»In jeder Branche gibt es schwarze Schafe, denen ihr Profit wichtiger ist als die Sicherheit des Kunden«

Erhöhte Sicherheit durch CAN-Bus-basiertes Kommunikationssystem für E-Bikes und Pedelecs

23. November 2011, 13:51 Uhr | Engelbert Hopf
Sven Bauer, BMZ: »Wir werden in diesem Jahr etwa 400.000 Akkupacks für Pedelecs und E-Bikes ausliefern. Um 2012 bis zu 1 Mio. Akkupacks anbieten zu können, bauen wir derzeit unsere Produktionsstätten in Deutschland, Polen, China und den USA aus. «
© BMZ

Sven Bauer, Geschäftsführer des Batterie-Montage-Zentrums (BMZ), plädiert angesichts des E-Bike- und Pedelec-Booms für ähnlich strenge Qualitätskriterien wie in der Automobilindustrie. Sein Vorschlag: Ein CAN-Bus-basiertes Kommunikationssystem, über das sich alle systemrelevanten Informationen abrufen lassen.

Markt&Technik: Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die aktuelle Situation im Power-Pack-Bereich auf dem E-Bike- und Pedelec-Markt dar?

Sven Bauer: Der Markt boomt wie nie zuvor. Was uns allerdings Sorge bereitet, ist das offensichtlich bei einigen Herstellern und Händlern nach wie vor fehlende, aus unserer Sicht für den nachhaltigen Erfolg dieser Branche aber unabdingbare Sicherheits- und Qualitätsbewusstsein. Wer Billig-Akkus oder sonstige minderwertige Komponenten aus Fernost verbaut, riskiert nicht nur die Gesundheit seiner Kunden, sondern bringt auch den Ruf der gesamten Branche in Gefahr. Als führender europäischer Power-Pack-Hersteller plädieren wir deshalb dafür, dass für E-Bikes und Pedelecs künftig hinsichtlich Sicherheit, Zuverlässigkeit, Beratung und Service die gleichen strengen Qualitätskriterien wie in der Automobilindustrie gelten sollten. Ein entscheidender Schritt in diese Richtung wäre aus unserer Sicht ein CAN-Bus-basiertes Kommunikationssystem, über das sich jederzeit alle systemrelevanten Informationen abrufen lassen. Ein Diagnosetool, das dem Händler bei Bedarf nicht nur Standarddaten wie gefahrene Kilometer, Lade-/Entladenzyklen und so weiter liefert, sondern ihn auch aktiv bei der Suche nach eventuellen Problemen am Motor, Akkupack, Display, Kabelsatz etc. unterstützt. Wir arbeiten bereits intensiv an entsprechenden Lösungsansätzen.

Wie hoch ist Ihr monatlicher Produktionsausstoß an Batterie-Packs für E-Bike und Pedelec-Applikationen aktuell? Wie hoch wird Ihre Jahresproduktion 2011 sein?

Wir werden 2011 zirka 400.000 Akkupacks ausliefern. Damit dürften wir knapp 70 Prozent des aktuellen europäischen Pedelec- und E-Bike-Marktes abdecken. Unser erklärtes Ziel ist es allerdings, schon 2012 bei Bedarf bis zu einer Million Akkupacks für Pedelecs und E-Bikes liefern zu können. Dafür werden derzeit die BMZ-Produktionsstätten in Deutschland, Polen, China und USA weiter ausgebaut.

Ist nach Ihrer Einschätzung davon auszugehen, dass sich dieser Boom im nächsten Jahr fortsetzt, oder hat der Hype inzwischen seinen Höhepunkt überschritten?

Mit verlässlichen Prognosen ist es ja immer so eine Sache, aber bislang scheint zumindest in Deutschland das Interesse an Pedelecs und E-Bikes nicht nur den Umfragen, sondern auch den tatsächlichen Verkaufszahlen zufolge ungebrochen. Bis zu 25 Prozent Marktwachstum im nächsten Jahr kann mir aus heutiger Sicht durchaus vorstellen.

