Setzen die Versorger mit Energietransparenz aufs falsche Pferd?

Energiesparen ist kein Geschäftsmodell!

15. Oktober 2012, 11:54 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Bernd Kotschi, KOTSCHI CONSULTING: »Der Einstieg über proprietäre Systeme kann in bestimmten, insbesondere frühen Marktphasen sinnvoll sein. In solch einer Marktphase befindet sich der Smart-Home-Markt derzeit noch.«
© KOTSCHI CONSULTING

Energietransparenz ist als Nutzenargument zur Endkundenansprache (noch) nicht geeignet: Geschäftsmodelle rund um's Smart Metering, die Energieeffizienz als Mehrwert für den Kunden in den Fokus rücken, stoßen bislang auf wenig Resonanz.

Das ist nur ein zentrales Ergebnis der von Dr. Bernd Kotschi (KOTSCHI CONSULTING) in Kooperation mit dem Branchenverband BITKOM e.V. und mit Unterstützung von TellSell Consulting realisierten »Smart Home Studie 2012«, an der über 100 Unternehmen aus den Branchen Telekommunikation, Energie, Consumer Electronics, Hausautomation, ITK, Gesundheit und Handel teilgenommen haben. In einem Interview mit Energie & Technik erklärt Dr. Bernd Kotschi, wie künftige Geschäftsmodelle rund um Smart Metering/Smart Home aussehen könnten und warum er in der Anfangsphase proprietäre Systeme für chancenreicher hält.

Energie & Technik: Bisher hieß es doch immer, allein schon den Energieverbrauch transparent zu machen, führt dazu, dass die Verbraucher rund 10 Prozent der Energie einsparen. Ist das falsch?

Dr. Bernd Kotschi: Nun, die Vielzahl der Pilotprojekte von Energieunternehmen aber auch Consumer Electronics zeichnen hier ein anderes Bild und haben zu einem ernüchternden Ergebnis geführt: Energieverbrauchskurven allein können Endkunden nur kurze Zeit begeistern, nach wenigen Tagen verkommen solche Angebote zu »Set and forget«-Features. Es hat sich gezeigt, dass auch visuell ansprechende Portale den Endkunden nicht wirklich fesseln. Dass die Verbraucher aufgrund besserer Transparenz 10 Prozent ihrer Energie sparen – teilweise kursieren noch höhere Zahlen – ist eher Wunschdenken als Realität.

Viele Stadtwerke setzen doch jetzt sehr stark darauf, den Endkunden Energietransparenz zu bieten und ihnen zu ermöglichen, Energie zu sparen, nicht zuletzt, um sie an sich zu binden?

Das ist richtig, nahezu alle Energiedienstleister investieren derzeit in solche Konzepte. Darin wird auch die Chance gesehen, über ein Smart-Meter-basiertes Geschäftsmodell dem Kunden Angebote zu unterbreiten, die die bislang vernachlässigte Kundenbindung stärken. Der Handlungsdruck scheint hier offenbar recht hoch zu sein. Leider ermangelt es diesen Konzepten aber häufig der Orientierung an den tatsächlichen Kundenbedürfnissen. Denn wie viele Pilottests und Markteinführungen gezeigt haben: Produktkonzepte, die allein darauf gerichtet sind, über Energietransparenz und Energieeffizienz dem Endkunden einen Mehrwert zu verkaufen, stoßen auf wenig Interesse. Eine Zahlungsbereitschaft ist hierfür nicht vorhanden. Kunden wollen sich mit Energieverbrauchskurven nicht beschäftigen.

Diese Erkenntnis scheint sich mittlerweile durchzusetzen: Im Rahmen unserer Expertenstudie wurde z.B. auch nach dem Top-Nutzenargument gefragt, mit dem sich die größte Smart-Home-Zielgruppe adressieren lässt. Auf dem ersten Platz landete »Steigerung Komfort in der Nutzung«, auf dem zweiten Platz »Spiel, Spaß und Begeisterung« und erst auf dem dritten Platz »Senkung der Energiekosten«. Besonders interessant: Keiner der befragten Energieexperten hatte dabei auf das Nutzenargument »Senkung der Energiekosten« gesetzt!

Wenn die Energieunternehmen demnächst last- und zeitabhängige Tarife anbieten, dann ginge es nicht nur darum, ein paar Euro Stromkosten übers Jahr zu sparen. Verbraucher, die dann nicht über ein Smart-Meter/Smart-Home-System verfügen, das automatisch die günstigen Tarife auswählt, müssten künftig sehr viel mehr bezahlen. Wäre also dann die Voraussetzung für ein solches Geschäftsmodell gegeben? Spielt die Zeit für die Stadtwerke?

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, denn bislang besteht noch keine gesetzliche Pflicht für einen flächendeckenden Rollout von Smart Metern. Und ohne Smart Meter in den Haushalten fehlt die Grundlage für last- und zeitvariable Tarife.

Allerdings ist der Wettbewerb um den Zugang zum Endkunden über Smart-Meter-entkoppelte Smart-Home-Konzepte bereits entbrannt. Bei derartigen Ansätzen stehen nämlich nicht Energietransparenz und Senkung Energiekosten im Fokus, sondern Komfortaspekte sowie Spiel, Spaß und Begeisterung. RWE hat mit ihrem Smart-Home-Angebot hier den ersten Schritt getan. Aktuell sind es insbesondere die Stadtwerke, die mit hoher Investitionsbereitschaft für Aufsehen in der Branche sorgen. Leider aber auch mit austauschbaren Konzepten, sowohl was die Hardware anbelangt als auch die Steuerungsmöglichkeiten. Anmutung und Design der Geräte, aber auch der dazugehörigen Applikationen und Portale lassen z.T. zu wünschen übrig und treffen wohl kaum die Anforderungen der Smart-Home-Zielgruppe.  

Woran liegt es?

Energieunternehmen haben noch Nachholbedarf, wenn es um die Generierung und Nutzbarmachung von Customer Insights bzw. Kundenbedürfnissen geht, die herkömmlichen nach Verbrauch von kWh definierten Kundensegmente müssen im Smart-Home-Sinne anders geschnitten werden. Zudem fehlt der Energiebranche naturgemäß die Erfahrung im Einkauf von Hardware, der Gestaltung von Portalen und dem Zugang zur Zielgruppe. Oft drängen sich den Stadtwerken dann auch Dienstleister mit wenig nachhaltigen Konzepten auf. Eine übergreifende, neutrale Perspektive kann hier nützlich sein, die Marktentwicklungen richtig einzuschätzen und adäquate Maßnahmen zu ergreifen.


  1. Energiesparen ist kein Geschäftsmodell!
  2. Proprietäre Systeme erleichtern Einstieg

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