Zusätzliches Geschäftspotenzial von 4,8 Mrd. Euro

Maschinenbau verstärkt Batterie-Engagemgent

7. November 2011, 11:18 Uhr | Engelbert Hopf

Im E-Mobility-Umfeld entwickelt sich ein Ökosystem mit Lösungen für die verschiedensten Aspekte der Elektromobilität, doch im Kernbereich Batterietechnik geht die Entwicklung bisher nur langsam voran. Ein stärkeres Engagement des deutschen Maschinenbaus könnte in Zukunft für zusätzlichen Schwung sorgen.

1 Mio. Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen, so lautet nach wie vor die Zielvision der Bundesregierung für 2020. Branchenübergreifend investiert die deutsche Industrie dazu bis zu 17 Mrd. Euro in drei Jahren in die Entwicklung von Technologien und Systemen rund um die Elektromobilität. Läßt sich das ehrgeizige Ziel erreichen, sollen die E-Mobility-Anstrengungen bis 2020 bis zu 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze in der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie schaffen.

Zur schnelleren Erreichung dieses Ziels, will sich nun auch der deutsche Maschinen- und Anlagenbau verstärkt in die Realisierung dieses Prestigeprojekts einbringen. Auf der diesjährigen productronica nutzt der VDMA die Gelegenheit im Rahmen einer Sonderschau in der Halle B2 des Münchner Messegeländes das dazu bereitstehende Know-how seiner Mitglieder zu präsentieren. Laut einer Marktstudie des VDMA und Roland Bergers könnte sich der deutsche Maschinen- und Anlagenbau durch die Errichtung von Produktionsanlagen für die Batterieherstellung bis 2020 ein zusätzliches Geschäftspotenzial von 4,8 Mrd. Euro erschließen.

Zwar wirbt Opel inzwischen mit dem Vorzeige-Elektro-Fahrzeug Ampera, und für 2012 und 2013 haben weitere namhafte deutsche und europäische Automobilhersteller die Markteinführung ihrer ersten Elektrofahrzeuge angekündigt, doch von entsprechenden Batterielösungen aus deutscher Produktion ist nach wie vor nichts zu sehen. »Auf Zellenebene sind da bislang nur homöopathische Dosen etwa von Leclanché, OMT oder Litec erhältlich«, beschreibt Dr. Hans-Walter Praas, Managing Director von Texsys, die Situation, »anders sieht es beim Pack-Business mit schnell wachsenden, kundenspezifischen Pack-Lösungen aus«.

Dr. Karl-Heinz Pettinger, im Bereich Research&Development bei Lelanché tätig, schränkt für sein Unternehmen jedoch ein: »Wir stellen derzeit keine Zellen für E-Mobility her. Die gesamte Produktion wird von stationären Anwendungen aufgesogen«! Dr. Pettinger macht aber auch darauf aufmerksam, dass Batteriebauer naturgemäß einen kürzeren Geschäftshorizont haben, als die Zellentwicklung Zeit in Anspruch nimmt. »Wenn sich kein Batteriebauer im Zelldesign engagiert, wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die optimale Zelle für diesen Zweck gebaut werden«, gibt er zu Bedenken, »am Ende steht dann immer ein Kompromiss«

Herbert Schein, CEO von Varta Microbattery macht darauf aufmerksam, dass eine Massenproduktion von elektrifizierten Fahrzeugen mit enormen Investitionen verbunden ist, »die Entscheidungen darüber sind mit den Bedarfen in Deutschland abzustimmen«. Auch verweist er darauf, dass nach wie vor in vielen deutschen Städten die Infrastruktur zum Laden von Batterien fehlt. Laut dem Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität, soll dieses Hindernis durch den Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur für insgesamt 100.000 Fahrzeuge bis 2014 wenigstens teilweise aus dem Weg geräumt werden.

Um die späteren Produktionskosten zu senken, hat das Joint Venture von Varta Microbattery und Volkswagen einen seiner Forschungsschwerpunkte auf neuartige Produktionsmethoden gelegt. »Die Inititative ds VDMA kann sicher dazu beitragen, das Engagement der Industrie für die neuen Technologien weiter zu fördern und deren Interessen in den nationalen Gremien zu vertreten«, kommentiert Schein das angekündigte verstärkte Engagement des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus im Bereich der Hochenergie-Batteriefertigung. Parallel zum Joint Venture mit VW treibt Varta Microbattery die Grundlagenforschung für elektrochemische Systeme der übernächsten Generation, wie etwa Lithium-Luft voran.

