Optische Dehnungsmessstreifen im Offshore-Einsatz

Dehnungen an Windkraftanlagen messen

23. Juli 2010, 14:57 Uhr | Nicole Wörner
© HBM

In der experimentellen Spannungsanalyse und Bauteilüberwachung kommen meist klassische elektrische Dehnungsmessstreifen (DMS) zum Einsatz. Beim Test und Monitoring von Windkraftanlagen stoßen sie jedoch an ihre Grenzen. Dort setzen nun die auf so genannten Faser-Bragg-Gittern basierenden optischen DMS an. Doch wo liegen die Vorteile dieser neuen Sensoren?

Die gesamte Elektronik inklusive sämtlicher Sensoren ist vor allem in den rauen Umgebungsbedingungen an Windkraftanlagen härtesten Bedingungen ausgesetzt. Neben (Salz-)Wasser, Wind, Sonne und Regen kommen auch Blitzeinschläge erschwerend hinzu. Gerade unter diesen elektrisch schwierigen Bedingungen kommen optische DMS zum Einsatz. Hottinger Baldwin Messtechnik (HBM) hat im vergangenen Jahr ein erstes Großprojekt, das RAVE-Projekt, mit der neuen Technologie »optische DMS« realisiert. Dabei rüstete HBM im Auftrag der Deutschen Windenergie-Institut GmbH, Wilhelmshaven, eine Windenergieanlage (Tripod) u.a. mit optischen DMS aus, um Praxisdaten an der in knapp 30 m Tiefe gegründeten Anlage zu erhalten. »Faseroptische Dehnungsmessung bietet gerade für die Anwendung unter Wasser Vorteile, weil kein Strom fließt«, erklärt Dirk Eberlein, Produktmanager Dehnungsmessstreifen und experimentelle Spannungsanalyse von HBM. »Möglicherweise in die Schutzabdeckung eindringendes Wasser hat bei dieser Technologie keinen Einfluss auf die Nullpunktstabilität des Signals. Des Weiteren ist es von Vorteil, dass bis zu zwölf optische Sensoren in einer Zuleitung integriert werden können. Der Verkabelungsaufwand reduziert sich dadurch im Vergleich zu elektrischen DMS erheblich.«

Doch wie funktionieren diese optischen DMS überhaupt, und wo liegen ihre Vor- und Nachteile? Ein so genanntes Faser-Bragg-Gitter, kurz Bragg-Gitter, besteht aus vielen Reflektionsstellen in einer Glasfaser, die einen identischen Abstand zueinander aufweisen. An jeder dieser Stellen wird ein Teil des eingestrahlten Lichtes reflektiert. Das von den einzelnen Bragg-Gittern reflektierte Licht überlagert sich, auch als konstruktive Interferenz bezeichnet, wodurch ein Reflektions-Peak entsteht. Dieser Peak weist eine charakteristische Wellenlänge auf, die vom Abstand der Reflektionsstellen abhängt.

Der für die Dehnungsmessung nutzbare Effekt besteht darin, die Dehnung formschlüssig in das Bragg-Gitter einzuleiten. »Hierdurch ändert sich der Abstand der Reflektionsstellen proportional zur eingeleiteten Dehnung, wodurch sich entsprechend die Wellenlänge des reflektierten Lichtes ändert. Analog zum elektrischen DMS gilt bei optischen DMS, dass die relative Wellenlängenänderung proportional zur eingeleiteten Dehnung ist.

»Ein wesentlicher Vorteil dieser Technologie besteht darin, dass mehrere Bragg-Gitter innerhalb einer Glasfaser eingebracht werden können«, führt Eberlein aus. »Entsprechend reduziert sich der Verschaltungsaufwand im Vergleich zum elektrischen DMS drastisch, denn hier muss jeder einzelne DMS mit einem getrennten Anschlusskabel versehen werden. Werden zum Beispiel zehn Bragg-Gitter in eine Glasfaser eingebracht, reduziert sich der Verschaltungsaufwand gegenüber elektrischen DMS um den Faktor 10.«

Auch der Vorteil bei der Gewichtsreduzierung, der sich durch die Anwendung einer Glasfaser gegenüber Anschlussleitungen aus Kupfer ergäbe, sei nicht zu vernachlässigen. Die Masse von z.B. aufliegenden Anschlussleitungen könne durchaus das Ergebnis einer experimentellen Untersuchung verfälschen. Prinzipbedingt ergeben sich weitere Vorteile dieser noch jungen Technologie:

  • Die Sensoren sind unempfindlich gegenüber elektromagnetischen Feldern, weil mit Licht gemessen wird.
  • Kein Gefahrenpotential bei Blitzschlag, so dass optische Dehnungsmessstreifen prinzipiell auch in Rotorblättern für Monitorzwecke installiert werden können.
  • Auch der Einsatz unter hochexplosiven Bedingungen ist möglich, da nur mit geringer Laser-Leistung gearbeitet wird.


