Stehen Metall-Luft-Batterien vor dem Durchbruch?

IBM: Lithium-Luft-Batterie-Prototyp bis 2013

25. Oktober 2011, 9:49 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Alessandro Curoni, IBM: »Die Chemie haben wir weitgehend verstanden, jetzt kommt es darauf an, einen großenProtoypen zu bauen, an dem wir die Technik live demonstrieren können.«
© IBM

IBM entwickelt seit zwei Jahren eine Lithium-Luft-Batterie und hat bereits einige ermutigende Fortschritte erzielt. »Das Ziel besteht darin, bis Ende 2013 einen Prototypen vorstellen zu können«, sagt Dr. Alessandro Curioni, Manager des Department of Computational Sciences von IBM Research in Zürich.

Energie & Technik: Metall-Luft-Batterien gelten als viel versprechende Zukunftstechnik, weil sie theoretisch Energiedichten im selben verwertbaren Bereich erreichen wie Benzin. IBM setzt auf Lithium-Luft-Batterien. Warum?

Dr. Alessandro Curoni: Die Zink-Luft-Batterien gibt es ja schon lange und es gibt Bestrebungen, diese Batterien weiter zu verbessern. Allerdings können Li-Luft-Batterien höhere Energiedichten erreichen und wir schätzen, dass die Schwierigkeiten, die für die Entwicklung von Li-Luft-Batterien überwunden werden müssen, nicht sehr viel höher sind als für andere Metall-Luft-Typen. Aber der Gewinn wäre viel höher.

An den Metall-Luft-Batterien arbeiten die Forscher ja schon länger. Wann ist IBM überhaupt eingestiegen und warum hält IBM den Zeitpunkt jetzt für gekommen?

Wir sind vor etwas mehr als zwei Jahren in unserem Labor in Zürich in die Forschung eingestiegen. Denn wir können hier das Wissen von IBM aus unterschiedlichen Bereichen zusammen führen. Die Beiträge aus den Materialwissenschaften und den Nanotechniken liefert unser Labor bei San Francisco, in Zürich beschäftigen wir uns sehr stark mit den Simulationstechniken auf der atomaren und molekularen Ebene. Sie sind sehr wichtig, um besser zu verstehen, wie die chemischen Reaktionen im Einzelnen ablaufen.

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Funktionsweise einer Lithium-Luft-Batterie
© IBM

Bisher bestand ein Problem darin, dass die Lithium-Luft-Batterien sehr schnell ihre Fähigkeit verlieren, wieder geladen zu werden. Konnten die Forscher das Geheimnis etwas lüften, woran das liegt?

Als wir mit unseren Forschungen begonnen haben, lag noch ziemlich im Dunkeln, wie die Chemie an der Kathode genau abläuft. Die Kathode besteht aus einem porösen Kohlenstoffmaterial, möglicherweise mit zusätzlichen Katalysatoren.Heute verstehen wir bereits viel besser, was an den Kathoden passiert. An der Anode laufen die Reaktionen ganz ähnlich ab wie in Li-Ionen-Batterien, das ist weniger kompliziert.

Gab es dabei Überraschungen?

Die erste große Überraschung war, dass der Elektrolyt Propylene Carbonate, der häufig in normalen Lithium-Ionen-Batterien benutzt wird und der von den meisten Li/Luft-Arbeitsgruppen über Jahre studiert wurde, in Li/Luft-Batterien überhaupt nicht funktioniert – er zersetzt sich. Wir bewiesen dies mit einer neuen Analyse-Maschine, die wir dafür entwickelt haben. Wir fanden aber bald Elektrolyte die recht gut funktionieren.

Als zweite Überraschung könnte man bezeichnen, dass die Wiederaufladbarkeit nicht in erster Linie durch die elektrochemischen Reaktionen an der Kathode beeinträchtigt wird. Ursache dafür sind vor allem rein chemische Nebenreaktionen in der Lösung. Lithiumperoxide, die eigentlich an der Kathode bleiben sollten, gehen in die Lösung und das führt dann dazu, dass die Batterien sich  nicht mehr laden lassen. Eine dritte Überraschung war, dass die Leitfähigkeit der Lithium-Peroxide eine sehr wichtige Rolle spielt und wir lernen müssen, die Rolle zu verstehen.

Also muss man nach neuen Elektrolyten suchen?

Ja, wir haben bereits Elektrolyten gefunden, die sich sehr stabil verhalten. Das zeigt: wir haben schon so viel von den Grundlagen verstanden, wir wissen, in welche Richtung wir gehen müssen.

Wäre damit schon ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer praxistauglichen Lithium-Luft-Batterie getan?

Jetzt sind wir gerade dabei, die neuen Elektrolyten  genauer zu untersuchen. Das Problem der Lithium-Luft-Batterien besteht darin, dass man sie relativ einfach auf eine bestimmte Eigenschaft hin optimieren kann. Beispielsweise gibt es Lithium-Luft-Batterien, die eine tolle Energiedichte erreichen. Für den realen Einsatz im Auto, auf den wir abzielen, benötigt man aber mehrere gute Eigenschaften: nicht nur eine hohe Energiedichte, sondern auch eine hohe Zahl an Ladezyklen, eine hohe Leistungsdichte, eine lange Lebenszeit und eine hohe Sicherheit. Die Kunst liegt darin, diese Forderungen unter einen Hut zu bringen.

Eine Schwierigkeit liegt darin, dass bestimmte Verbindungen in der Luft wie Kohlenoxide oder Stickstoffoxide nicht in die Batterie gelangen dürfen, weil sie die Katalysatoren vergiften. Ist dies immer noch ein Problem?

Wir entwickeln auf Basis der Nanotechnik Filter, die diese Stoffe nicht zur Batterie durchlassen. Hier liegt eine große Stärke von IBM. Wir können an Materialien, an der Nanotechnik und parallel an der Simulation in einer Entwicklungsumgebung arbeiten. Deshalb konnten wir über die letzten beiden Jahre bereits gute Fortschritte erzielen.

Worin besteht jetzt der nächste Schritt?

Nachdem wir nun die Chemie recht gut verstehen und auch auf dem Weg zu den geeigneten Materialien sind, kommt es jetzt darauf an, alles zu integrieren und einen großenProtoypen zu bauen, an dem wir die Technik live demonstrieren können.

Bis wann wollen Sie den Prototypen entwickelt haben?

Wir erwarten, dass wir das bis Ende 2013 schaffen können.

 

 


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