Kostenreduzierung durch Systemoptimierung und Großserienfertigung, darin sieht auch Holger Schuh, Geschäftsführer der Saft Batterien in Deutschland, die nach wie vor größte Herausforderung, wenn das ausgerufene Ziel 2020 erreicht werden soll. Als europäischer Hersteller, sieht er sich durchaus wettbewerbsfähig in Nischenanwendungen. So reichen die aktuellen Aktivitäten von Motorrollern über Hybrid Lösungen für Spezialfahrzeuge bis zu Hybrid-angetriebenen Schiffen, »im Automotive-Großserienbereich sehe ich dazu allerdings ohne einen entsprechenden Partner keine Möglichkeit«.

Zu einem nachhaltigen Erfolg werden sich die konzertierten Anstrengungen zur Entwicklung von Hochenergie-Batterien in Deutschland nach Überzeugung von Dr. Praas aber nur dann entwickeln, »wenn das richtig durchgestochen wird und vom Pulver bis zur 100 Prozent qualifizierten Zelle mit kompletter Tracability reicht«. Gelingt das nicht, werde man sich darauf beschränken müssen, Zellen aus Fernost zu assemblieren. Der Schlüssel zum Erfolg liegt für ihn in der engen Zusammenarbeit mit den Kunden in der Automobilindustrie: »Unterstützt durch Forschungszuschüsse und deutliche Invests der Industrie, halte ich es für möglich in zwei bis drei Jahren den Durchbruch zu schaffen«, gibt er sich optimistisch, »aber anders als in der Photovoltaik gibt es in diesem Bereich kein Vakuum auf dem Markt, sondern viele etablierte Hersteller«!

Doch auch wenn es mit vereinten Kräften der Batteriespezialisten, des Maschinen- und Anlagenbaus sowie der Kunden aus der Automobilindustrie gelingt, im genannten Zeitraum leistungsfähige Zellen und Batterien zu wettbewerbsfähigen Preisen zu entwickeln, schließen sich daran noch einige Jahre für die Errichtung entsprechender Fabs an, wie Dr. Pettinger hervorhebt: »Egal, von welcher Firma geplant, wird der Zeitraum von der Genehmigungsplanung bis zum erfolgreichen Einlauf der Produktionslinien im sportlichsten Fall 2 Jahre betragen, realistischer dürften aber 3 Jahre sein.

Auch wenn aktuell Lithium-Zellen, wie sie in naher Zukunft im Audi Q5 zum Einsatz kommen werden, heute noch aus Asien kommen, sieht Dr. Pettinger durchaus Chancen, dass es in Zukunft zu einem ernstzunehmenden Wettbewerb in diesem Segment kommen könnte: »Die Stärke der deutschen Industriekultur liegt vor allem darin, Prozesse in Serie zu führen, zu automatisieren und zu stabilisieren. Dies wurde bereits auf etlichen Feldern bewiesen, warum also sollte das nicht auch im Zell- und Batteriebau für Elektrofahrzeuge gelingen«?

Skeptiker sehen das etwas anders. Den Vergleich zur Erfolgsgeschichte der Photovoltaik in Deutschland, lassen sie nicht gelten. Ihr Einwand: Damals wurde sehr kurzfristig Geld von den Stromkunden erst an Startups, dann an Aktiengesellschaften und schließlich nach China umgeleitet. Bei Batterien, so ihr Einwand, dürfte die Politik das wohl nicht mehr durchhalten. Und sie verweisen auf das nach wir vor ungelöste Henne-Ei-Problem. Solange der Autofahrer nicht bereit sei, bis zu 10.000 Euro mehr für ein Elektrofahrzeug mit einer Reichweite von 120 km auszugeben, als für einen vergleichbar spärlich ausgestatteten Kleinwagen, wird der Markt nicht explodieren. Für sie liegt die Zukunft der Elektromobilität deshalb nicht in Elektrofahrzeugen, sondern im fast schon todgeredeten Hybrid, oder im Plug-in für den Premiumbereich.

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