Volle Auftragsbücher, weiter steigende Nachfrage und eine Lieferkette, die bei kritischen Bauteilen wie Aluminiumelektrolyt-Kondensatoren und Leistungshalbleitern sehr angespannt ist: Der deutsche Stromversorgungsmarkt 2018 hat zwei Gesichter.
Verschärft sich die Liefersituation bei den Komponenten, könnten Preiserhöhungen auf die Stromversorgungskunden zukommen. Im Moment wird die Produktion nicht vom Kunden, sondern vom Beschaffungsmarkt gesteuert«, mit diesen Worten charakterisiert Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile, die aktuelle Situation auf dem deutschen Stromversorgungsmarkt. Eine Einschätzung, die alle Teilnehmer einer aktuellen Marktbefragung dieser Zeitung teilen. Die Bedarfe steigen offenbar schneller als die Verfügbarkeit. Eine Entwicklung, die sich bereits 2017 abzeichnete, nun aber die Weiterentwicklung des Marktes wirklich tangiert.
Wie sich die Situation aktuell am Weltmarkt darstellt, macht Hubert Prieger, Regional Sales Manager Central&Eastern Europe bei Artesyn Embedded Power, deutlich: »Momentan ist die Situation angespannt, da wir seit Ende 2017 mit einer Verdoppelung der Lieferzeiten für kritische Komponenten wie Elektrolytkondensatoren und Leistungshalbleiter zu kämpfen haben.« In der Konsequenz heißt das für einige Kunden, dass für sie Premiumkosten anfallen, damit Artesyn bei seinen Komponentenlieferanten schnelle Lieferungen ermöglichen kann. Von einer zeitnahen Entspannung geht Prieger nicht aus, »eher, dass sich die Liefersituation bis zum 4. Quartal 2018 noch weiter verschlechtert und gegebenenfalls Allokationen zu erwarten sind«.
Michael Heinemann, Geschäftsführer von Phoenix Contact Power Supplies, spricht zwar auch von einem weiterhin sehr angespannten Komponentenmarkt, »wir haben aber bereits 2016 geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfügbarkeit für unsere Kunden getroffen; aus diesem Grund sind wir immer noch in der Lage, jedes Gerät innerhalb von 24 Stunden ab Lager zu liefern«. Von einer nennenswerten Entspannung in der Bauelemente-Lieferkette geht aber auch er im Jahresverlauf 2018 nicht aus. »Die erfreulich positive Marktsituation für Stromversorgungen und der hohe Auftragseingang werden die Situation nicht entschärfen.«
Wie sich in der aktuellen Situation von Herstellerseite agieren lässt, skizziert Kai Heinemann, Assistent der Geschäftsführung Produktmanagement/Entwicklung bei der Block Transformatoren Elektronik: »Es ist ein deutlich höherer Aufwand in die langfristige Disposition erforderlich. Wir bauen häufiger Sicherheitslagerbestände auf und sichern die Bedarfe über langfristige Rahmenverträge ab.« Er macht aber auch klar, dass diese Aktivitäten Grenzen haben: »Sprunghafte Mengensteigerung, etwa für das Projektgeschäft, oder neue Produkte lassen sich nur schwer oder teilweise gar nicht realisieren«.
Bei Traco Power berichtet Sebastian Fischer, Geschäftsführer der Traco Electronic, von einer Aufstockung des Zentrallagers in der Schweiz Anfang des Jahres 2017 um 40 Prozent. »Dadurch können wir die meisten Produkte sowohl logistisch als auch kommerziell, im Sinne von preisstabil, zu den gleichen Bedingungen anbieten wie bisher«. Auch wenn die ersten beiden Monate mit einem Plus von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestartet sind, sieht er doch auch Gefahren für die weitere Entwicklung des Stromversorgungsmarktes: Bauteilverfügbarkeit, steigende Lohnkosten und die Aufwertung der Währungen im asiatischen Produktionsraum.
Als große Herausforderung für 2018 betrachtet Markus Bicker, Geschäftsführer der Bicker Elektronik, die Moderation einer möglichst langfristigen Planung und Disposition in Zusammenarbeit mit den Kunden. »Helfen werden uns dabei nur entsprechende Forecasts und langfristig platzierte Aufträge«, versichert er. Für Ralph Bischoff, Director von EOS Power, ist der aktuell größte Unterschied zum Vorjahr »die erweiterte Entscheidungszeit der Bereiche R&D und Einkauf beim Kunden; konkret heißt das, es gibt keine Planbarkeit mehr von der Erstbemusterung bis zum Produktionsstart«. Besonders intensiv ist die Nachfrage bei EOS Power derzeit aus Nordamerika und immer stärker auch aus Indien. Für die nächsten Monate erwartet er eine stärker ansteigende Nachfrage aus Europa.
»Lager, Forecast, alternative Komponenten und die Kommunikation mit dem Kunden« zählen für Frank Cubasch, Geschäftsführer der Magic Power Technology, zu den Top-Herausforderungen des laufenden Geschäftsjahres. »Natürlich versuchen wird das durch Lagerhaltung, Forecasts und Rahmenaufträge bei unseren Lieferanten so gut wie möglich zu glätten«, versichert er, »aber die Kunden müssen auch ihre Einteilungszeiträume ausdehnen. Kritisch wird es dann bei kurzfristigen Bedarfen, die sich nicht aus dem Lager bedienen lassen«.