Segger
© Solaride

Ein Solarauto zu entwickeln, ist ein enormes Projekt. Solaride meistert diese Herausforderung und will mit seinem Fahrzeug bei der »Bridgestone World Solar Challenge« antreten. Herzstück für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts ist Embedded-Software von Segger.

Solaride ist ein Bildungsprogramm, das auf die Initiative von zwei Studenten zurückgeht, die nach einer Möglichkeit suchten, ihr theoretisches Wissen in die Praxis umzusetzen. Sie kamen auf die Idee, das erste mit Solarenergie betriebene Auto im Baltikum zu bauen. Solaride funktioniert wie ein echtes Unternehmen – es besteht aus fünf Abteilungen: Marketing, Personalwesen, Technik, Logistik und Finanzen. Außerdem verfügt es über Mentoren, die den jungen Entwicklern helfen, ihre Ziele zu erreichen, sowie über einen Beirat und einen Geschäftsführer, der nicht nur im übertragenen Sinn die Räder am Laufen hält.
 
Im November 2021 begann Solarides zweite Saison mit dem Ziel, ein noch besseres Solarauto zu bauen, das 2023 in Australien bei der »Bridgestone World Solar Challenge« antreten kann (Kasten). Zurzeit arbeiten bei Solaride fast 100 Studenten aus verschiedenen estnischen Universitäten und Schulen zusammen. Das jüngste Teammitglied ist 15 und das älteste 72 Jahre alt. Während der ersten Saison haben sich fast 200 aktive Freiwillige an diesem Projekt beteiligt.

 Die Embedded-Architektur von Solarides Solarauto
Bild 1. Die Embedded-Architektur von Solarides Solarauto.
© Segger Microcontroller

Der Hauptsponsor von Solaride ist die estnische Regierung. Solaride wird da- rüber hinaus von der Universität Tartu, der Technischen Universität Tallinn, der Estnischen Universität für Biowissenschaften, der Estnischen Luftfahrtakademie, der TTK-Hochschule für an- gewandte Wissenschaften sowie mehreren Privatunternehmen unterstützt.

Als Solaride mit dem Bau seines ersten Solarautos begann, berücksichtigte man von Anfang an Software von Segger. Die Ingenieure von Solaride entschieden sich für embOS, Seggers embedded Echtzeit-Betriebssystem, und emWin, die embedded GUI-Bibliothek, um eine Benutzeroberfläche auf den Bildschirmen des Autos zu erstellen. Solaride verwendet emWin, um dem Fahrer und dem Copiloten des Fahrzeugs Daten an- zuzeigen. embOS wird im Hauptsteuergerät, dem »Gehirn« des Fahrzeugs, und anderen Steuergeräten verwendet. Bild 1 zeigt ein Blockdiagramm der Embedded-Architektur des Fahrzeugs.

Sammeln und Verarbeiten von Daten

Das Hauptsteuergerät basiert auf einem RX65N-Mikroprozessor von Renesas. Es kontrolliert alle Funktionen des Fahrzeugs. Die Anzeigen für Fahrer und Beifahrer laufen auf RX65N Envision Kits. Das Team verwendet einen CAN-Bus für den Großteil der Kommunikation zwischen den Modulen. Das Fahrzeug wird von hocheffizienten Marand-Radmotoren angetrieben. Sie werden von Tritium/Prohelion WaveSculptor22-Motorcontrollern gesteuert. Die Solarmodule laden die Batterien über Aurora Maximum Power Point Tracker auf.

Das System ist mit einer Reihe von Sensoren ausgestattet, die eine riesige Menge an Daten sammeln: Das beginnt bei der Stromversorgung, also bei den verschiedenen Spannungen und den Fragen, wie viel Energie in den Batterien gespeichert ist, wie viel Energie von den Solarzellen gesammelt wird und wie viel Energie benötigt wird. Daneben sammelt das System Daten von verschiedenen Temperatursensoren. Die Batterien und andere Fahrzeugkomponenten wie der Motor werden ebenso überwacht wie die Umgebungstemperaturen innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs. Dies ist aber nur die Spitze des Eisbergs: Das System speichert auch Daten der Benutzerober- fläche. Dazu gehören alle Tasten im Auto, verschiedene Sensoren, die mit dem Gaspedal verbunden sind, dem Lenkrad und so weiter.

Schon die schiere Menge der vom System gesammelten Daten ist erstaunlich. Noch wichtiger ist allerdings Folgendes: Alle Daten werden so gespeichert, dass sie für eine spätere Analyse verwendet werden können. Dies schafft die Grundlage für notwendige Anpassungen und größere Optimierungen am Fahrzeug.

