Marktdisruptives Potential

Paradigmenwechsel in der Batteriespeichertechnik?

20. November 2014, 15:52 Uhr | Hagen Lang
Wolfram Walter, Geschäftsführer der ASD Automatic Storage Device GmbH: »Ich glaube nicht, dass in fünf Jahren noch Speicher mit reihengeschalteten Zellen hergestellt werden. Pacadu ist ein Paradigmenwechsel.«
© ASD Automatic Storage Device GmbH

Warum er glaubt, dass die neue Batteriesteuerungs-Elektronik »Pacadu« das Zeug dazu hat, den Speicherweltmarkt umzukrempeln, erklärt im Gespräch Dipl. Ing. Wolfram Walter, Geschäftsführer der ASD Automatic Storage Device GmbH aus Umkirch.

Markt&Technik: Herr Walter, woran liegt es, dass bislang niemand auf die Idee kam, die Konstruktionsprinzipien von Batteriespeichern grundlegend zu überdenken?

Wolfram Walter: Das liegt am eingeschlagenen Technologiepfad. Seit über 100 Jahren schalten wir Batterien in Reihe. Das hat allerdings einige »Nebenwirkungen« beim Aufbau. Ich muss als Speicherdesigner alle Zellen vom gleichen Hersteller nehmen, alle müssen die gleiche Kapazität haben, den gleichen Innenwiderstand, den gleichen Ladezustand, den gleichen Gesundheitszustand, müssen idealerweise aus der gleichen Produktionscharge stammen und idealerweise auch noch selektiert sein. Nur dann habe ich eine Chance, einen Speicher zu bauen, der optimal funktioniert.

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Prinzip der Pacadu-Steuerung
Mit Pacadu-Steuerung arbeiten Speichersysteme auch beim Ausfall einzelner Zellen weiter.
© ASD Automatic Storage Device GmbH

Trotzdem wird die Zelle, die zuerst geladen ist, dem System sagen: »Ich bin voll, bitte mit dem Laden aufhören, sonst gehe ich kaputt«. Alle anderen Zellen könnten noch weiter laden. Die Zelle, die zuerst leer ist, wird wiederum dem System sagen: »Ich bin leer, bitte höre auf zu entladen, sonst gehe ich kaputt.« Alle anderen Zellen haben noch Ladung und könnten sie abgeben, werden aber daran gehindert. Das ist in allen Speichersystem weltweit heute so. Und wenn in Zukunft eine Zelle des Speichers kaputt geht, verschlechtert sich die gerade geschilderte Situation zusätzlich, weil diese Zelle mit anderem Innenwiderstand, anderer Kapazität und anderem Gesundheitszustand die Funktion des Blocks insgesamt beeinträchtigt und zur Kompromittierung des ganzen Systems führt.

Wenn eine Zelle in einem System nur noch 40 Prozent Kapazität besitzt, hat das Gesamtsystem insgesamt nur noch 40 Prozent Kapazität. Stirbt eine Zelle des Verbundes, fällt das Gesamtsystem aus. Das sind die Themen, die uns Speicherhersteller heute beschäftigen. Sie limitieren die Freiheit im Speicherdesign. 

Was gab den Anstoß zu ihrer Neuentwicklung?

Meine Bauchschmerzen bei der angedeuteten Problematik. Zum einen wurde mir klar, dass die angesprochenen Probleme eine Folge der Reihenschaltung sind. Das Reihenschaltungskonzept hat man seit 100 Jahren nicht mehr grundsätzlich überdacht. Der Batteriehersteller denkt bis zu seinem Plus- und Minuspol, der Systemintegrator schreibt an seinen Eingang »Hier erwarte ich z.B. 48 Volt DC«. Um das, was dazwischen passiert, hat sich niemand richtig gekümmert. Zum Zweiten ermöglicht die rapide Entwicklung der digitalen Bauelemente überhaupt erst seit einigen Jahren den technischen Lösungsweg, den wir verfolgen. Früher wäre das nicht möglich gewesen. Die Zeit war jetzt reif.  

Wie werden die Zellen von ihrem »Pacadu« angesteuert?

Jede Zelle bekommt ihr eigenes Pacadu, es ist nicht nur eine Ladeelektronik. Pacadu bedeutet »Parallel Automatic Charge and Discharge Unit« und kann Laden und Entladen. Mit ihm brauchen wir keine Wechselrichter mehr, keine Schaltelemente, keine Shunts und haben deutlich weniger Aufwand in der Verkabelung. Jede Zelle wird perfekt bedient. Wenn Sie eine Zelle mit nur noch 10 Prozent Kapazität haben, wird sie diese 10 Prozent optimal zum Gesamtsystem beisteuern, ohne, dass das die besseren Zellen des Batteriesystems stört. Das Kriterium für einen Zellentausch wird künftig nur noch sein, ob ich den zur Verfügung stehenden Platz lieber für eine bessere Zelle nutzen möchte.  

Welche Bauteile stecken im Pacadu und wie kommunizieren Pacadus miteinander?

Dazu möchte ich momentan noch nichts sagen. Wir haben neun Patente angemeldet, aber wollen nicht gleich alle Konkurrenten auf die Spur setzen. Ein Patent wird nach 18 Monaten offengelegt und alle können nachlesen, wie es geht. Jedes Pacadu verfügt über einen Prozessor, der über einen Bus mit einem Zentralrechner verbunden ist, der wiederum die Steuerung übernimmt. Insgesamt brauchen wir 50 Prozent weniger Elektronik als früher. Für eine PV-Anlage brauchen Sie künftig auch keine Wechselrichter mehr, sie schließen die PV direkt ans Pacadu an, von wo aus der Gleichstrom direkt in die Batterie und der Wechselstrom direkt ins Netz kann. 

Dann müssten die Systeme ja insgesamt billiger werden.

Nach unseren Berechnungen ist es mit Pacadu möglich, in Verbindung mit einer PV-Anlage und einer Lithium-Eisen-Phosphat-4-Zelle Strom für etwa 18 Cent/kWh und in Verbindung mit einer Lithium-Titanat-Oxyd-Zelle sogar für 12,5 Cent/kWh bereitzustellen. Mit Pacadus werden Speicher künftig eine Kapitalrendite erwirtschaften. Sie werden »bankable«, eine staatliche Speicherförderung braucht niemand mehr. Derzeit wird an der Universität Offenburg eine Diplomarbeit erstellt, die wissenschaftlich seriös belegt, dass diese Speicher Geld verdienen.  

Wie geht es jetzt weiter, was sind Ihre nächsten Schritte?

Als Speicherhersteller ASD Automatic Storage Device GmbH arbeiten wir an der Umstellung unserer Produktion vom gegenwärtigen Modell »Future ON« auf den neuen »Hybridspeicher«. Wenn im zweiten Quartal 2015 Pacadu wie geplant in Serie geht, werden wir den Speicher mit Pacadu anbieten. Ob wir Pacadu lizensieren werden, steht noch nicht fest. Ich glaube nicht, dass in fünf Jahren noch Speicher mit reihengeschalteten Zellen hergestellt werden. Pacadu ist ein Paradigmenwechsel.


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