Farbstoffsolarzelle aus Hibiskusblüten

Ungiftig und wiederverwendbar

11. April 2022, 12:30 Uhr | Kathrin Veigel
Hibiskusblüten liefern den Farbstoff für die Solarzellen, Bleistiftabrieb dient als Katalysator und Titandioxid als Halbleiter.
© P. Pollmeier/FH Bielefeld

Um wirklich grüne Energie zu produzieren, sollten für Solarzellen keine giftigen Stoffe verwendet und sämtliche Materialien und Werkstoffe rückstandslos wiederverwendet werden können. An der FH Bielefeld wollen Forscher daher eine zirkuläre Farbstoffsolarzelle entwickeln.

An der FH Bielefeld arbeiten Forscherinnen und Forscher im Institut Institut für Technische Energie-System ITES an einer komplett ungiftigen und wiederverwendbaren Solarzelle im Sinne einer Circular Economy. Zirkulär bedeutet dabei mehr als nur recyclingfähig: Alle Bestandteile sollen als solche wiederverwendet werden können, ohne, wie zum Beispiel bei Glas, erst aufgeschmolzen werden zu müssen.

Farbstoffsolarzellen sind zwar in ihrem Wirkungsgrad und der Stabilität den herkömmlichen siliziumbasierten Solarzellen weit unterlegen. An der FH Bielefeld sieht man in den Zellen dennoch ein großes Potenzial, den grünen Energiemix zu ergänzen.

So funktionieren Farbstoffsolarzellen

Farbstoffsolarzellen sind dem photoelektrischen Effekt nachempfunden: Sie wandeln Licht in elektrische Energie um. Der Farbstoff absorbiert Licht, dadurch löst sich ein Elektron – ein Stromkreislauf entsteht. Die Zellen bestehen aus zwei leitfähigen Elektroden, von denen mindestens eine durchsichtig sein muss, um Licht in die Zelle eindringen zu lassen. Dazu wird meist Glas als Trägermaterial genutzt. Die Frontelektrode, die dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, wird mit einem Halbleiter, typischerweise Titandioxid, beschichtet. Darauf wiederum wird der Farbstoff abgelagert.

»Wir nutzen in unserem Projekt pflanzliche Farbstoffe und Titandioxid als Halbleiter«, erklärt Fabian Schoden, der das Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Bielefeld verantwortet. »Die Farbstoffmoleküle absorbieren das Licht und regen so Elektronen im Farbstoff an, die sozusagen in das Leitungsband des Halbleiters wandern. Durch den Halbleiter und die Frontelektrode gelangen die Elektronen in einen äußeren Kreislauf, wo sie die Energie abgeben können.« Den Wiedereintritt in die Solarzelle über die Gegenelektrode unterstützt eine Platin- oder Graphitschicht als Katalysator. Mit der Rückkehr des Elektrons in den Farbstoff wird der Kreislauf geschlossen. Der Farbstoff kann dann erneut Licht absorbieren und in elektrische Energie umwandeln.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten denkbar

Farbstoffsolarzellen werden nach Ansicht des Wissenschaftlers aufgrund ihres geringeren Wirkungsgrads und ihrer kürzeren Lebensdauer nicht die herkömmlichen Photovoltaik-Systeme ersetzen. Der große Vorteil sei aber, dass sie viel leichter herzustellen sind und somit die Chance aufkommt, beispielsweise in Entwicklungsländern solche Technologien herzustellen und lokal zu nutzen.

Zudem können Farbstoffsolarzellen auch in der Dämmerung oder in Innenräumen, unter dem Licht einer Lampe, Strom erzeugen. Sie könnten also in Alltagsgegenstände wie Smartphone oder Laptops integriert werden, um diese zu laden. Es sind auch transparente Farbstoffsolarzellen möglich, die in Fenstern von Gebäuden oder Fahrzeugen eingebaut werden könnten, um unsichtbar grünen Strom zu produzieren.

Circular Economy als Prinzip für die Entwicklung

Im Projekt der FH Bielefeld haben sich die Forscher um Fabian Schoden eindeutige Ziele gesteckt: Sämtliche Materialien, die für die neue Farbstoffsolarzelle genutzt werden, müssen ungiftig und reichlich verfügbar sein. Denn bei klassischen Farbstoffsolarzellen kommen häufig giftige Materialien zum Einsatz, beispielsweise giftige Farbstoffe, die den Wirkungsgrad erhöhen sollen. Aber: sie erschweren das Recycling.