Installationspraxis

»Bisherige Vorgehensweisen bei der Installationen einer Glasfaser mit einem Bragg-Gitter auf einem Prüfobjekt erfolgen oft so, dass rechts und links des eigentlichen Bragg-Gitters ein Tropfen Klebstoff aufgebracht wurde«, verdeutlicht der Experte. »Bei diesem Verfahren muss die Glasfaser vorgespannt und damit gedehnt werden, um auch negative Dehnungen, also Stauchungen messen zu können. Ohne Vorspannung würde nämlich die Glasfaser im Falle einer Stauchung schlicht und ergreifend ’ausbeulen’, denn das eigentliche Bragg-Gitter ist nicht geführt oder ganzflächig installiert. Diese Vorspannung schränkt jedoch den Messbereich in negativer Dehnungsrichtung ein – er entspricht maximal dem Wert der Vordehnung.«

Neben dem Problem, das Bragg-Gitter innerhalb der Faser zu finden, kommt nach Eberleins Aussage erschwerend hinzu, die Faser vorzudehnen und zu installieren, ohne sie dabei zu beschädigen. HBM hat die erschwerte Installation mit seinen neu entwickelten optischen DMS elegant gelöst: Bei einem optischen Dehnungsmessstreifen von HBM ist das Bragg-Gitter in einem Kunststoffverbund symmetrisch eingebettet. Diese Konstruktion leitet sowohl positive als auch negative Dehnung in das Bragg-Gitter ein. Die dunkleren Bereiche (siehe Abbildung) an den Enden des Dehnungsmessstreifen sorgen dafür, dass positive Dehnungen von bis zu 10.000 µm/m in das Bragg-Gitter verlustfrei eingeleitet werden. Der etwas hellere Bereich in der Mitte sorgt dafür, dass negative Dehnungen übertragen werden, ohne dass die Faser bei diesem Sensor vorgespannt werden muss. Gegenüber einer vorgespannten Faser steht dem Anwender hier ein weitaus größerer Messbereich, sowohl in positiver wie auch in negativer Dehnungsrichtung, zur Verfügung. HBM hat diese Lösung zum Patent angemeldet.

Vor- und Nachteile des optischen DMS

Optische Dehnungsmessstreifen weisen gegenüber elektrischen Metallfolien-DMS eine wesentlich höhere Wechsellastbeständigkeit auf. Bei einer vorgegebenen Dehnung von bis zu ±5000 µm/m werden mehr als 107 Lastwechsel erreicht. Die maximale Nullpunktverschiebung beträgt nach diesen 107 Lastwechseln weniger als 100 µm/m. Im Vergleich dazu liegt die Grenze bei elektrischen DMS bei ca.1500 µm/m für den Fall, dass ebenfalls 107 Lastwechsel erreicht werden sollen. »Die erheblich höhere Wechsellastbeständigkeit der optischen DMS prädestinieren diese für den Einsatz bei der Untersuchung neuer Materialien wie etwa faserverstärkte Kunststoffe, wie sie z.B. bei Rotorblättern zum Einsatz kommen«, so Eberlein. »Vielfach sind die eingeleiteten Dehnungen bei faserverstärkten Kunststoffen so hoch, dass die vorgeschriebenen Tests der Materialbeanspruchung nicht mehr mit klassischen elektrischen DMS durchgeführt werden können.«

Eine der meist diskutierten Eigenschaften der Faser-Bragg-Gitter ist deren Temperaturabhängigkeit. Der so genannte Temperaturkoeffizient des Brechungsindex ist Grund dafür, dass das temperaturbedingte Ausgangssignal einer solchen Messstelle relativ groß ist. Das Ausgangssignal setzt sich zusammen aus dem eigentlichen Temperaturkoeffizient des Brechungsindexes (ca. 8 µm/m/K) und der freien Wärmeausdehnung des zu untersuchenden Bauteils. Eine Kompensation des Temperatureinflusses kann rechnerisch oder durch Einsatz einer Kompensationsschaltung erfolgen.

 


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