Bei der Kombination mehrerer Energiequellen, -verbraucher und -speicher ist eine Herangehensweise auf Basis einer systematisierten Vielfalt an Energiekomponenten notwendig. Die Power Management Classification (PMC) bietet dabei einen geeigneten Systematisierungsansatz.
Die aktuellen Hauptzukunftsthemen der Menschheit sind der Klimawandel und die Digitalisierung. Zu den Themen, die den Klimawandel betreffen, gehören auch die Energieeffizienz und die Umweltfreundlichkeit. Prominentes Zeichen für den Handlungsbedarf ist der im März 2022 durch die EU-Kommission vorgelegte Vorschlag Sustainable Products Initiative (SPI). Darin geht es um ein nachhaltiges Design von langlebigen, umweltfreundlichen, energieeffizienten, reparierbaren und recyclebaren Produkten.
Einen Beitrag zur Energieeffizienz technischer Systeme liefert ein Energiemanagement, beispielsweise in der Energieversorgung und Elektromobilität. In der Elektronik wird die Eigenschaft »Low Power« in einigen Applikationen durch Energy Harvesting ergänzt. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der Mikrocontroller RE01 von Renesas, bei dem erstmals eine sehr geringe Leistungsaufnahme mit einer Energy Harvesting Control (EHC) kombiniert wurde, so dass er mittels Solarmodul und Speichern versorgt werden kann. Die Ambient Energy Managers (AEM) von E-Peas Semiconductors sind weitere Beispiele der Harvesting-Technologie in der Elektronik.
Unabhängig von der umzusetzenden Applikation ist eine Systemstrukturierung der erste Schritt in Richtung Energiemanagement. An dieser Stelle setzt die Power Management Classification (PMC) als Entwurfsgrundlage an. Sie systematisiert mit ihren vier Klassen die verschiedenen Energiekomponenten und bildet die Grundlage für die Kommunikation zwischen ihnen und dem Energiemanagement über das standardisierte Power Management Interface (PMI). Die PMC ermöglicht die Identifikation von Energiekomponenten mittels Plug-in in USB-Manier und mit Systemexplorer. Sie unterstützt die Prioritätenvorgabe, die Generierung von Zustandsaussagen, die Bewertung von Energiesituationen, das vorausschauende Managen und die Bildung einer Nutzungsstatistik.
Ausgangspunkt ist die Definition eines technischen Energiemanagements (TEM) beziehungsweise eines Energiemanagementsystems (EMS). Ein TEM ist eine Leiteinrichtung zur zielgerichteten Beeinflussung von Energie in einer oder mehreren Energieformen innerhalb eines abgeschlossenen Systems (Anordnung, Prozess) als notwendige Voraussetzung für die Erfüllung des Einsatzzweckes des Systems mit einem oder mehreren vorgegebenen Optima. Für die Erfüllung seiner Managementfunktionen benötigt das Energiemanagement ein Energiesystem, ein Diagnosesystem und ein Informationssystem, so dass daraus ein EMS resultiert.
Bild 1 verdeutlicht die Struktur des Energiemanagementsystems. Die einzelnen Energiekomponenten werden zusammen mit ihrer Local Control (Slave) und ihrem Energy Interface (energetische Anpassung) zu Komponentenblöcken zusammengefasst, die ihren Betrieb eigenständig realisieren, sich selbst diagnostizieren und dem Energiemanagement Zustandsdaten zur Verfügung stellen. Alle Komponentenblöcke sind über den Energy Bus miteinander verbunden und informationstechnisch mittels Information Bus an einen Zentralrechner (Master) angeschlossen. Die Energiemanagementsoftware ist über Zentralrechner und Komponentenblöcke verteilt.
Die Einteilung der Energiekomponenten erfolgt durch die Power Management Classification (PMC). Mit ihrer Hilfe lassen sich die Energiekomponenten identifizieren, Energiebilanzen bilden, das Systemverhalten beurteilen und notwendige Systembeeinflussungen ableiten.