Werden bei Ihnen inzwischen nur noch Lithium-basierte Power-Packs für Pedelc- und E-Bike-Lösungen produziert?

BMZ entwickelt und fertigt nur noch Lithium-basierte Systeme, wobei als Aktivmaterialen je nach späterem Einsatzweck entweder Eisenphosphat (FePO4), Nickel/Cobalt/Mangan ( NCM) oder Nickel/Cobalt/Aluminium (NCA) zum Einsatz kommen.  

In welchem Performance-/Leistungsspektrum bewegen sich Batterie-Packs für E-Bikes oder Pedelecs aus Ihrem Haus? Wo liegt aktuell der Sweetspot und mit welcher Leistungs-/Performance-Entwicklung rechnen Sie in den nächsten Jahren?

Derzeit werden auf dem Markt sowohl 24-V- als auch  36-V-Systeme angeboten, wobei der Trend  aber definitiv zu 36-V-Systemen geht. Einige wenige Hersteller versuchen sich auch mit 48-V-Systemen. Die Kapazitäten der Batterie-Packs reichen derzeit abhängig vom jeweiligen Fahrradtyp und der angestrebten Höchstgeschwindigkeit von 6 bis 30 Ah.

Vor einigen Jahren brannten Notebooks öffentlichkeitswirksam in Youtube ab, heute finden sich Berichte über ausgebrannte Fahrradgeschäfte in der Presse und im Internet. Handelt es sich dabei um Einzelfälle, oder nehmen diese Probleme zu?

Schwer zu sagen. In jeder Branche gibt es immer einige wenige schwarze Schafe, denen der Profit wichtiger ist als die Sicherheit ihrer Kunden. Wo lässt sich bei einem  Pedelec für 599 Euro mit am meisten sparen? Am Akku. Also wird aus Kostengründen schon auch mal auf Billig-Produkte aus Asien zurückgegriffen, wohl wissend, dass diese oftmals nicht einmal annähernd den in Europa üblichen Qualitätsstandards genügen. Solange sich an dieser »Geiz-ist-geil«-Mentalitiät nichts ändert, wird es wohl leider immer wieder mal zu einzelnen Schadensfällen kommen. Besonders ärgerlich finde ich, dass durch die wenigen verantwortungslosen Geschäftemacher möglicherweise irgendwann die ganze Branche in Misskredit geraten könnte, obwohl die meisten E-Bike- und Pedelec-Hersteller ohne Wenn und Aber Wert auf größtmögliche Sicherheit legen. Mit Spacern zwischen den Zellen, einem effizenten Temperaturmanagement, aktivem Balancing, kontinuierlicher Zellenüberwachung sowie umfangreichen Crash-, Überlade- und Kurzschlussversuche im Vorfeld der Markteinführung lässt sich diese heutzutage auch ohne weiteres gewährleisten. Von den bisher von uns ausgelieferten E-Bike und Pedelec-Akkus ist noch kein einziger in Rauch oder gar Flammen aufgegangen.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die sicherheitskritischen Aspekte bei einer Batterie-Pack-Lösung für E-Bikes oder Pedelecs? Worauf sollten Käufer und Fachhandel bei der Auswahl des passenden Batterie-Packs achten?

Neben den bereits erwähnten Spacern zwischen den Zellen, einem effizenten Temperaturmanagement, einem aktivem Balancing und einer kontinuierlichen Zellenüberwachung sollte ein qualitativ hochwertiger Akku auf jeden Fall auch über Kommunikationsschnittstellen zum  Motor, zum Ladegerät und zum Display verfügen und die UN-Transporttests durchlaufen haben. Ein weiteres wichtiges, auch für Laien nach außen hin sichtbares Qualitätsmerkmal ist das Vorhandensein der CE-Kennzeichnung.

Für wie viele Lade-/Entladezyklen sind Ihre Batterie-Pack-Lösungen für E-Bikes und Pedelecs heute ausgelegt? Gibt es temperaturtechnische Einschränkungen?