»Zwar ist der Wirkungsgrad mit toxischen Materialien wie Ruthenium oder Kobalt höher. Wir möchten aber, dass alle Materialien in einen Kreislauf gehen und unbedenklich weiter genutzt oder recycelt werden können, und wir möchten keine seltenen Rohstoffe verwenden, sondern gut verfügbare. Wir wollen weg vom Müll-Konzept hin zur Circular Economy«, erklärt Projektleiter Fabian Schoden. »Bei unseren Zellen verwenden wir deshalb ausschließlich ungiftige Komponenten wie pflanzenbasierte Farbstoffe, ganz konkret: Hibiskusblüten«, so Schoden.

»Das verwendete Halbleitermaterial Titandioxid ist auch in handelsüblicher Zahnpasta als CI 77891 zu finden, es sorgt dafür, dass die Zahnpasta schön weiß ist. Man kann also theoretisch recht leicht zuhause selbst eine Zelle bauen. Man braucht: Zahnpasta, Früchtetee, einen Ofen und zwei leitfähige Glasplättchen – die kann man tatsächlich recht einfach im Internet kaufen.«

Die Farbstoffsolarzelle hält Schoden noch aus einem weiteren Grund für ein ideales Produkt: »Noch sind sie kein Massenprodukt, haben aber das Potenzial dazu«, so Schoden. »Wenn wir jetzt an einer wirklich sauberen, nachhaltigen Version arbeiten, kann das einen großen Beitrag für die Energieversorgung der Zukunft leisten«, ist sich der Wissenschaftler sicher.

Von den Glas-Recyclern lernen

Die Recherchen zu seiner Forschung führten Schoden zur Firma Reiling in Marienfeld bei Gütersloh, wo das Recycling von PV-Modulen schon lange professionell durchgeführt und stetig an Optimierungen geforscht wird. 

»Bei herkömmlichen Photovoltaik-Modulen auf Siliziumbasis ist der Materialverbund das Hauptproblem. Der Alu-Rahmen kann gut getrennt und recycelt werden. Das Glas ist aber mit Folie und Silizium verklebt. Das Ganze ist äußerst schwer zu trennen und es gibt zurzeit noch keinen Prozess im industriellen Maßstab, der hochwertigstes Glas daraus zurückgewinnen kann«, erläutert Malte Fislake, Produktmanager bei Reiling. Derzeit wird das Endprodukt überwiegend für alternative Glasanwendungen im Bau- und Dämmstoffsektor, beispielsweise für Mineralwolle, eingesetzt, obwohl das Glas für die PV-Anwendung sehr hochwertig ist. Es enthält wenig Eisenoxid und lässt viel Licht durch, was gut ist, wenn man Licht in Strom umwandeln möchte.

Ansätze, um die Recyclingfähigkeit der konventionellen PV-Module zu verbessern, wären andere Konstruktionsweisen oder andere Materialien zu verwenden, die sich leichter auftrennen und separieren lassen.

Aus den Erfahrungen von Reiling will Fabian Schoden lernen und Farbstoffsolarzellen bauen, die besser und leichter zu recyceln sind. Im Labormaßstab habe das schon funktioniert. Dort wurden die Glasbestandteile zunächst durch optische Emissionsspektrometrie analysiert, und die Oberfläche wurde mit rasterelektronenmikroskopischer Röntgenstrahlung untersucht.

»Danach haben wir das Glas in einem Ofen geschmolzen und mit einem Standard-Glasrecyclingprozess verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Farbstoffsolarzellen für das Glasrecycling geeignet sind und somit potenziell ohne Downcycling-Prozess gemäß einer Circular Economy wiederverwendet werden können«, resümiert Schoden. Materialeigenschaften wie Chemikalienbeständigkeit, Transparenz oder Viskosität wurden jedoch nicht untersucht und bedürfen weiterer Forschung.

Das Ziel: Remanufacturing statt Recycling

Nachdem Schoden die Recyclingfähigkeit der Farbstoffsolarzellen unter die Lupe genommen hat, arbeitet er zurzeit am Remanufacturing, also der Wiederverwendung der Materialien. »Remanufacturing ist noch besser als Recycling, da ich das Glas als solches wiederverwende und es nicht erst aufschmelzen muss, um neues Glas daraus herzustellen. Ich nutze quasi ohne komplexe Arbeitsschritte und weiteren Energieeinsatz die alten Farbstoffsolarzellen und mache daraus neue.« Auch dazu laufen Experimente.

Der nächste Schritt ist das Circular Design einer Farbstoffsolarzelle, sprich: einen Prototyp einer Farbstoffsolarzelle zu entwickeln, der wirklich zirkulär ist. Dabei fließen die Erkenntnisse aus allen vorangegangenen Experimenten zusammen.


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