Laut der Softwareabteilung von Solaride übertrifft die Leistung des RX65N bei weitem ihre Erwartungen: »Der Mikroprozessor hat mit seinen reibungslosen Touchscreen-Funktionen und einer umfangreichen Codebasis überzeugt. Er hat seine Konkurrenten weit hinter sich gelassen«, so die Entwickler.

embOS punktet bei Echtzeitüberwachung

Natürlich ist die Wahl der am besten geeigneten MCU nur eine der zahlreichen Komponenten, die für ein Projekt dieser Größenordnung erforderlich sind. Die unterstützende Software ist ebenso entscheidend. Sie ist das wichtigste Instrument, um die Fähigkeiten des Mikrocontrollers zu nutzen und Funktionen zu realisieren, die in der Hardware möglicherweise nicht verfügbar sind. Solaride hat einige zusätzliche Anstrengungen unternommen, um die am besten geeignete Software für ihre Anforderungen zu ermitteln. Sie verglichen fünf Echtzeit-Betriebssysteme (RTOS), darunter embOS.

Das Echtzeitbetriebssystem embOS erwies sich als das am besten geeignete RTOS für Solarides Anforderungen. Um die Echtzeitleistung von embOS besser zu verstehen, verglich Solaride die Anforderungen für einen Blinker und ein Gaspedal. Während es beim Blinker unproblematisch ist, wenn dieser nach seiner Aktivierung mit einer Verzögerung von Millisekunden oder mehr anfängt, Lichtsignale zu geben, müssen die Sensoren und Aktoren des Gaspedals 1000-mal pro Sekunde überwacht und aktiviert werden.

Aus technischer Sicht unterstützt embOS die Anforderungen von Solaride folgendermaßen. Wesentliche Merkmale sind die frei wählbare Zeitauflösung, das präemptive Scheduling und die Möglichkeit, jeder Aufgabe individuelle Prioritäten zuzuordnen, sodass das Verhalten der Aufgaben genau nach den Anforderungen der Anwendung definiert werden kann. Die komplexe Umgebung von Solaride profitiert von der unbegrenzten An- zahl von Tasks, Software-Timern und anderen Synchronisations- und Kommunikationsprimitiven wie Event-Objekten, Semaphoren, Mutexen, Mailboxen und Queues sowie nicht zuletzt dem ausgefeilten Interrupt-Handling von embOS, beispielsweise in sehr zeitkritischen Anwendungsfällen wie der Motorsteuerung.

Noch wichtiger für ein solarbetriebenes Auto ist, dass Berechnungszeiten, in denen embOS im Idle-Mode ist, automatisch im Energiesparmodus der MCU verbracht werden können und somit der Energieverbrauch minimiert wird.

Die »Bridgestone World Solar Challenge«

Die »Bridgestone World Solar Challenge« (WSC) ist eine internationale Veranstaltung speziell für solarbetriebene Autos, die durch das australische Outback führt. Die Rennstrecke ist über 3022 Kilometer (1878 Meilen) lang und führt von Darwin, Northern Territory, nach Adelaide, South Australia.

Die WSC zieht Teams aus der ganzen Welt an, von denen die meisten von Universitäten oder Unternehmen gestellt werden, einige jedoch auch von High Schools. Ursprünglich fand die Veranstaltung alle drei Jahre statt, seit der Jahrtausendwende wird sie in der Regel im Zweijahresrhythmus ausgetragen.
 
Seit 2007 gibt es bei der Weltmeisterschaft mehrere Klassen. Nachdem das deutsche Team der Hochschule Bochum im Jahr 2009 mit einem vierrädrigen, mehrsitzigen Auto, dem BoCruiser, antrat, wurde 2013 eine radikal neue »Cruiser Class« eingeführt, die die technologische Entwicklung von praktisch nutzbaren und idealerweise straßenzugelassenen, mehrsitzigen Solarfahrzeugen anregt.

Die Idee für den Wettbewerb stammt von dem in Dänemark geborenen Abenteurer Hans Tholstrup. Er war der erste, der den australischen Kontinent in einem 4,9 m langen offenen Boot umrundete. Später in seinem Leben nahm er an verschiedenen Wettbewerben mit spritsparenden Autos und Lastwagen teil. Bereits in den 1980er-Jahren wurde sich Tholstrup der Notwendigkeit bewusst, nachhaltige Energie als Ersatz für die begrenzt verfügbaren fossilen Brennstoffe zu erforschen. Mit Unterstützung von BP entwarf er das erste Solarauto der Welt, den Quiet Achiever, und legte die 4052 km zwischen Sydney, New South Wales, und Perth, Westaustralien, in 20 Tagen zurück. Dies war der Vorläufer der WSC. Nach der vierten Veranstaltung verkaufte Tholstrup die Rechte an den Staat South Australia.

 


  1. Mit Solarantrieb um die Welt
  2. emWin reduziert den Entwicklungsaufwand

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