Brennstoffzellen-Autos

»Wir müssen jetzt in die Wasserstoff-Infrastruktur investieren!«

5. November 2013, 9:17 Uhr | Heinz Arnold
Markus Bachmeier, Linde: »Wie Studien zeigen, kommt die Wasserstoff-Infrastruktur nach einer Anschubfinanzierung relativ schnell in den Bereich, in dem Geld verdient werden kann. Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur ist also kein dauerhafter Subventionsfall, und das ist der Grund, warum sich so viele Investoren mit diesem Thema befassen.«
© Linde

Die sechs Partner der »H2 Mobility«-Initiative – Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und Total – wollen bis 2023 ein Netz von rund 400 Wasserstoff-Tankstellen aufbauen. »Weil die Autohersteller ab 2015 mit Serienmodellen auf Basis von Brennstoffzellen auf den Markt kommen wollen, müssen wir jetzt mit dem Aufbau der Infrastruktur loslegen«, sagt Markus Bachmeier, Leiter Hydrogen Solutions von Linde.

Energie & Technik: Während alle von Elektroautos auf Basis von Batterien sprechen, ist es um die Brennstoffzellen für Autos sehr ruhig geworden. Warum soll gerade jetzt der Durchbruch kommen?

Markus Bachmeier: Führende Autohersteller sind sehr ernsthaft dabei, Autos zu entwickeln, die mit Hilfe von Brennstoffzellen angetrieben werden. Hyundai, Toyota und Honda haben entsprechende Autos in höheren Stückzahlen bereits für 2015 angekündigt. Hersteller wie Daimler, Nissan und Ford wollen ab 2017 ebenfalls in die Serienproduktion einsteigen. Deshalb ist es wichtig, jetzt ein Netz von Tankstellen aufzubauen, das es erlaubt, mit Brennstoffzellen betriebene Autos in Deutschland zu fahren.

Wie kommt der Wasserstoff zu den Tankstellen?

Es gibt verschiedenen Möglichkeiten. Die Tankstelle kann mit Gas-LKWs von einer zentralen Dampf-Reformierungsanlage aus beliefert werden. Theoretisch ließe sich der Wasserstoff auch vor Ort aus Erdgas gewinnen, was aber in den meisten Fällen nicht wirtschaftlich ist. Der Wasserstoff kann aber auch über Elektrolyse erzeugt werden – eine Lösung, die Linde bereits bei mehreren Tankstellen, unter anderem in Hamburg und Stuttgart, realisiert hat.

Wie viel kostet eine Wasserstoff-Tankstelle und wie hoch ist die Kapazität einer Tankstelle?

Die Kosten für eine Tankstelle variieren heute noch stark. Als Richtwert kann man heute etwa 1 Million Euro pro Tankstelle nutzen. Die Kosten werden aber mit höheren Stückzahlen sinken, deshalb rechnen wir für 400 Tankstellen mit einem Gesamtinvestitionsbedarf von 350 Mio. Euro. Die Kapazität einer solchen Tankstelle liegt bei mehr als 50 Autos pro Tag. Alle beteiligten Unternehmen wollen bis in zwei Jahren mit Unterstützung des Verkehrsministeriums in Deutschland zunächst gemeinsam 50 Tankstellen bauen. Damit erreichen wir in Deutschland bereits eine recht gute Mindestabdeckung. .

Worüber bestimmt sich die Kapazität der Tankstelle?

Die Kapazität hängt erstens von der Kapazität der Verdichter und zweitens von der Kapazität des Hochdruckspeichers ab. Linde hat einen ionischen Verdichter entwickelt, der statt mit einem metallischen Kompressionskolben mit einer ionischen Flüssigkeit arbeitet. Diese Flüssigkeit dichtet die Kolben ab. Dadurch arbeitet der  Verdichter mit einem hohen Wirkungsgrad und das Wasserstoffgas wird nicht durch Abrieb kontaminiert. Auch der Wartungsaufwand wird reduziert. Außerdem hat Linde eine Kryopumpe für die Verdichtung von flüssigem Wasserstoff zu Hochdruckwasserstoff entwickelt. Die direkte Kompression mit flüssigem Wasserstoff senkt den Energiebedarf von Tankstellen deutlich. Die Kryopumpe erzeugt einen Druck von bis zu 900 bar und kann Verdichtungsmengen von 100 kg pro Stunde erreichen. Damit kann man 25 bis 35 Autos pro Stunde betanken. Solche Kapazitäten sind auch für stark frequentierte Lagen in Ballungsgebieten geeignet.

Es gibt immer wieder Bedenken, dass der Wasserstoff sich nach dem Tanken allzu schnell verflüchtigen könnte…

…das war in der Vergangenheit nur bei den Flüssigwasserstoff-Tanks mit -253 °C ein kritischer Punkt, heute dagegen ist das kein Problem mehr. In den modernen Gastanks herrscht bei Umgebungstemperatur ein Druck von 700 bar, dies hat sich praktisch zum Industriestandard entwickelt. Der Verlust durch Diffusion ist vernachlässigbar.

Sehen Sie sich in Konkurrenz zu den batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen bzw. Hybriden, auch wenn es um das Rennen um Subventionen geht?

In den ersten Jahren ist der Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes wegen der anfänglichen Unterauslastung natürlich defizitär. Eine Anschubfinanzierung ist also erforderlich, und dabei unterstützt uns das Verkehrsministerium auch sehr gut. Wie Studien zeigen, kommt die Wasserstoff-Infrastruktur bei einer entsprechenden Auslastung dann in einen Bereich, in dem Geld verdient werden kann. Der Infrastrukturaufbau ist also kein dauerhafter Subventionsfall, und das ist der Grund, warum sich mittlerweile eine recht große Zahl von Investoren mit diesem Thema befasst. Selbstverständlich ist dennoch ein unternehmerisches Risiko dabei.

Die Infrastruktur aufzubauen ist nur sinnvoll, wenn es Brennstoffzellen zu erschwinglichen Preisen gibt. Haben Sie Indizien dafür, wann der Preis von Brennstoffzellen auf ein akzeptables Niveau sinken kann?

Studien zeigen, dass bis 2025 Mittelklasse-Autos auf Basis von Brennstoffzellen preislich mit entsprechenden Autos auf Basis von Batterien gleichgezogen haben werden. Wenn man die Reichweiten und die Emissionsziele in die Überlegung mit einbezieht, dann gibt es letztlich nur zwei Antriebstechnologien, die in Frage kommen: Brennstoffzellen oder Plug-in-Hybride. Welche Marktanteile die unterschiedlichen Technologien tatsächlich erobern werden, das entscheidet schlussendlich der Kunde, der sich überlegen muss, wofür er sein Geld am sinnvollsten ausgibt.


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