Damit das Stromnetz stabil bleibt

Fraunhofer: Techniken für das Ökostrom-Netz von morgen

28. März 2011, 15:35 Uhr | Andreas Knoll

Mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen nehmen Leistungsschwankungen im Stromnetz zu. Experten mehrerer Fraunhofer-Institute entwickeln deshalb Techniken für intelligente und robuste Versorgungsnetze. Auf der Hannover Messe sind sie in Halle 13 am Stand C41 zu begutachten.

Bis zum Jahr 2050 sollen, so hat es die Bundesregierung beschlossen, mindestens 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus regenerativer Erzeugung stammen - vor allem aus Wind und Sonne. Das klingt gut, ist aber eine Herausforderung für den Betrieb des Stromnetzes, denn das Ökostrom-Angebot schwankt mit Wind und Flaute, Sonnenschein und Wolkenhimmel. Für die Netze ist auch der zusätzliche Stromtransport eine enorme Belastung, weil sie nicht für Tausende von Windrädern in Norddeutschland und Millionen von Solarmodulen ausgelegt sind, die ihren Strom einspeisen.

Um immer mehr Energie aus erneuerbaren Quellen in die Stromnetze integrieren zu können, entwickeln Forscher des Fraunhofer-Netzwerks »Intelligente Energienetze« vielfältige technische Lösungen. »Damit das Stromnetz weiter funktionstüchtig bleibt, muss es für das neue Ökostrom-Zeitalter gerüstet sein. Zudem benötigen die Netzbetreiber neue Steuerungsinstrumente, etwa Wind- und Solarleistungsprognosen für die Kraftwerks-Einsatzplanung«, beschreibt Prof. Dr. Jürgen Schmid, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel, Zukunftsaufgaben für die Wissenschaftler.

Wenn die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zunimmt, müssen bestehende Netzstrukturen, die auf große konventionelle Kraftwerke ausgerichtet sind, umgestaltet werden. Strom wird künftig von einer Vielzahl von Energieproduzenten dezentral eingespeist. Um dadurch entstehende Schwankungen im Netz auszugleichen, können beispielsweise einige Großverbraucher wie Kühlhäuser oder Schwimmbäder gezielt einspringen, wenn gerade viel Ökostrom im Netz vorhanden ist, und das Netz aktiv entlasten. Das funktioniert beispielsweise so: Ein Kühlhaus fährt seine Kühlgeräte hoch und senkt die Solltemperatur weiter ab - als eine Art Kältereserve für Stunden, in denen die Windräder still stehen. Demonstriert werden diese Potenziale unter anderem in dem Projekt »eTelligence« in Cuxhaven, das von der E-Energy-Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert wird.

Auch die Wechselrichter von Photovoltaik- und Windanlagen, die den Gleichstrom der Anlagen in Wechselstrom für das Stromnetz wandeln, leisten einen zusätzlichen Beitrag zur Netzstabilität, wenn sie intelligent betrieben werden. Derzeit speisen die Wechselrichter unabhängig voneinander Strom in die Niederspannungsnetze der Gemeinden und Städte ein. Künftig lässt sich die Aktivität der Wechselrichter mittels Messeinrichtungen in den Trafos dieser Ortsnetze koordinieren, was das Stromnetz stabilisiert.

»Vor allem in Regionen mit sehr hohem Photovoltaik-Anteil ist dieser Ansatz interessant, weil die Niederspannungsnetze noch nicht über die hochauflösende Messtechnik der Hochspannungsnetze verfügen und daher eine entscheidende Rolle beim Aufbau eines künftigen intelligenten Stromnetzes, eines Smart Grid, spielen werden«, erläutert Dr. Peter Bretschneider vom Fraunhofer-Anwendungszentrum Systemtechnik AST in Ilmenau. Er ist einer der Koordinatoren des Fraunhofer-Netzwerks »Intelligente Energiesysteme«.

Was für Großverbraucher gilt, soll in Zukunft auch für Privatanwender funktionieren: Die Spezialisten des Fraunhofer-Netzwerks haben dafür die passenden Software-Anwendungen entwickelt. Mit den Software-Lösungen lassen sich je nach Stromangebot Haushaltsgeräte automatisch an- und abschalten sowie Speicher und Mikro-Blockheizkraftwerke einbinden. Scheint die Sonne oder weht viel Wind, ist der Strom billig. Dann ist es sinnvoll, Wäschetrockner und Kühltruhe anzuschalten. »Intelligente Energiesysteme im Verteilnetz des Endverbrauchers sind der Schlüssel für eine nachhaltige und sichere Energieversorgung«, verdeutlicht Dr. Christof Wittwer vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Lösungen wie die »openMUC«- und die »OGEMA«-Software sind als Open-Source-Programme kostenlos erhältlich. »Sie sollen künftig die automatische Kommunikation zwischen dem Haushalt oder Kleingewerbebetrieb und dem Energiemarkt herstellen«, sagt Dr. Philipp Strauß vom IWES.

Neben Großverbrauchern und privaten Haushalten erforscht das Netzwerk aber auch den Einsatz von Elektroautos und kleinen Stromspeichern in Häusern und Firmen, die während der Nacht oder bewölkten Stunden den Sonnenstrom zwischenspeichern können. Auf der Hannover Messe präsentieren die Wissenschaftler am Fraunhofer-Stand C41 in Halle 13 auch Lade-Management-Lösungen für Elektrofahrzeuge sowie mobile und stationäre intelligente Stromzähler, die Smart Meter. Am »Smart-Grid-Demonstrator« können die Besucher selbst in die Rolle eines Energie-Managers schlüpfen und versuchen, fluktuierende Erzeugung und Verbrauch in Einklang zu bringen.


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