Farbstoffsolarzellen

Reif für den Massenmarkt

6. Juli 2021, 10:48 Uhr | Heinz Arnold
Prof. Michael Grätzel, EPFL: »Die Farbstoffzellen sind nicht mehr aufzuhalten, sie werden sich am Markt durchsetzen.«
© EPFL

Die ersten Hersteller sind überzeugt, jetzt wirtschaftlich sinnvolle Produkte auf Basis der Farbstoffsolarzelle in IoT- und Konsumgütermärkte bringen zu können.

Das schwedische Startup Exeger hat mit „Powerfoyle“ flexible DSSCs (Dye Sesitized Solar Cells, elektrochenische Farbstoffzellen) entwickelt, die sich kostengünstig auf Rolle-zu-Rolle-Maschinen fertigen lassen. Gerade erst hat das Unternehmen eine neue Finanzierungsrunde über 38 Mio. Euro abgeschlossen. Mit dem Geld wird ein neues Werk gebaut, das in hohen Stückzahlen produzieren soll. Das wird auch erforderlich sein, denn Exeger ist es gelungen, zwei Unternehmen, die Consumer-Geräte herstellen, als Kunden zu gewinnen. Ein schwedischer Hersteller von Fahrradhelmen beschichtet die Helme mit Powerfoyle. Sie versorgt eine auf der Rückseite des Helms integrierte LED-Rückleuchte mit Strom. Die LED schaltet sich ein, sobald der Helm aufgesetzt wird – um dann durchgehend zu leuchten, ohne jemals geladen werden zu müssen. »Wirklich drahtlos können sich Produkte eben erst dann nennen, wenn sie sich selbst mit Energie versorgen, anstatt ständig an der Steckdose wieder aufgeladen werden zu müssen«, sagt Giovanni Fili, Gründer und CEO von Exeger.

Die japanische Ricoh hat ebenfalls eine DSSC entwickelt, die jüngst noch einmal deutlich verbessert wurde und die Ricoh vor allem für die Versorgung von Sensoren vorgesehen hat. Sie soll in drahtlosen Sensornetzwerken – beispielsweise in großen Lager- und Kühlhäusern – die Sensorknoten autark mit Energie versorgen. Energy Harvesting aus Umgebungslicht sei nun laut Ricoh erstmals zu erschwinglichen Kosten möglich. Damit würde sich die Tür für viele neue Anwendungen im IoT-Umfeld öffnen.

Die DCCS-Zellen auf Basis von Glas des Schweizer Herstellers H.Glass arbeiten bereits seit einigen Jahren im Feld. Damit lassen sich beispielsweise Glasfassaden von Hochhäusern realisieren, die das Gebäude mit zusätzlicher Energie versorgen. Die Farbstoffe in den Zellen können so gewählt werden, dass sie bestimmte Wellenlängen herausfiltern, was beispielsweise für den Einsatz in Gewächshäusern interessant ist.

Möglich wurde dies über die grundlegenden Arbeiten von Prof. Michael Grätzel, der heute an der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) forscht. Er entwickelte Photovoltaikzellen, die die Energie auf Basis eines künstlichen Farbstoffs erzeugen – ähnlich wie die Pflanzen über Chlorophyll. Deshalb werden die DSSCs auch häufig nach ihrem ursprünglichen Erfinder „Grätzel-Zellen“ genannt. Die lange Entwicklungszeit hat sich gelohnt: »Die Module auf Basis der Farbstoffzellen sind inzwischen hervorragend, jetzt kommen sie in hohen Stückzahlen auf den Markt«, sagte Prof. Michael Grätzel im Interview mit Markt&Technik.


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