Dank der enormen technischen Fortschritte der letzten Jahre lassen sich qualitativ hochwertige  Lithium-Ionen-Akkus inzwischen über 1000mal Laden und Entladen. Auch der weite Betriebstemperaturbereich von -20  bis + 60 ° C unterstreicht die Alltagstauglichkeit heutiger E-Bike- und Pedelec-Batterie-Packs. Einzig und allein die kalendarische Lebenserwartung kann sich mitunter noch als Problem erweisen, weshalb wir beim BMZ gerne auf  Nickel Cobald Aluminium (MCA) als Aktivmaterialien zurückgreifen. NCA-Hochvoltbatterien lassen sich problemlos bis zu acht Jahre lagern.    

Aktuell ist der Markt für E-Bike- und Pedelec-Batterie-Packs in Deutschland von mittelständischen Produzenten geprägt. Wird sich das in Zukunft ändern?

Ein rasant wachsender, intensiven After-Sales-Service erfordernder Markt mag sicherlich auch für den einen oder anderen Systemanbieter eine gewisse Verlockung darstellen. Momentan sieht die Situation allerdings erst einmal so aus, dass immer häufiger kleinere Unternehmen von größeren Wettbewerbern aufgekauft werden, weil sie mit ihrer meist viel zu dünnen Kapitaldecke den rasanten Technologiesprüngen nicht mehr folgen können. Diese Konsolidierung, die sich in den nächsten Jahren noch weiter fortsetzen dürfte, wird die Stellung des Mittelstands aus meiner Sicht unterm Strich eher noch weiter stärken denn schwächen. Pedelecs und E-Bikes sind nun einmal ein typisches Saisongeschäft, da wollen die Kunden jedes Jahr was Neues präsentiert bekommen, und   mittelständische Unternehmen können erfahrungsgemäß sehr viel schneller als Großunternehmen auf neue Trends und Herausforderungen reagieren

An welche Zielgruppe wenden sich E-Bike- und Pedelec-Angebote heute?

Das Angebot richtet sich längst nicht mehr nur an physisch geschwächte Menschen, die sich sonst vielleicht gar nicht mehr Fahrradfahren trauen würden oder an gesetztere Frauen und Männer, die bei ihren Wochenendausflügen und Überlandtouren ein gewisses Maß an Bequemlichkeit schätzen. Auch bei  Mountain- und Downhill-Bikern und Kids, die Fahrspaß pur wollen, sind E-Bike und Pedelecs inzwischen stark im Kommen. Wer einmal selbst im Sattel eines solchen Gefährts gesessen hat, versteht auch warum. Ich bin mir sicher, das Pedelecs und E-Bikes den Fahrrad- und Mofa-Markt letztlich genauso nachhaltig verändern werden wie die Digitaltechnik die Fotografie. Wer es sich leisten kann, wird in zehn  Jahren wahrscheinlich kein normales Fahrrad mehr fahren.

Neben dem zuverlässigen und leistungsfähigen Akku, auf welche Ausstattungsdetails sollte der Käufer bei der Wahl seines Pedelecs oder E-Bikes noch achten?

Neben einer soliden Grundaustattung spielt inzwischen für die Kaufentscheidung vieler Kunden auch die Verfügbarkeit zusätzlicher Ausstattungsmerkmale eine wichtige Rolle. So hat BMZ zum Beispiel einen mit dem Motor verbundenen Pulsmesser entwickelt, mit dem man seinen maximalen Puls einstellen und so mit dem Pedelec elektronisch geregelt ergonomisch Rad fahren kann. Außerdem haben wir ein vom Fahrer über das Funktionsdisplay einfach bedienbares  Programm entwickelt, das auf Wunsch sicherstellt, dass man auf jeden Fall mit Akku-Unterstützung nach Hause kommt. Wer will, kann inzwischen auch sein iPhone als Tacho nutzen. Hier ist noch viel Spielraum für weitere innovative Ideen.


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