Als Klassifikator dient die energetische Funktion der Komponente aus der Sicht des Energy Bus eines in sich geschlossenen Energiemanagementsystems. Die Quelle liefert Energie in Richtung Energy Bus, die Senke entnimmt dem Energy Bus Energie. Es werden vier Klassen von Energiekomponenten unterschieden:
In Klasse I fungiert die Energiekomponente einerseits als Verbraucher (Senke), beispielsweise im Motorbetrieb eines Elektroantriebs, und bietet darüber hinaus in bestimmten Betriebszuständen dem System Energie zur Nutzung oder zum Speichern an (Quelle), etwa im Generatorbetrieb des Elektroantriebs. Dabei kennzeichnet eine fremdgeführte Implikation die Tatsache, dass die Funktionen als Quelle oder Senke sowie die zugehörigen Energieflüsse nutzergeführt (aus der Sicht des Energiemanagements fremdgeführt) sind.
In Klasse II wird der Speicher bei Entladung als Quelle und bei Ladung als Senke betrachtet. Die Klasse III beinhaltet nur Energielieferanten (in Richtung Energy Bus) und in Klasse IV befinden sich nur Verbraucher (Energieentnahme aus dem Energy Bus). Ein energetischer Übergang zwischen in sich geschlossenen Energiemanagementsystemen (Netzübergang) wird auch als zu klassifizierende Komponente betrachtet, typisch als Klasse I.
Für ein Energiesystem mit Energy Harvesting, dargestellt in der Bild 2, ist ein Energiemanagement zu konzipieren (Algorithmusentwicklung). Im System enthalten sind: Thermogenerator (QIII1), Piezogenerator (QIII2), Solargenerator (QIII3), Induktionsgenerator (QIII4), Akkumulator (QSII1), Kondensator (QSII2), Steuerung des Energiemanagementsystems (Electronic Control Unit, EMS-ECU, SIV1), Mikrocontroller mit Sensoren (SIV2), Komponente für Wireless-Anbindung (SIV3).
Alle Energiekomponenten sind energetisch über einen Energy Bus (EB) mit seiner Spannung UEB miteinander verbunden und informationstechnisch mit der EMS-ECU (Master) verknüpft. Der jeweilige Komponentenblock enthält einen IC (Spannungsaufbereitung, Diagnose). Die EMS-ECU bewertet die Spannung UEB, erhält von den Komponenten Aussagen über ihre Verfügbarkeit sowie über den Speicherzustand und übernimmt das Energiemanagement, wobei die Systemschalter (S, optional im IC) gesteuert werden.
Folgende Prioritäten sind für das Energiemanagement vorgegeben:
Der Algorithmus für das Energiemanagement besteht aus drei Teilen. Teil 1 (Bild 3) bewertet auf der Grundlage der UEBNenn hysteresebehaftet die Spannung UEB und entscheidet, ob es sich um einen Last- oder Ladefall handelt.
In Teil 2 (Bild 4) wird der Lastfall abgearbeitet, Teil 3 (Bild 5) behandelt den Ladefall.
Die Power Management Classification (PMC) teilt Energiekomponenten in vier Klassen ein. Diese Systematisierung stellt ein Ordnungsprinzip für das Design von Energiemanagementsystemen dar. Es unterstützt die Prioritätenvorgabe, das Generieren von Zustandsaussagen, die Bewertung von Energiesituationen, das vorausschauende Managen, die Bildung einer Nutzungsstatistik und ein energetisches Plug-in. Einsatzbeispiele sind die elektrische und thermische Energieversorgung, die Elektromobilität und das Energy Harvesting.
Wird die PMC standardisiert und in Energiekomponenten implementiert, kann das Energiemanagement mit ihnen über das Power Management Interface (PMI) mittels standardisiertem Protokoll kommunizieren. Die PMC lässt sich in einen digitalen, dynamisierten Produktpass integrieren, so dass sich die Komponenten durch normierte Produktparameter, Zustandsinformationen, Nutzungsstatistik und Steuerbefehle ausweisen.
Prof. Dr.-Ing. Matthias Viehmann
hat seit 2003 die Professur für Industrieelektronik an der Hochschule Nordhausen inne.