Fraunhofer IGB / IFAT 2016 München

Abwasser als Dünger - eine ressourcenschonende Alternative

2. Juni 2016, 14:08 Uhr | Verena Winkler
Die Elektrolysezelle gewinnt Stickstoff und Phosphor rein elektrochemisch - ohne den Zusatz weiterer Chemikalien.
© Fraunhofer IGB

Fraunhofer-Forscher haben eine marktreife Anlage entwickelt, mit der sie Dünger aus Abwasser gewinnen. Dieser kann direkt in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Die Wissenschaftler stellen das umweltfreundliche Verfahren auf der IFAT in München vor.

Phosphathaltige Düngemittel sind in der Landwirtschaft sehr gefragt. Zugleich wird jedoch der Abbau- und die Aufbereitung von Phosphat immer aufwändiger und teurer, nicht zuletzt wegen verunreinigter Phosphat-Lagerstätten. Europa importiert Phosphat und ist deshalb von Ländern wie Marokko und Russland abhängig.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) entwickelten das elektrochemische Verfahren ePhos® zur chemikalienfreien und umweltschonenden Phosphorrückgewinnung aus Abwasser. Der Reaktor ist marktreif und gewinnt aus Kläranlagen direkt einsetzbaren Dünger für die Nahrungsmittelproduktion.

Begehrter Rohstoff

Die zunehmende Knappheit der weltweiten Phosphatvorkommen veranlasst die Weltbevölkerung zwar derzeit noch nicht zu einem bewussteren Umgang mit Düngemitteln in der Landwirtschaft, es wird aber fieberhaft an ressourcenschonenden Verfahren geforscht um Phosphat rückzugewinnen. Phosphat kommt z. B. in Prozessabwässern von Klärwerken oder Gärresten von Biogasanlagen vor. Bisher mangelt es allerdings an geeigneten und kostengünstigen Verfahren für die Phosphat-Rückgewinnung. Auch Stickstoffhaltige Düngemittel sind keine Alternative zu Phosphat, da sie herstellungsbedingt sehr teuer sind und viel Energie bei der Produktion verschlingen. Die Rückgewinnung dieser Nährstoffe wird also zunehmend attraktiver.

ePhos® als Alternative

Herzstück der Fraunhofer-Technologie ePhos® ist eine Elektrolysezelle. Die Elektrolysezelle gewinnt Stickstoff und Phosphor mit Hilfe einer Magnesium-Elektrode als Struvit (Magnesium-Ammonium-Phosphat) oder Kalium-Struvit. Die elektrochemische Reaktion erzeugt Struvit, das frei von Biomasse ist und in der Landwirtschaft direkt als hochwertiger Dünger eingesetzt wird. Das elektrochemische Verfahren verzichtet im Unterschied zu herkömmlichen Methoden auf zusätzliche Chemikaliensalze und Basen.

Feldtests in den USA

Kürzlich wurde mit der US-Firma Ovivo, einem Anbieter für Kläranlagensysteme, ein Lizenzvertrag abgeschlossen. Dieser vermarktet die Technologie in den USA, Kanada und Mexiko. Dort sind die Grenzwerte für die Abwasseraufbereitung streng. Der Bedarf an effizienten Möglichkeiten Phosphat rückzugewinnen ist hoch. Viele der US-Kläranlagenbetreiber, die das Verfahren einsetzen, wollen Struvit als attraktive Einnahmequelle selbst verkaufen. Ovivo wird unterdessen die Anlagen nach Fraunhofer-Vorgaben bauen und verkaufen. »Bis Ende September soll in den USA die erste großtechnische Demo-Anlage starten«, erläutert Dr. Mariakakis von Fraunhofer IGB.

Europa im Visier

Aber auch in Deutschland und Europa soll sich ePhos® rasch etablieren – nicht zuletzt um eine ressourcenschonende Alternative zu den immer schneller schwindenden Phosphat-Vorkommen zu errichten. Fraunhofer IGB sucht nach weiteren Lizenznehmern, um die Technik auch auf dem europäischen Markt einzuführen. Bereits jetzt überzeugen die Ergebnisse von Langzeitversuchen bei ersten Pilotierungen in Kläranlagen: Phosphor wurde durchschnittlich zu 85 Prozent rückgewonnen. 

Die Fraunhofer-Forscher entwickeln das Reaktorkonzept stets weiter. Die Prozessmodule sollen derart erweitert werden, dass künftig auch Ammonium in Kläranlagen zurückgewonnen werden kann.

Prozess für Phosphor-Recycling

Zur Rückgewinnung von Ammonium (NH4+) und Phosphat (PO43-) aus Abwasser wird eine Elektrolysezelle benötigt. Sie besteht aus einer Anode aus Magnesium und einer Kathode. Durch die kathodische Reduktion findet eine Wasserspaltung statt: Hydroxid-Ionen (OH-­) werden gebildet, während Wasserstoff (H2) frei wird. An der Anode findet die korrespondierende Oxidation statt: Magnesiumionen (Mg2+) reagieren mit dem im Wasser enthaltenen Phosphat und Ammonium zu Struvit.

Vorteile des Verfahrens:

  • Es müssen keine zusätzlichen Chemikalien, wie Magnesiumchlorid (MgCl2) oder Natriumhydroxid (NaOH) zugesetzt werden
  • energieeffizientes Verfahren (0,78 kWh/m³ Abwasser)

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